Das Ende einer Ära
Es gibt Ereignisse, von denen man weiß, dass sie in absehbarer Zeit eintreten werden, auf die man sich innerlich bereits vorbereitet, um im Fall der Fälle bestmöglich gewappnet zu sein, vor denen man dann aber völlig fassungslos steht, wenn sie tatsächlich passieren. So ergeht es mir mit dem Tod meines Freundes Herbert Steffen, mit dem ich in den letzten 19 Jahren viel erlebt und fast täglich gesprochen habe. Im Moment ist es für mich einfach unvorstellbar, dass dies für immer vorbei sein soll.
Herbie, wie ich ihn nannte, ist im November 2003 wie eine Naturgewalt in mein Leben getreten. Er selbst hat unsere erste Begegnung in seiner Autobiografie "Mein langer Weg vom Paulus zum Saulus" treffend geschildert. Tatsächlich hatte ich keinerlei Erwartungen, als er mich damals zusammen mit dem Autor Carsten Frerk besuchte. Als Herbert sich von mir mit den Worten "Ich denke, das war heute der Beginn einer langen und fruchtbaren Freundschaft und Zusammenarbeit!" verabschiedete, fand ich das zwar nett, aber auch ein wenig schräg. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, da ich "meinen Herbie" zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht kannte! Dass er solche Dinge nicht einfach so daher sagte, sondern seinen Worten stets Taten folgen ließ, wurde mir erst später klar.
Ein Unternehmer – kein Unterlasser
Herbert war, wie er selbst sagte, "ein Unternehmer – kein Unterlasser": Wenn er ein Ziel anvisiert hatte, setzte er umgehend alle Hebel in Bewegung, um es zu realisieren. Und wenn er erkannt hatte, dass er zur Erreichung eines solchen Ziels auf eine Person 100prozentig bauen konnte oder musste, ließ er sie auch nicht mehr los. Ein Jahrzehnt vor mir hatte dies bereits der große Kirchenkritiker und Schriftsteller Karlheinz Deschner erlebt. Ich bin mir sicher, dass Karlheinz Anfang der 1990er Jahre nicht einmal ansatzweise geahnt hatte, dass die Begegnung mit diesem Mann, der da plötzlich vor seinem Haus auftauchte, weil er im Urlaub "Abermals krähte der Hahn" gelesen hatte, sein Leben von Grund auf verändern würde. Auf Herberts spontane Äußerung "Ich bin ab heute Ihr Mäzen!" hat Karlheinz damals ebenso skeptisch reagiert wie ich ein Jahrzehnt später auf Herberts Abschiedsworte. Doch wir haben uns beide in ihm getäuscht: Herbert stand felsenfest zu dem, was er versprach. Und ehe man sich versah, wurde man auch schon von der Wucht seiner Energie mitgerissen.
Herbie hat Karlheinz Deschner gefördert wie kein anderer, aber: Er hat ihn auch gefordert wie kein anderer! Da sich Herbert die Vollendung der "Kriminalgeschichte des Christentums" zum Ziel gesetzt hatte, konnte er es partout nicht hinnehmen, dass Karlheinz, der zwischendrin auch mal etwas anderes schreiben wollte als "den verdammten Krimi", von dem Masterplan aus Mastershausen (Herberts ehemaligem Wohnsitz im Hunsrück) abwich. Wehe also, wenn ein Kapitel der Kriminalgeschichte nicht zum verabredeten Zeitpunkt eintraf! Herbie, der wirklich alles getan hat, um Karlheinz in seiner Arbeit wie auch in privaten Angelegenheiten zu unterstützen, erwartete für sein Engagement entsprechende Resultate und reagierte, so liebenswert er als Mensch auch sein konnte, äußerst ungehalten, wenn Zusagen nicht eingehalten wurden. Zum Glück gelang es Bibi (Herberts zweiter Ehefrau Ingrid Steffen-Binot), zu der Karlheinz ein besonders herzliches Verhältnis entwickelt hatte, immer wieder, die Wogen zu glätten. Ansonsten wäre diese besondere Männerfreundschaft wohl schon früh zu Bruch gegangen und die "Kriminalgeschichte des Christentums" nie vollendet worden.
Mit der Tatkraft eines Dreißigjährigen
Karlheinz war Herbert für die Unterstützung zutiefst dankbar, doch mit dessen mitunter etwas ruppiger "Hunsrücker Art" konnte der sensible Schriftsteller aus dem Frankenland nur schlecht umgehen. Wie Bibi habe auch ich immer wieder versucht, zwischen den beiden Freunden zu vermitteln, was mal besser und mal schlechter gelang. Ich persönlich hatte mit Herberts Hang zu grenzenloser Ehrlichkeit allerdings keine Probleme. Da ein Teil meiner Verwandtschaft aus derselben Region stammt, wusste ich, dass Hunsrücker (im Vergleich zu Menschen aus anderen Regionen) oftmals ausgesprochen herzlich, aber eben auch ungeschminkt ehrlich sind, weshalb sie notfalls unter Umgehung sämtlicher Höflichkeitsformeln und ohne jegliche innere Zensur alles zum Besten geben, was ihnen gerade durch den Kopf geht.
