Investorenverhalten in einem veränderten Marktumfeld
Die Einschätzung der Experten
Die Inflation, das Anheben der Leitzinsen, der Anstieg der Baukosten und die immer noch nicht vollständig abschätzbaren Auswirkungen des Ukraine-Kriegs haben bei vielen Akteuren im Immobilienmarkt zu einer Neueinschätzung der Lage und teilweise auch ihrer Strategie geführt.
Um einen Marktüberblick zu erhalten, wurden in einer Studie 250 Immobilieninvestoren zu ihren Einschätzungen bei aktuell relevanten Fragestellungen im Immobiliensektor interviewt.
Allgemein vermuten die Experten keinen positiven Ausblick für die deutsche Gesamtwirtschaft. Es rechnen 80,3 der befragten Personen mit einer Stagnation oder sogar einer Rezession.
Zusätzlich sehen sie keinen Rückgang der Zinsen in den nächsten 12 – 24 Monaten bei einer Zinsbindung von 10 Jahren. Von den befragten Investoren rechnen 78,7 Prozent mit einem Zins im Bereich von 2,5 – 3,5 Prozent, wobei 3,0 Prozent der Modalwert ist.
Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass diese Befragung im Juni durchgeführt wurde. Seitdem hat sich die bei manchen Marktteilnehmern vorhandene Hoffnung, das Inflationsplateau sei erreicht, nicht bewahrheitet. Nach der vom Europäischen Statistikamt Eurostat am 31.08.2022 vorgelegten Schätzung lag die Inflationsrate im Euroraum im August bei 9,1 Prozent. Damit ist die Inflationsrate weiter am Steigen. Weil es europäische Länder wie die baltischen Staaten gibt, die eine Inflationsrate von 20 % oder höher haben – Spitzenreiter im Euroraum ist Estland mit 25,2 Prozent – wird eine weitere deutliche Erhöhung der Leitzinsen durch die EZB zumindest wahrscheinlicher.
Dies muss jedoch nicht zwingend zum Problem werden. Auf die Frage, welche Auswirkungen im Immobiliensektor nach einer Zinsanhebung beobachtbar sind, antworteten fast dreimal so viele Experten, dass sie aufgrund der abnehmenden Überschussliquidität eher mit gleichbleibenden Preisen in überhitzten Immobilienmärkten rechnen als mit dem klassischen Modell der mittelfristig sinkenden Preise als Reaktion auf die Zinsanhebung (68,9 Prozent zu 24,6 Prozent). Passend dazu gaben 31,1 Prozent der Experten an, ihre Investmentstrategie im Falle einer weiteren Zinsanhebung im dritten Quartal nicht zu ändern.
Die Wahl des bevorzugten Segments ändert sich
In einem herausfordernderen Umfeld zeigen sich Veränderungen bei den geplanten Allokationen. Hier dominiert das Wohnsegment. Bei den angedachten Allokationen nach Bereichen liegt das Wohnsegment mehr als 20 Prozent vor dem zweitplatzierten Logistikbereich. In den wirtschaftlich auch für Privathaushalte schwereren Zeiten bekommt das Argument, dass Menschen immer wohnen müssen und hier die Preissetzungsmacht weiterhin bei den Investoren liegt sowie das geringe Einsparpotential der Menschen in diesem Bereich, immer mehr Gewicht.
Über 70 Prozent der befragten Investoren sehen nachhaltiges Investieren als einen zukünftig relevanten Marktfaktor, sowohl bei der Bewirtschaftung als auch beim Verkauf. Dies ist insbesondere interessant, da es eine deutliche Veränderung zum Vorjahr aufzeigt. In einer Studie 2021 haben nur 35 Prozent der befragten Experten Impact Investing als wichtig oder sehr wichtig eingeschätzt. Nun ein Jahr später hat sich der Anteil mehr als verdoppelt. Ein weiteres klares Zeichen, dass Investoren in diesen von Herausforderungen geprägten Zeiten ihren Blick verstärkt auf Qualitätsimmobilien richten.
Bei den Ansätzen um eine Immobilie nachhaltiger zu gestalten, prävalieren Umweltaspekte.
Die beiden am häufigsten genannten Punkte in der Befragung sind energetische Sanierungen und erneuerbare Energien. Der soziale Aspekt wird bisher eher stiefmütterlich behandelt. Jedoch sollte gerade dieser nicht aus den Augen verloren werden. Hierfür reicht bereits die Überlegung, welchen sozialen Sprengstoff die Indexmieten bieten könnten.
Die neuen Herausforderungen im Immobilienmarkt
Investoren stehen heute beim Immobilienmarkt vor anderen Herausforderungen als im letzten Jahrzehnt. Es wird kleinere und in manchen Bereichen auch größere Veränderungen im Investorenverhalten geben. Dies bedeutet jedoch weder, dass Investoren ihre komplette Strategie über den Haufen werfen müssen noch dass es zu einem erheblichen Einbruch des Marktes kommt und keine lohnenswerten Investments getätigt werden können.
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