Auch Familien leiden unter Folgen des Klinikdefizits
Dr. Dr. Zens verdeutlicht, warum die Arbeit der Eltern-Kind-Einrichtungen heutzutage wichtiger ist denn je. „Während vor einigen Jahren unsere Hauptindikationen bei Kindern und Jugendlichen Infektanfälligkeit, Atemwegserkrankungen und Adipositas waren, nehmen wir derzeit vermehrt Patientenkinder mit Angstzuständen, sozial-emotionalen Störungen, sozialen Entwicklungsstörungen und geringem Selbstbewusstsein in unserer Klinik auf. In unserem pädagogischen Alltag können wir zudem generell mehr Überforderung, aggressives Verhalten, sozialen Rückzug und Trennungsängste in den Gruppen beobachten, welche mit dem coronabedingten Verlust von Tagesstruktur, Routinen und auch den fehlenden Sozialkontakten während der langen Lockdowns in Verbindung stehen. Was die Eltern betrifft, so haben die Anforderungen während der Pandemiezeit, verschiedene Rollen gleichzeitig angemessen bedienen zu müssen, oftmals zu konfliktbelasteten Beziehungen innerhalb der Familien geführt. Der Anspruch, gleichzeitig Mutter oder Vater, Arbeitnehmer, Lehrer, Tröster, Versorger etc. zu sein, brachte viele Eltern an ihre Grenzen. Mutter-/Vater-Kind-Kuren können hier für eine nachhaltige Verbesserung der Situation sorgen.“
Tatsächlich benötigen einer vom Familienministerium beauftragten Erhebung aus dem Jahr 2021 zufolge bundesweit rund ein Fünftel aller Mütter und Väter von Kindern unter zwölf Jahren eine derartige Reha- oder Vorsorgemaßnahme. Obgleich die gesamtgesellschaftliche Relevanz also bekannt ist, haben die deutschen Reha- und Vorsorge-Kliniken für Mutter-/Vater-Kind-Maßnahmen seit Jahren mit einer chronischen Unterfinanzierung zu kämpfen. Dies belegt ein aktuelles, vom BDPK in Auftrag gegebenes, unabhängiges Experten-Gutachten. Demzufolge liegt der durchschnittliche Tagessatz, den die Kliniken aktuell erhalten, bei knapp über 80 Euro. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, wäre jedoch ein Tagessatz von mindestens 120 Euro erforderlich. Geht man von 105.000 Reha-Maßnahmen von jeweils 21-tägiger Dauer aus, summiert sich diese Differenz zu einem jährlichen Gesamtdefizit der Kliniken in Höhe von rund 90 Millionen Euro. Laut Gutachten besteht eine Finanzierungslücke in ähnlicher Höhe bereits seit Jahren.
Verschärft wird die Situation durch die pandemiebedingten Einnahmeausfälle, z.B. aufgrund von Nichtanreisen oder früheren Abreisen corona-positiver Eltern und Kinder (jene werden seit dem 01.07.2022 nicht mehr durch Hilfen der Kostenträger ausgeglichen), zwingenden Verkleinerungen von Gruppen, gestiegenen Hygienekosten u.Ä., sowie durch die aktuellen dramatischen Preissteigerungen. Heidi Zink, Klinikleiterin Johannesbad Klinik Königshof in Lechbruck am See: „Die zu erwartenden Kostensteigerungen sind für uns im Moment nicht einzuschätzen und machen deshalb das Klinikgeschäft zu den niedrigen Tagessätzen sehr schwierig. Wir brauchen schnell einen Rettungsschirm, bei dem es essenziell wichtig ist, dass die Hilfen unkompliziert und unbürokratisch beantragt werden können! Er sollte nicht nur die Energiekosten beinhalten, sondern auch einen Inflationsausgleich. Auch die Hygienezuschläge müssen weiterhin bezahlt werden, da die Leistungen nach wie vor von Klinikseite erbracht werden müssen“, fordert sie. „Klinikschließungen dürfen aus unserer Sicht nicht passieren, sind doch die Patienten in unserer Klinik die Gesellschaft von morgen. Die Kassenleistung Eltern-Kind-Kur darf auf keinen Fall diskutiert werden“, stellt sie klar.
Dieser Meinung schließt sich der VPKA an. Geschäftsführer Michael Strobach: „Das bestehende Vergütungssystems muss schnellstens an die tatsächlichen Erfordernisse angepasst werden. Wir erachten die vom BDPK geforderte Festsetzung eines Sockelbeitrags von 15 Euro pro Belegungstag und Fall plus eine Mindest-/Basisvergütung als Existenzsicherung mit jährlicher Anpassung plus eine gesetzliche Vorgabe für die Differenzierung der Honorierung von Leistungen nach unterschiedlichen Bedarfen und Aufwendungen als sinnvolle Maßnahmen, um das langfristige Überleben dieser wichtigen Einrichtungen zu sichern. Die Ausgaben für Eltern-Kind-Leistungen sind eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Zudem gilt: rechtzeitig durchgeführte Maßnahmen verhindern deutlich höhere Ausgaben in anderen Leistungsbereichen.“
Der Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. (VPKA) setzt sich als dynamischer und praxisnaher Verband seit mehr als 70 Jahren bayernweit für die inhaltlichen Belange der privaten Akut- und Rehakliniken ein. Er vertritt als größter Landesverband rund 170 Einrichtungen mit knapp 30.000 Betten. Sein Ziel ist eine qualitativ hochwertige, innovative und wirtschaftliche Patientenversorgung in Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken. Neben der Beratung seiner Mitglieder vertritt er die Belange der Privatkrankenanstalten in gesellschaftlichen, sozialpolitischen und tariflichen Angelegenheiten.
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