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Gaspreisbremse allein reicht nicht

Die beiden Wirtschafskammern der Region, Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken (IHK) und Handwerkskammer Heilbronn-Franken (HWK) sowie der Wirtschaftsverband Südwestmetall-Bezirksgruppe Heilbronn/Region Franken schlagen Alarm. Den Zwischenbericht der „Experten-Kommission Erdgas und Wärme“ bewerten die Kammern und der Verband zwar insgesamt positiv, doch bei weitem nicht ausreichend. Sie warnen vor schweren Folgen für die regionale Wirtschaft. 

IHK-Hauptgeschäftsführerin Elke Döring sagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz: „Erstmals meldet sich die geballte regionale Wirtschaft zu Wort, weil wir in einer multiplen Krise stecken: Die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine lässt die Energiepreise in Deutschland explodieren. Die Unternehmen kämpfen um ihre Existenz. IHK, HWK und Südwestmetall fordern die Politik zu schnellem Handeln auf.“

Für Kirsten Hirschmann, Präsidentin der IHK Heilbronn-Franken, bleiben nach dem Zwischenbericht der Kommission immer noch zu viele Fragen unbeantwortet: „Für den Augenblick überwiegt zwar in vielen Unternehmen die Erleichterung, dass der Staat nun endlich die Preise dämpft statt sie durch eine Umlage noch weiter in die Höhe zu treiben, doch die von der Gaskommission in Windeseile zusammengeschusterten Empfehlungen sind weder ausgewogen noch gerecht, sondern eine teure Notlösung. Wir erwarten von der Politik schnell Antworten auf offene Fragen, denn es geht um die Existenz vieler unserer ums Überleben kämpfenden Unternehmen. Und es darf nicht der Eindruck entstehen, die Politik habe ihre Hausaufgaben gemacht und die Wirtschaft gerettet. Jedoch droht vielen Unternehmen das Aus, werden Produktionsverlagerungen geplant oder die Produktion zurückgefahren. Zudem stehen tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Diese Krise könnte der Wirtschaft der Region Heilbronn-Franken nachhaltig schaden. Jetzt müssen kleinere und mittlere Betriebe bis März oder April warten, um von den Subventionen zu profitieren. Dann ist der Winter um und viele der Unternehmen wird es nicht mehr geben. Wir brauchen deshalb dringend einen Härtefallfonds für angeschlagene Unternehmen, der noch im Winter schnell und unbürokratisch greift.“

Jörg Ernstberger, Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe Heilbronn/Region Franken: „Die Expertenkommission ‚Gas und Wärme‘ hat insgesamt durchdachte und belastbare Vorschläge entwickelt, wie private und gewerbliche Gaskunden schnell entlastet werden können. Unsere klare Erwartung ist jetzt, dass diese Vorschläge von der Bundesregierung umgehend aufgegriffen und rasch umgesetzt werden. Die vorgeschlagenen Maßnahmen würden für die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie neben einer signifikanten Entlastung vor allem Planbarkeit und Verlässlichkeit bedeuten. Die geplanten Kontingentmodelle setzen richtigerweise auch Anreize, Gas zu sparen. Zu begrüßen ist zudem, dass es für Härtefälle weitere Hilfsinstrumente geben soll. Angedacht sind hier beispielsweise Liquiditätshilfen, Bürgschaften, Zuschüsse und Kredite."

Paul Gehrig, Geschäftsführer Stadtwerk Tauberfranken GmbH und Mitglied der IHK-Vollversammlung, mahnt eine Strompreisbremse an: „Die Gaspreisbremse ist ein mutiger, teurer aber richtiger Schritt. Viele Unternehmen, Einrichtungen und Privatpersonen werden aber ohne eine ergänzende Strompreisbremse erhebliche Probleme bekommen. Die Strompreisentwicklung ist genauso beängstigend und betrifft alle – Haushalt, Gewerbe, Dienstleistung und Industrie.  Noch teurer als der Doppel-Wumms wäre aber eine ausgeprägte Rezession mit überdurchschnittlich vielen Insolvenzen.“  

Als die teuerste aller Möglichkeiten, um den Anstieg der Energiepreise zu deckeln, bezeichnet Hans-Jörg Vollert, Unternehmer, Vorstandsvorsitzender der Südwestmetall-Bezirksgruppe Heilbronn Region/Franken und IHK-Präsidiumsmitglied, die Gaspreisbremse: „Eine Verbreiterung des Angebots an Energie wäre deutlich kostengünstiger und am Ende auch besser fürs Klima – denn für den Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft wird an vielen Stellen jetzt das Geld fehlen.“

HWK-Hauptgeschäftsführer Ralf Schnörr sieht die Nutzer alternativer Energieformen zu wenig berücksichtigt. Bei aller Wertschätzung gegenüber den Maßnahmen zum Stopp der Gaspreise müssten auch die Betriebe entlastet werden, die sich anderer Energiequellen bedienten, so Schnörr.

