Schwere Zeiten für das Bäckerhandwerk
Diese Auswirkungen spürt Bäckermeister Michael Karl sehr stark: „Der Arbeitspreis für die Kilowattstunde Strom wird sich zum Jahreswechsel versiebenfachen. In unserem Brot ist ‚Energie‘ mittlerweile die wesentliche Hauptzutat“. In den vergangenen Jahren habe er immer wieder seine Bäckerei neu ausrichten müssen. Zwischenzeitlich mit 18 Mitarbeitern, beschickt er aktuell mit drei Mitarbeitern und einer Aushilfe eine geringere Anzahl von Märkten – überwiegend im Rhein-Main-Gebiet – und verkauft seine Erzeugnisse im Dorfladen in Storndorf und in Köddingen. Seine Spezialitäten sind Brote, vom „Vogelsberger Riesen“ mit acht Kilo, über Bauernbrote sowie Kartoffelbrote, bis hin zu Brötchenspezialitäten.
Doch bei all der positiven Rückmeldung, die der Bäckermeister für seine handwerklichen Erzeugnisse in der Region und darüber hinaus bekommt, zeichnet er ein düsteres Bild der Zukunft seiner Bäckerei, die 1898 von seinem Urgroßvater gegründet wurde.
Mehr als 300 Stunden arbeite er im Monat. Ohne sich selbst Lohn auszuzahlen, wie er betont, subventioniere er so den Betrieb. Und trotzdem sind die finanziellen Lasten nicht zu stemmen. „Durchschnittlich sind die Kosten für die Zutaten, die wir verarbeiten um 80 Prozent gestiegen“, führt der Bäckermeister aus. Die notgedrungene Umlage auf die Kunden äußerte sich in einem Umsatzrückgang. „Aktuell haben verschiedene Faktoren Auswirkungen auf den Umsatz. Viele Menschen haben Angst davor, was noch passieren könnte, fangen an, das Geld zusammenzuhalten und kaufen ihre Backwaren beim Discounter. Wir konkurrieren außerdem mit industriellen Großbäckereien, wir hatten Urlaubs- und Ferienzeit sowie einen heißen Sommer. Dann essen die Menschen tendenziell weniger Brot“, sagt Karl. Größere Bäckereien könnten vielleicht aufgrund von länger laufenden Lieferverträgen noch die Auswirkungen abfedern, doch „auch da wird sich sicher noch einiges tun“, vermutet er.
Weitere Herausforderung für ihn: Der zum 1. Oktober gültige Mindestlohn von 12 Euro brutto je Arbeitsstunde. „Ein Euro pro Arbeitsstunde mehr, bedeuten für mich 2,50 Euro, die ich zusätzlich kalkulieren muss“, führt er aus. Mehr Kaufkraft habe der Arbeitnehmer dadurch allerdings nicht. Denn „von den 2,50 Euro, die ich kalkulieren muss, kommen nur etwa 60 Cent beim Mitarbeiter an. Den Rest kassiert der Staat“, sagt Karl und ergänzt: „Aber gutes Backen, kostet eben viel Arbeitszeit.“
Aktuell plant Karl von Monat zu Monat – und spätestens im Dezember wird er die Bäckerei umstrukturieren müssen. Große Investitionen in Wärmetauscher oder neue Backofentechnik sei entweder technisch oder in der Kürze der Zeit nicht umzusetzen. Seine Mitarbeiter jedenfalls kann er dann wahrscheinlich nicht mehr beschäftigen. Das Aus für die Bäckerei in der jetzigen Form. Der Wechsel zwischen Verkaufswagen und Backstube sei noch eine Option. Sicher sei das allerdings auch das noch nicht, sagt der Bäckermeister.
„Einen großen Dank dafür, dass Sie uns trotz der schwierigen Lage für die Traditionsbäckerei einen ehrlichen und realistischen Einblick gewähren“, unterstreicht der Erste Kreisbeigeordnete. Die schwierigen Rahmenbedingungen bringen selbst alteingesessene Lebensmittel-Handwerksbetriebe in existenzielle Not – „Trotzdem hoffen wir, dass Sie einen Weg finden, die Back-Tradition in Storndorf zu erhalten, und auch weiterhin beste Backwaren für Ihre Kunden anbieten zu können“, sagt Dr. Mischak.
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