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Israelis blicken positiver auf Deutschland als Deutsche auf Israel

Der Staatsbesuch des israelischen Staatspräsidenten Itzchak Herzog in Deutschland symbolisiert erneut die engen Beziehungen zwischen beiden Staaten. Allerdings blicken Israelis deutlich positiver auf Deutschland als umgekehrt die deutsche Bevölkerung auf Israel. Gerade bei der jüngeren Generation beider Länder gibt es Anzeichen einer möglichen Entfremdung.

46 Prozent der Deutschen haben eine gute Meinung, 34 Prozent hingegen eine schlechte Meinung über Israel. Dem steht ein ausgesprochen positives Deutschlandbild vieler Israelis gegenüber. 63 Prozent von ihnen haben eine gute, nur 19 Prozent dagegen eine schlechte Meinung von Deutschland. Das sind die zentralen Ergebnisse der neuen Studie „Deutschland und Israel heute: Zwischen Verbundenheit und Entfremdung”, der eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von pollytix strategic research GmbH in Deutschland und New Wave Research in Israel im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zugrunde liegt.

Unterschiedliche Schlussfolgerungen aus der Geschichte

Unterschiedlich beantworten die Befragten beider Länder auch die Frage, ob sich aus der Geschichte eine besondere Verantwortung Deutschlands für das jüdische Volk ergibt: 58 Prozent der Israelis sind davon überzeugt, aber nur 35 Prozent der Deutschen sehen das ebenfalls uneingeschränkt so. Eine aus der Geschichte abgeleitete Verantwortung für den Staat Israel sehen sogar nur 27 Prozent der Deutschen, aber 57 Prozent der Israelis. Israelis haben demnach Erwartungen an die Deutschen, welche die deutschen Befragten mehrheitlich nicht teilen. Auf politischer Ebene zeigt sich das zum Beispiel bei der Frage, wie die deutsche Politik diese Verantwortung wahrnehmen soll. So erhoffen sich 61 Prozent der Israelis von der Bundesregierung eine einseitige politische Unterstützung ihrer Position im israelisch-palästinensischen Konflikt. Allerdings teilen nur 12 Prozent der deutschen Befragten diese Haltung. Und während knapp zwei Drittel (64 Prozent) aller deutschen Befragten überzeugt sind, dass beide Seiten in diesem Konflikt zu gleichen Teilen nachgeben müssten, sieht mehr als jeder zweite Israeli (55 Prozent) die palästinensische Seite in der Verantwortung, in diesem Konflikt einzulenken.

„Die Unterschiede in der gegenseitigen Wahrnehmung zwischen Deutschen und Israelis sind auch das Resultat unterschiedlicher Sicherheitslagen und unterschiedlicher politischer Kulturen“, sagt Stephan Vopel, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung. Zudem manifestieren sich hier deutlich unterschiedliche Schlussfolgerungen aus der Geschichte: „Für die allermeisten Deutschen gilt weiter die Maxime ’nie wieder Krieg’“, sagt Vopel, „für die Israelis heißt es ’nie wieder Opfer‘.“

Israelische Bevölkerung bewertet Arbeit der Bundesregierung positiv

Ähnlich wie Deutschland insgesamt wird auch die Arbeit der Bundesregierung von der Mehrheit der Israelis positiv gesehen. 55 Prozent der Israelis bewerten sie anerkennend, nur 12 Prozent sehen sie negativ. Lediglich die jüngste Gruppe der Befragten äußert sich zurückhaltender, 47 Prozent der 18 bis 29-Jährigen sehen die Regierung in Deutschland positiv. Deutsche haben dagegen ein deutlich negativeres Bild von der israelischen Regierung. Nur 24 Prozent bewerten sie positiv, 43 Prozent hingegen negativ und etwa ein Drittel traut sich kein Urteil zu (32 Prozent „weiß nicht“). Und die jungen deutschen Befragten (18-29 Jahre) kommen zu einem noch schlechteren Schluss: unter ihnen sehen nur 15 Prozent die israelische Regierung positiv.

Gespalten sind die Israelis bei der Frage, ob das Verhältnis zwischen Israelis und Deutschen noch durch den Holocaust beeinträchtigt ist: 48 Prozent empfinden das so, während 42 Prozent das Verhältnis als nur noch etwas oder gar nicht mehr belastet ansehen. 60 Prozent der Israelis lehnen es ab, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen, nur 14 Prozent bejahen diese Forderung. In Deutschland fordert dagegen jeder zweite Befragte (49 Prozent), einen Schlussstrich zu ziehen, lediglich 33 Prozent sprechen sich explizit dagegen aus.

