Belastung erkannt, Gefahr gebannt?
„Es ist gut, dass der Bundesgesundheitsminister erkannt hat, wie dringend die Überlastung des Pflegepersonals in den Krankenhäusern beendet werden muss und dass dazu eine am Pflegebedarf orientierte Personalbedarfsermittlung notwendig ist“, konstatiert Christel Bienstein, Präsidentin des DBfK. „Aber der aktuelle Gesetzesentwurf wird dem Problem keineswegs gerecht. Es fehlt die eindeutige Aussage, dass die Personalbedarfsermittlung bundesweit auf allen Stationen, auch den Kinder- und Intensivstationen, erfolgen muss. Das Ziel muss ebenfalls klar benannt sein: Der ermittelte Personalbedarf ist die Grundlage für die Soll-Besetzung auf den Stationen. Auch wenn der Personalaufbau nur schrittweise erfolgen kann, braucht es klare Zielsetzungen, Zeitpläne und Sanktionen bei Nichteinhaltung für diesen Aufbau. All das gehört zu einer wirksamen Personalbedarfsermittlung, wie sie die PPR 2.0 bietet. Es muss also im Gesetz klargestellt werden, dass die PPR 2.0 so umgesetzt wird, wie sie von Deutschem Pflegerat, Deutscher Krankenhausgesellschaft und der Gewerkschaft Verdi ausgearbeitet wurde. Wenn jetzt diese Chance vertan wird, riskieren wir weitere Berufsausstiege und außerdem Einbrüche in der Versorgungssicherheit. Bei der Personalbedarfsermittlung geht es schließlich nicht allein um die Entlastung der Kolleg:innen, sondern um die Sicherheit der Patient:innen.“
Für den DBfK ist außerdem inakzeptabel, dass der Bundesfinanzminister bei der Umsetzung der Pflegepersonalbedarfsermittlung beteiligt werden soll. „Wie viel Pflegepersonal gebraucht wird, muss allein vom Pflegebedarf abhängen und nicht von der Kassenlage“, so Bienstein.
Einen weiteren Schritt zugunsten des Pflegepersonals sieht Minister Lauterbach in der Ambulantisierung, wie er während der gestrigen Lesung erläuterte. Durch die Möglichkeit tagesstationärer Behandlungen im Krankenhaus sollen Schichtdienste entfallen und so ein weiterer Schritt gegen die Überlastung des Personals gegangen werden. Der DBfK sieht darin wenig Potenzial: Patient:innen, die aufgrund von geringem oder keinem Pflegebedarf über Nacht das Krankenhaus verlassen können, tragen dem Verband zufolge kaum zum Arbeitsvolumen auf den Stationen bei.
Der DBfK begrüßt die Ankündigung des Gesundheitsministers, die Akademisierung der Pflegeberufe voranzutreiben und die Strukturen im Gesundheitssystem so zu reformieren, dass professionell Pflegende ihre Kompetenzen auch adäquat einsetzen können. „Die Versorgungsbedarfe der Patient:innen werden immer komplexer und dem muss man begegnen. Internationale Studien zeigen, dass die Versorgungsqualität besser wird, wenn mehr akademisch ausgebildete Kolleg:innen in den Teams arbeiten. In Deutschland liegen wir hier um Jahrzehnte hinter der Entwicklung in anderen Ländern zurück. Es ist gut, dass der Minister dies erkannt hat und die hochschulische Ausbildung stärken will. Es kommt jetzt aber vor allem auf das Tempo der Umsetzung an!“
Bei der Anerkennung pflegerischer Kompetenzen geht es dem DBfK zufolge darum, dass insbesondere akademisch ausgebildete Pflegefachpersonen mit erweiterten pflegepraktischen Kompetenzen (Advanced Practice Nursing, APN), eigenständig heilkundliche Aufgaben übernehmen können. „Konkret heißt das, dass sie Gesundheitsbedarfe feststellen, pflegerelevante Untersuchungen durchführen und notwendige Maßnahmen, Materialien und Medikamente auch verordnen dürfen. Die Steuerung von Beatmungstherapien inklusive der Entwöhnung von der Beatmung ist ein gutes Beispiel, in dem die pflegerische Kompetenz viel stärker genutzt werden kann. Ernährungstherapie, Wundversorgung und Schmerzbehandlung sind ebenfalls Kompetenzbereiche von Pflegefachpersonen, die sie eigenständig ausführen können.“
Dem DBfK zufolge ist die aktuell noch vage formulierte Anerkennung pflegerischer Kompetenzbereiche auch für Lauterbachs Pläne zur Ambulantisierung zwingend. „Wenn Patient:innen sicher ambulant behandelt werden sollen, dann müssen zu Hause und in der Primärversorgung die dafür notwendigen Strukturen geschaffen werden“, fordert Bienstein. Dabei spielt die professionelle Pflege eine zentrale Rolle, um die Vor- und Nachsorge sicherzustellen, die Patient:innen und Angehörigen für die ambulante Versorgung zu beraten und anzuleiten. Die Community Health Nurse, für deren Einführung sich der DBfK aktuell stark macht, kann das leisten.“
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