HWK-Präsident Ulrich Bopp fordert: „Die Vorschläge der Expertenkommission gehen in die richtige Richtung, greifen aber zu spät und bieten unseren energieintensiven Handwerksbetrieben nicht die dringend notwendige Unterstützung zur Vermeidung von Existenz gefährdenden Entlastungslücken. Die Gaspreisbremse muss auch für Handwerksbetriebe ab Januar gelten. Darüber hinaus müssen die Zuschussprogramme auch für Betriebe außerhalb der Industrie geöffnet werden.“ Bopp, der hauptamtlich einen Baubetrieb leitet, ergänzt für seine Branche, dass im Moment zwar noch ausreichend Aufträge vorhanden seien, den Baubetrieben aber neben den hohen Energiepreisen auch die Materialknappheit und die extrem gestiegenen Materialeinkaufspreise zu schaffen machten. „Wenn die Bauwirtschaft in eine Krise gerät, dann trifft dies massiv die ganze Wirtschaft. Und genau das passiert gerade.“

Bernhard Kuhn, Obermeister der Heilbronner Bäcker-Innung, ergänzt aus der Praxis der Betriebe, dass eine schnelle und vor allem unbürokratische Hilfe notwendig sei, da es sonst für viele Betriebe zu spät sei. „Die Politiker müssen sich stets vor Augen führen, dass die meisten Handwerksbetriebe familiengeführt sind und die Handwerker in aller Regel mit ihrem Privatvermögen für ihren Betrieb einstehen.“

Hans Peter Fuchs, Gruppengeschäftsführer Finanzen und Controlling (CFO) bei ebm-papst aus Mulfingen, fordert von der Politik vor allem Planungssicherheit: „Die Vielzahl, Parallelität und Komplexität der aktuellen Problemstellungen stellen die ebm-papst Gruppe, wie wahrscheinlich viele deutsche Unternehmen, vor große Herausforderungen. Darüber hinaus muss sich die Wirtschaft im nächsten Jahr wohl auch auf eine Rezession und auf einen schwierigen Winter hinsichtlich Energiepreise und Versorgungssicherheit einstellen. Von größter Bedeutung für die Unternehmen ist jetzt daher, Planungssicherheit hinsichtlich Verfügbarkeit von Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen zu erhalten. Konsequenterweise muss daher der Fokus politischen Handelns auf einer schnellen und nachhaltigen Lösung dieser Probleme liegen, da sonst massive Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil der deutschen Industrie zu befürchten sind.“  

Eine noch viel größere Herausforderung sieht Hans-Jörg Vollert im Winter 23/24: „Die Gasspeicher werden im Frühjahr leer sein und nicht mehr gefüllt werden können wie dieses Jahr. Nur mit Photovoltaik und Windenergie werden wir die Löcher nicht schließen können – unsere momentanen Puffermöglichkeiten können den Strombedarf nur für ca. 40 Minuten überbrücken.“ Daher empfiehlt er: „Wir kaufen Fracking-Gas in USA und kaufen Atomstrom aus Frankreich – wäre es nicht wesentlich besser fürs Klima und für unsere Unabhängigkeit, wenn wir neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien unsere noch laufenden Atomkraftwerke die nächsten Jahre noch am Netz lassen?“

Außer im Bereich der Versorgungssicherheit, drückt Paul Gehrig beim Thema Liquidität der Schuh: „Wir unternehmen alles, um Energieeinsparungen bei Gas und bei Strom zu erreichen. Gleichzeitig erstellen wir Notfallpläne für unterschiedlichste Szenarien in der Hoffnung, dass wir sie nie anwenden müssen. Und wir versuchen uns Liquidität für die Vorfinanzierung von Energieeinkäufen zu sichern. Die kurzfristig notwendige Liquidität geht allein schon bei uns deutlich in den siebenstelligen Bereich innerhalb von zwei Monaten.“ So fordert auch Elke Döring: „Jetzt muss die Entlastung vor allem schnell und unbürokratisch bei den Unternehmen ankommen und dafür gesorgt werden, dass insgesamt mehr Energie auf den Markt kommt.“

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