Gesundheit & Medizin

Tag der Sinne 2022: Experten für Altersmedizin laden zur bundesweiten Aktionswoche

Ein Bündnis aus Fachärztinnen und -ärzten in Klinik und Praxis sowie anderen Fachdisziplinen lädt vom 1. bis 8. Oktober 2022 zur bundesweiten Aktionswoche „Tag der Sinne“ ein. Die Veranstaltungswoche steht unter dem Motto „Altern mit allen Sinnen – wie kann dies gelingen?“. Das Programm richtet sich an Interessierte aller Altersgruppen und möchte auf die Bedeutung von Sinnesstörungen im Alter hinweisen. „Sinnesstörungen lassen sich oft einfach diagnostizieren und sollten möglichst frühzeitig therapiert werden“, sagt Prof. Dr. Christiane Völter. So treten bereits in frühen Stadien einer Hörstörung im Rahmen von Umorganisationsprozessen erste Veränderungen im Gehirn auf, wie Studien mit Hirnstrommessungen gezeigt haben. Mit dem „Tag der Sinne“ wolle man die besonderen Bedürfnisse der älteren Menschen in den Fokus rücken, so die Initiatorin der Aktionswoche.

Anlass der Aktionswoche ist der von den Vereinten Nationen ausgerufene „Internationale Tag der älteren Menschen“ am 1. Oktober. „Der Tag richtet den Blick auf die Altersgruppe der über 60-Jährigen, die in der modernen, schnelllebigen Gesellschaft oft nicht ausreichend Beachtung finden“, sagt HNO-Fachärztin Völter. Im Hinblick auf die demografische Entwicklung werden ältere Menschen mit ihren spezifischen Veränderungen und Problemen immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Die Sinne verbinden den Menschen mit seiner Umwelt, erläutert Professorin Völter: „Wie abhängig der Mensch von den Leistungen der Sinne ist, und was eine Einschränkung derselben bedeutet, wird erst erkannt, wenn deren Leistung nachlässt.“ Das Zitat „Blindheit trennt von den Dingen, Taubheit von den Menschen“, das der amerikanischen taubblinden Schriftstellerin Helen Keller zugeschrieben werde, bringe dies auf den Punkt.

Sinnesstörungen finden sich überproportional häufig im höheren Lebensalter. Obwohl heutzutage gute Therapieoptionen vorhanden seien, werden diese oft übersehen – mit weitreichenden Folgen, so Völter weiter. Neben spezifischen Erkrankungen der Sinnesorgane seien außerdem verschiedene altersbedingte degenerative Prozesse für das Auftreten von Sinneseinschränkungen verantwortlich. „Einschränkungen der Gleichgewichtsfunktion, des Hörvermögens, Sehens, Riechens und der Somatosensorik sind mit einer Erhöhung der Sturzhäufigkeit und einer erhöhten Sterblichkeit älterer Menschen verbunden. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass eine Hörstörung die Wahrscheinlichkeit für eine Demenzerkrankung erhöht.“ Aufgrund dieser Erkenntnisse sei es besonders wichtig, die sensorischen Funktionen, wie Hören, Sehen, Riechen, zu erhalten und nötigenfalls mit therapeutischen Maßnahmen zu unterstützen.

Häufig werden Hörstörungen im Alter nicht oder erst spät erkannt und behandelt, sei es durch ein bewusstes oder unbewusstes Verdrängen der Betroffenen oder durch das fehlende Bewusstsein der Umgebung. So dauere es oft Jahre vom Auftreten der ersten Symptome bis zur ärztlichen Versorgung, erklärt die HNO-Ärztin. In diesem Zusammenhang plädiert Völter für die Einführung eines Hörscreenings für alle Menschen ab der zweiten Lebenshälfte: „Eine altersbedingte Abnahme des Hörvermögens tritt bereits ab dem 50. Lebensjahr auf. Bei den 60- bis 69-Jährigen leiden bereits 20 Prozent unter einer Hörstörung, bei den über 80-Jährigen liegt die Zahl sogar bei circa 70 Prozent.“ Entsprechend der prognostizierten demografischen Entwicklung sei in den kommenden Jahren in Deutschland mit einem jährlichen Zuwachs von 150.000 bis 160.000 Schwerhörigen zu rechnen, so Völter. Die Zahl der mit einem Hörgerät versorgten Betroffenen sei gleichzeitig niedrig. „Nach Aussage der HÖRSTAT-Studie sind nur knapp sechs Prozent der 60- bis 69-jährigen sowie etwa 30 Prozent der 80-jährigen schwerhörigen Menschen in Deutschland mit einem Hörgerät versorgt.“ Mit einem flächendeckenden Früherkennungsprogramm ließe sich die Zahl der unversorgten Patienten reduzieren, so Völter.

Dabei beschränke sich die Therapie einer Hörminderung heutzutage nicht mehr allein auf die Verordnung von konventionellen Hörgeräten. Völter: „Bei Vorliegen von hochgradigen Schwerhörigkeiten, die hiermit nicht mehr adäquat versorgt werden können, sollte auch bei Älteren und alten Menschen an die Versorgung mit einem Cochlea Implantat (CI) gedacht werden. Obwohl ältere Menschen im Hinblick auf das Sprachverstehen und die Lebensqualität ähnlich gut profitieren wie die Jüngeren, ist die Zahl der mit einem CI versorgten Älteren auch in Industrieländern immer noch gering.“

Auch das Riechvermögen lasse mit dem Alter nach. „Bereits ab dem 50. Lebensjahr weist jeder Vierte eine Riechminderung auf, ab dem 80. Lebensjahr sogar jeder Dritte. Dabei kann eine Riechstörung auch das erste Zeichen einer Parkinson- oder einer Demenzerkrankung sein“, erklärt Völter. Des Weiteren leiden circa 20 Prozent aller 60-Jährigen und 50 Prozent aller 80-Jährigen unter ausgeprägten Schwindelbeschwerden. Auch die Wahrnehmung taktiler und haptischer Reize nehme im Alter ab. Berührung, Druck, Temperatur und Schmerz werden weniger wahrgenommen.

Im Rahmen der Aktionswoche werden von HNO-Kliniken und HNO-Arztpraxen in Kooperation mit Experten aus der Neurologie, Augenheilkunde, Geriatrie, Gerontologie und weiteren Fachdisziplinen deutschlandweit individuelle Veranstaltungen organisiert. Dabei stehen die Experten aus Klinik, Forschung und Praxis Rede und Antwort. Geplant sind unter anderem patientenorientierte Vortragsveranstaltungen sowie „Sinnesparcours“ mit Hör-, Riech- und Schmecktests. Die Themen reichen von Hörstörungen und Tinnitus über Sehen und Schmecken bis zu neurologischen Fragestellungen.

Mehr Informationen zu den teilnehmenden Standorten und zum Programm unter: www.tagdersinne.de.

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