Holzwirtschaft warnt vor Rückschritt beim klimafreundlichen Bauen mit Holz
„Die Bilanz ist drei Jahre nach den Beschlüssen der Bauministerkonferenz ernüchternd“, resümiert Erwin Taglieber, Präsident des Deutschen Holzwirtschaftsrats e.V. (DHWR) über die Bemühungen der Bauminister zum Abbau von Hemmnissen im Baurecht. „Entgegen bisheriger Ankündigungen ist das Bauen mit Holz komplizierter geworden, anstatt dass die Genehmigungen vereinfacht wurden.“
Die von der Bauministerkonferenz im Juni 2021 auf den Weg gebrachte Muster-Holzbau-Richtlinie regelte das Bauen mit Holz neu. So kann nach Einführung der Richtlinie in Landesrecht theoretisch in den Gebäudeklassen 4 und 5 bis zur Hochhausgrenze mit Holz gebaut werden. Allerdings bildet die Richtlinie nicht den Stand von Baupraxis, Technik und Wissenschaft ab. So ist zum einen die weit verbreitete und praxiserprobte Holzrahmenbauweise in der Gebäudeklasse 5 nicht geregelt. Dies erschwert insbesondere die Aufstockung von Bestandsgebäuden, für die diese Leichtbauweise prädestiniert ist. Des Weiteren beschreibt die Richtlinie nur einen geringen Teil möglicher Detailausführungen des Holzbaus. Die allermeisten Projekte können nach wie vor nur mit aufwendigeren Einzelfallgenehmigungen realisiert werden. Nach Veröffentlichung der Muster-Holzbaurichtlinie gingen die Baubehörden mehrerer Bundesländer zudem dazu über, Genehmigungen mit von der Richtlinie abweichenden Detailausführungen zu versagen.
Mehr als 5.000 mehrgeschossige Gebäude wurden in den letzten acht Jahren in Deutschland realisiert. Für fast alle Projekte wurden aufwendige Brandschutzgutachten angefertigt, welche die Erfüllung aller baurechtlichen Schutzziele bestätigten. Die Muster-Holzbaurichtlinie zwingt Holzbauvorhaben nun in ein enges praxisfremdes Regelungskorsett, welches das Bauen mit Holz nicht vereinfache, sondern erschwere.
Der DHWR fordert die Bauminister der Länder auf, die Muster-Holzbau-Richtlinie zu novellieren und die Baupraxis in den Prozess enger einzubinden. Bis dahin sind Einzelfallgenehmigungen weiter zuzulassen. „Erst wenn die Politik die praxiserprobten Bauweisen gleichbehandelt und das klimaschonende Bauen mit Holz den konventionellen Bauweisen baurechtlich ebenbürtig stellt, ist ein wirklich fairer Wettbewerb gewährleistet“, so Taglieber.
Im Hinblick auf die im Gebäudesektor dringend erforderlichen Treibhausgaseinsparungen sei es sehr zu begrüßen, dass der Bund nachhaltige und klimafreundliche Bauweisen stärker fördern will. „Es war überfällig, die Vergabe von Förderkrediten und staatlichen Zuschüssen an die Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien wie die Ökobilanz zu knüpfen. Unverständlich ist für uns allerdings, dass die Förderzuschüsse für nachhaltige Gebäude gerade jetzt, in einer Phase steigender Materialpreise und Finanzierungskosten, halbiert wurden. Das Ergebnis sehen wir aktuell. Wer jetzt noch baut, baut mit geringeren Effizienzstandards. Das ist das falsche Signal und wird dem Anspruch nach mehr Klimaschutz nicht gerecht“, mahnt der DHWR-Präsident mit Blick auf die Koalitionäre auf Bundesebene.
Am 13. Juli 1949 gründeten zehn Verbände der Holzwirtschaft in Wiesbaden den „Holzwirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets“. Der Deutsche Holzwirtschaftsrat vertritt heute über seine Mitgliedsverbände 70.000 überwiegend mittelständische Betriebe, die mit 650.000 Beschäftigten einen jährlichen Umsatz von 120 Milliarden Euro generieren. Die Dachorganisation der deutschen Holzwirtschaft deckt damit die gesamte Wertschöpfungskette des Rohstoffes Holz ab. Diese reicht vom Waldholz, das von der Säge-, Holzwerkstoff- sowie Zellstoff- und Papierindustrie bearbeitet wird, über die Weiterverarbeitung von Holz und Holzprodukten in der Möbel- und Packmittelindustrie, in der Pelletproduktion sowie in den Handwerksbetrieben und im Holzbau bis hin zum Vertrieb durch den Handel. Der Kreislauf schließt sich durch das Recycling von Altpapier und Holz.
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