Unterschiedliche Auffassungen zwischen jungen Menschen Israels und Deutschlands

Auffällig ist, dass die jüngsten Gruppen der Befragten beider Länder (18-29-Jährige) unterschiedliche Auffassungen in zentralen Themen vertreten. Während die junge Generation in Deutschland beispielsweise die Bedeutung der Vergangenheit für heute vor allem auf eine Verantwortung Deutschlands gegenüber dem jüdischen Volk bezieht (Zustimmung Deutsche: 44 Prozent, Israelis: 53 Prozent), sehen die jüngeren Israelis eine deutsche Verantwortung vor allem im Hinblick auf eine Unterstützung des Staates Israel (Zustimmung Israelis: 54 Prozent; Zustimmung Deutsche: 25 Prozent).

Für Joachim Rother, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung, sind die Ergebnisse der Studie Mutmacher und Warnsignal zugleich: „In den vergangenen Jahrzehnten wurde viel für das deutsch-israelische Verhältnis erreicht. Die unterschiedlichen Perspektiven gerade der jüngeren Generationen beider Länder zeigen aber auch, dass eine intensive Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Perspektiven und Lebensrealitäten unabdingbar ist. Hier kann vor allem die direkte Begegnung in Form von Dialog und Kooperation hilfreich sein“, sagt Rother.

Deutsch-Israelische Kooperation schafft Zukunftsperspektiven

Neue Ergebnisse liefert die Studie auch im Hinblick auf die deutsch-israelische Zusammenarbeit. Mit ihr zeigen sich die Befragten insgesamt zufrieden. So vertritt die Mehrheit der deutschen Bevölkerung (56 Prozent), wie auch israelischer Befragter (68 Prozent) die Auffassung, dass die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern gut funktioniert. Vier von fünf Israelis (78 Prozent) wünschen sich eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Deutschland und auch jeder zweite Deutsche (53 Prozent) hält einen Ausbau der Kooperation mit Israel für wünschenswert. Während die Israelis dabei vor allem von den Bereichen wirtschaftlicher Zusammenarbeit (46 Prozent) sowie Militär, Rüstung und Verteidigung (29 Prozent) sprechen, sind es bei Deutschen vor allem die Sektoren Wissenschaft und Forschung (41 Prozent) sowie politische Zusammenarbeit auf Regierungsebene (35 Prozent), die künftig intensiviert werden sollten. Auf Ebene der bilateralen Zusammenarbeit zeigt sich demnach ein überwiegend positives Bild, das zudem Ausbaupotentiale für die Zukunft aufzeigt.

Antisemitische Haltungen in Deutschland

Die vorliegende Studie untersucht anhand einzelner Fragen auch Aspekte antisemitischer Einstellungen in Deutschland, ohne den Anspruch zu erheben, das komplexe Phänomen Antisemitismus vollständig zu erfassen. Hier werden einzelne Indikatoren berichtet, aber nicht Antisemitismus als Ganzes. Die Ergebnisse fallen daher tendenziell höher aus als in vergleichbaren Studien zum Antisemitismus. Vorliegender Stichprobe nach meint ein Viertel der Befragten in Deutschland (24 Prozent), Juden hätten auf der Welt zu viel Einfluss. Weiteren Anlass zur Sorge bereiten Äußerungen eines israelbezogenen Antisemitismus. 36 Prozent der Bundesbürger setzen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern mit der Behandlung von Juden im Nationalsozialismus gleich. Für beide Dimensionen des Antisemitismus gilt: Je niedriger der Bildungsstand, desto größer die Vorurteile. „Angesichts des nachweisbaren Zusammenhangs zwischen Bildung und antisemitischen Vorurteilen sind wir dringend gefragt, zukünftig noch stärker in Bildungsarbeit und Aufklärung zu investieren”, so Rother.

Zusatzinformationen:
Die Studie „Deutschland und Israel heute: Zwischen Verbundenheit und Entfremdung” beruht auf repräsentativen demoskopischen Befragungen von pollytix strategic research GmbH in Deutschland und New Wave Research in Israel, die vom 31.08. – 5.10.2021 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt wurden. Die Autor:innen, Prof. Stephan Stetter von der Universität der Bundeswehr München, Dr. Jenny Hestermann von der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg und Dr. Roby Nathanson vom Macro Center for Political Economics in Israel analysieren und bewerten die quantitativen Ergebnisse und ordnen sie in die aktuellen und historischen Zusammenhänge ein.

 

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