Weibliche Perspektive auf den Islam
Zum Inhalt
Das Beste in seinem Leben sind seine Töchter, sagt der Taxiunternehmer Afzal (Stefan Eichberg). Dank seines sensationellen wirtschaftlichen Aufstiegs, ihm gehört ein riesiges Taxiunternehmen in Atlanta, kann der aus Pakistan nach Amerika ausgewanderte Geschäftsmann ihnen ein komfortables Leben und eine gute Ausbildung finanzieren. Die Liebe zu seiner Familie und der Glaube an Allah und den Propheten Mohammed sind für ihn die Grundfesten seines Lebens. Nur eins bereitet ihm Sorge. Seine ältere Tochter Zarina (Sarah Finkel), sie ist mittlerweile schon über 30 Jahre alt, denkt nicht ans Heiraten. Sie schreibt an einem Buch über Frauen und den Islam und konzentriert darauf ihre ganze Energie. Aber ehe die große Schwester nicht verheiratet ist, darf auch die jüngere Mahwish (Romy Klötzel) ihren langjährigen Freund nicht ehelichen. So will es die Tradition, die der Vater hochhält, auch wenn er schon lange in Amerika und nicht mehr in Pakistan lebt.
Deshalb greift Afzal zu einem Trick. Er gibt sich auf muslimlove.com als seine Tochter aus und sucht für sie einen Mann, einen gläubigen Muslim selbstverständlich. Wenn ihm ein Kandidat passend erscheint, nimmt er den Verwirrten, der auf ein Date mit Zarina hofft, höchstpersönlich unter die Lupe. Endlich findet er Eli (Arlen Konietz), einen zum Islam konvertierten Amerikaner, der sogar einer Moschee vorsteht. Besser geht’s nicht, findet Afzal und treibt die Heiratspläne voran.
Und tatsächlich verlieben sich Zarina und Eli ineinander. Er unterstützt sogar die Arbeit an ihrem Buch. Zarina schreibt über den Propheten Mohammed und fragt: Wer war er als Mensch? Welche Leidenschaften trieben ihn um? Denn die Geschichten, die von und über ihn überliefert seien, zeigen ihn als ein Denkmal für das, was die Menschen aus ihm gemacht haben, meint sie. Sie erzählt in ihrem Buch von den Zweifeln, seiner ständigen Selbstbefragung und vom Begehren des Mannes Mohammed. Und sie stellt die Frage, ob nicht einige Gebote, die noch 1400 Jahre später insbesondere das Leben der Frauen im Islam bestimmen, aus Fehlinterpretationen bestimmter Situationen im Leben Mohammeds durch islamische Rechtsgelehrte resultieren. Ein Buch mit Sprengkraft. Als Afzal das Manuskript des Buches in die Hände bekommt, zieht es ihm den Boden unter den Füßen weg. Er will nichts mehr mit seiner Tochter zu tun haben und das Buch wird zur Zerreißprobe für seine Familie.
Warmherzige Geschichte über Widersprüche zwischen religiösen Dogmen und modernem Leben
Dem vielfach ausgezeichneten amerikanischen Schriftsteller Ayad Akhtar, dessen Eltern selbst aus Pakistan in die USA emigriert sind, gelingt mit »The Who and the What« das Kunststück, hochaktuelle und brisante gesellschaftliche Fragen zur Rolle der Frau im Islam in einem humorvollen Stück zu verhandeln. Klug, mit witzigen und pointierten Dialogen und sehr liebevoll gezeichneten Charakteren zeigt er die Widersprüche zwischen der religiös geprägten Kultur und dem Leben in einer modernen Gesellschaft. Das Stück gerät zu einem großen Plädoyer für die Liebe und für ein selbstbestimmtes Leben für alle Geschlechter, unabhängig vom Glauben und der Kultur.
Titel ist ein Zitat von Derrida
Das Stück entstand 2014, wurde 2017 am Schauspielhaus Hamburg zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt und bisher 13mal im deutschsprachigen Raum inszeniert. Den Titel »The Who and the What« trägt nicht nur das Buch, an dem Zarina gerade schreibt. Er bezieht sich auf ein Zitat des französischen Philosophen Derrida über den Zusammenhang zwischen dem WER und dem WAS in der Liebe: Welchen Maßstab legen wir in der Bewertung eines Menschen an? Sind wir stärker von dem abhängig, WAS wir über ihn wissen, über seine Herkunft, seine Erziehung, den Beruf und die soziale Stellung? Oder beurteilen wir ihn danach, wer dieser Mensch wirklich ist?
Leser seines Glaubens
Ayad Akhtar stammt selbst aus einer pakistanischen Auswandererfamilie, sieht sich als Kind zweier Welten und bezeichnet sich als »kulturellen Muslim«. Er sei kein Gläubiger seines Glaubens, sondern ein Leser seines Glaubens, den er befragt. Davon ist auch sein Schreiben geprägt. Sein 2012 entstandenes Theaterstück »Geächtet« wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Darin geht es um einen amerikanisch-pakistanischen Anwalt, der sich selbst bis zur Selbstaufgabe assimiliert und amerikanischer als jeder Amerikaner lebt. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 spürt er jedoch, dass er seine Wurzeln nicht entkommt. Kaum jemand beschreibt die Widersprüche kultureller Identität so analytisch wie Ayad Akhtar. Er sagt: »Ich bin fest überzeugt, dass Kunst nicht nur als Selbstzweck besteht. Wenn Kunst eine moralische Dimension hat, dann die, den Zuschauer über sein eigenes Wertesystem reflektieren zu lassen und dabei zu helfen, Widersprüche auszuhalten. Ein Bewusstsein zu entwickeln, nicht nur ein Gewissen zu haben.«
Premiere am 1. Oktober 2022, 19.30 Uhr, Großes Haus, Theater Heilbronn
The Who and the What
Schauspiel von Ayad Akhtar
Deutsch von Barbara Christ
Regie: Kay Wuschek
Bühne: Tom Musch
Kostüme: Cornelia Kraske
Video: Ernest Thiesmeier
Dramaturgie: Sophie Püschel
Mit: Stefan Eichberg (Afzal); Sarah Finkel (Zarina); Romy Klötzel (Mahwish); Arlen Konietz (Eli)
Weitere Vorstellungen: 09. Oktober; 27. Oktober; 01. November, 10. November; 11. November; 12. November; 19. November; 30. November – jeweils um 19.30 Uhr
weitere Vorstellungstermine unter www.theater-heilbronn.de
Theater Heilbronn
Berliner Platz 1
74072 Heilbronn
Telefon: +49 (7131) 5634-03
Telefax: +49 (7131) 56-4159
https://www.theater-heilbronn.de
Theater Heilbronn
Telefon: +49 (7131) 563403
Fax: +49 (7131) 564159
E-Mail: pressebuero@theater-hn.de