Zu spät und zu wenig
»Wir sind erleichtert, dass das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan heute beschlossen wurde. Es kann Personen, die aufgrund ihres Einsatzes für Frauen, Kinder- und Menschenrechte in Afghanistan besonders gefährdet sind, einen sicheren Zugangsweg nach Deutschland eröffnen. Auch für Frauen und Mädchen, die aufgrund ihres Geschlechts verfolgt werden, kann das Programm im Einzelfall eine Lösung sein. Allerdings hätten wir erwartet, dass Kinder als eigene schutzbedürftige Gruppe im Bundesaufnahmeprogramm anerkannt würden«, erklärte Beat Wehrle, Vorstandssprecher von terre des hommes.
Gerade in Afghanistan ist kindspezifische Verfolgung wie Zwangsverheiratung und Zwangsrekrutierung allgegenwärtig. terre des hommes sieht derzeit keine Chance, dass diese kindspezifischen Bedrohungen bei Jungen zur Aufnahme führen. Auch Mädchen, denen beispielsweise die Zwangsverheiratung mit einem Mitglied der Taliban droht, werden es schwer haben, aufgenommen zu werden. Denn ihre Aufnahme ist wie bei den anderen schutzbedürftigen Gruppen auf Personen begrenzt, die aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles spezifische Gewalt oder Verfolgung erfahren – eine Einschränkung, die bei tätigkeitsbezogener Gefährdung nicht vorgenommen wird.
terre des hommes begrüßt, dass auch Personen abseits der Kernfamilie mitaufgenommen werden können, kritisiert jedoch die Ausgestaltung des Programmes. Bis zu 1.000 Personen sollen pro Monat aufgenommen werden. Voraussetzung ist, dass der Fall durch eine meldeberechtigte deutsche Nichtregierungsorganisation eingereicht wird. Eine direkte Antragsstellung ist für gefährdete Personen nicht möglich.
»Das Aufnahmeprogramm wird über viele Monate gestreckt, statt angesichts der Durchsuchungswellen und zunehmender Drohungen möglichst viele Menschen schnell in Sicherheit zu bringen. Wer keine Kontakte zu meldeberechtigten deutschen Nichtregierungsorganisationen hat, wird es besonders schwer haben. Statt guter Kontakte sollten jedoch Vulnerabilität und Gefährdung den Ausschlag geben«, kritisierte Beat Wehrle. »Schließlich ist die Aufnahme von monatlich bis zu 1.000 Personen angesichts der bedrohlichen Lage in Afghanistan und der nach wie vor in Afghanistan wartenden Menschen viel zu gering. Nur sehr wenige konkret gefährdete Personen werden durch das Programm überhaupt die Möglichkeit erhalten, in Deutschland Schutz zu finden.«
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