Neue Behandlungsoption für die Folgen von Sauerstoffmangel während der Geburt
Bedeutung der Geburtsasphyxie und ihre Konsequenzen für die Hirnentwicklung
Akute Sauerstoffversorgungsstörungen des Fetus können durch eine Kompression der Nabelschnur, ein vorzeitiges Ablösen der Plazenta oder einen Gebärmutterriss entstehen und sind in der Regel gut an den typischen klinischen Begleiterscheinungen erkennbar. Ein allmählich während des Geburtsverlaufes entstehender Sauerstoffmangel ist diagnostisch dagegen ein sehr viel größeres Problem. Beide Formen des Sauerstoffmangels können zu einer Geburtsasphyxie führen. Sie ist die häufigste Todesursache während der ersten vier Wochen nach der Geburt (Neonatalperiode) und macht während dieses Zeitraums etwa 25 Prozent der kindlichen Todesfälle aus. Überlebt das Kind die Geburtsasphyxie, führt sie häufig zu einer hypoxischen Enzephalopathie und schweren Entwicklungsstörungen, die bisher nur in einem kleinen Teil der betroffenen Neugeborenen verhindert werden können. Die bisher wirksamste Behandlung ist das gezielte Absenken der Körpertemperatur (therapeutische Hypothermie), das aber in weniger als 50 Prozent der Fälle ausreichend wirksam ist. Als Mechanismen der Hirnschädigung durch Geburtsasphyxie werden vor allem entzündliche Prozesse im Gehirn (Neuroinflammation), oxidativer Stress und andere Ursachen von Neurodegeneration diskutiert. Nach einer Geburtsasphyxie gibt es beim Neugeborenen für etwa 72 Stunden die Möglichkeit des therapeutischen Eingreifens („therapeutisches Fenster“), wobei so früh wie möglich behandelt werden sollte.
Der Mechanismus der schützenden Wirkung von Midazolam
Midazolam gehört zur Gruppe der Benzodiazepine und wirkt wie alle Vertreter dieser Gruppe potenzierend auf die Wirkung von Gamma-Aminobuttersäure (GABA), dem wichtigsten hemmenden Neurotransmitter im Gehirn. Dieser Mechanismus erklärt die krampf- und angstlösende Wirkung von Midazolam. Gleichzeitig wirkt Midazolam aber auch sehr potent auf den sogenannten „peripheren Benzodiazepinrezeptor“, ein Transmembranprotein der äußeren Mitochondrienmembran, das heute als Translocator Protein (TSPO) bezeichnet wird. TSPO spielt unter anderem eine Rolle bei entzündlichen Prozessen, so dass Midazolam über TSPO anti-entzündlich wirkt. Löschers Gruppe konnte zeigen, dass der unerwartet positive Effekt von Midazolam nach einer Geburtsasphyxie vor allem auf der anti-entzündlichen Wirkung von Midazolam im Gehirn beruht, da mit Midazolam verhindert wurde, dass sich nach der Asphyxie das Nervengewebe entzündet.
Ein neuer Therapieansatz für die Klinik?
Die von den TiHo-Forschenden erstmals beschriebene Wirkung von Midazolam auf die Folgen einer Geburtsasphyxie kann unmittelbar in der Klinik genutzt werden, da das Arzneimittel bereits jetzt bei Neugeborenen mit Geburtsasphyxie eingesetzt wird, um Krampfanfälle zu unterdrücken. Löschers Arbeitsgruppe kooperiert in diesem Projekt mit den Neonatologinnen und Neonatologen an der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). „Wir hoffen, dass unsere Erkenntnisse bald in die Klinik übertragen und genutzt werden“, sagt Löscher.
Die Originalpublikation
Midazolam prevents the adverse outcome of neonatal asphyxia.
Björn Welzel, Ricardo Schmidt, Marie Johne, and Wolfgang Löscher
Annals of Neurology 2022, https://doi.org/10.1002/ana.26498
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