Aufgrund meiner Herkunft war ich also perfekt vorbereitet, um mit Herbert zusammenzuarbeiten. Paradoxerweise hat er mich jedoch (fast) nie auf diese ruppige Hunsrücker Art behandelt. Woran das gelegen hat, ist mir immer ein Rätsel geblieben. Ich glaube nicht, dass es damit zusammenhing, dass ich "der Sohn war, den Herbert nie hatte" (Herbie hatte aus erster Ehe vier kluge Töchter, die er als Vater manchmal recht hart rannahm – seinem eigenen Sohn wäre es zweifellos nicht anders ergangen!). Vermutlich hat Herbie, der ein "Menschensammler" ersten Ranges war, sofort gespürt, dass unser "Unternehmen" erfolgreicher sein würde, wenn ich "freie Hand" hätte. Jedenfalls überließ er mir die inhaltliche Ausgestaltung der Stiftung fast vollständig, während er selbst die mühevolle organisatorische Arbeit übernahm, die er allerdings mit einer Energie und Akribie erledigte, die einzigartig war.
Als ich Herbert kennenlernte, war er 69 Jahre alt – doch er hatte die Energie eines Dreißigjährigen. Das Tempo, das er vorlegte, war atemberaubend. Kaum hatten wir uns auf den Namen "Giordano-Bruno-Stiftung" geeinigt, begann er, sein Domizil in Mastershausen zum Stiftungssitz umzubauen. Die gbs war noch nicht einmal als rechtsgültig anerkannt, da fand schon der erste Vortrag im neu gestalteten gbs-Forum statt (ein Vortrag des Wiener Evolutionsbiologen Franz M. Wuketits zum Thema "Der Affe in uns"). Wenige Wochen später (im Mai 2004) richteten wir den großen Festakt zu Deschners 80. Geburtstag in dessen Heimatstadt aus. Im Herbst folgte (in Kooperation mit dem IBKA) der Kongress "Wissen statt Glauben" (u.a. mit dem großen Zauberer/Entzauberer James "The Amazing" Randi). Im Frühjahr 2005 gerieten wir als Stiftung erstmals international in die Schlagzeilen, als wir unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenqual!" die "Religionsfreie Zone" anlässlich des Katholischen Weltjugendtags ausrichteten und ein von Jaques (Tilly) gestaltetes "Papst-Dino-Mobil" unter großem Beifall, Gelächter und Protest durch die Kölner Innenstadt fahren ließen.
Es ging alles Schlag auf Schlag: Noch im selben Jahr erfolgte auf Anregung von Carsten (Frerk) die Gründung der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid), 2006 die Gründung des Humanistischen Pressedienstes (hpd). 2007 initiierten wir die internationale Bewegung der Ex-Muslime und zeichneten Richard Dawkins mit dem Deschner-Preis der Stiftung aus. 2008 retteten wir das "kleine Ferkel", das beinahe auf dem "Index der jugendgefährdenden Medien" gelandet wäre, und weihten die Giordano-Bruno-Statue im Herzen Berlins ein. 2009 feierten wir das "Darwin-Jahr" mit einem großen Festakt in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt. 2010 unterstützten wir die ehemaligen Heimkinder in ihrem Kampf um Entschädigung – ein Thema, das Herbert besonders unter die Haut ging, da er die besonderen "Segnungen" einer "christlichen Erziehung" selbst in einem katholischen Internat, dem berüchtigten "Albertinum" in Gerolstein, zu spüren bekommen hatte.
Im Paradiesseits
In all diesen Jahren zeichnete sich Herbert durch einen rastlosen Tatendrang aus. Kaum hatte ich eine Idee formuliert, griff er auch schon zum Telefon, um die Dinge in die Wege zu leiten. Erst im Nachhinein ist mir klargeworden, warum Herbert in den Anfangsjahren so sehr aufs Gaspedal gedrückt hat. Denn er hatte aufgrund seiner Vorerkrankungen nicht wirklich damit gerechnet, dass er das achte Lebensjahrzehnt jemals erreichen würde. Tatsächlich musste er ab 2010 feststellen, dass ihm eine alte Rückenverletzung, die er sich bereits Jahrzehnte zuvor zugezogen hatte, mehr und mehr zu schaffen machte. Das Gehen fiel ihm daher immer schwerer. Ihm wurde bewusst, dass er sich in dem weitläufigen Gebäude in Mastershausen mit seinen verschiedenen Ebenen wohl nicht mehr lange allein würde bewegen können. Also plante er zusammen mit seinem Freund, dem Architekten Ingmar Weber, ein neues behindertengerechtes Haus in Oberwesel. Wie nicht anders zu erwarten, wurde der neue Stiftungssitz nahe der Loreley in Rekordgeschwindigkeit gebaut, so dass bereits im September 2011 das erste Stiftungstreffen im "Haus Weitblick" stattfinden konnte.
Herbie liebte sein "Paradiesseits", wie er es nannte. Er genoss es, Gäste im "Haus Weitblick", das er 2013 auf die gbs übertrug, zu empfangen oder allein mit Bibi auf einer der großen Stiftungs-Terrassen oberhalb des Rheins zu sitzen und die vorbeifahrenden Schiffe zu beobachten. Mit großer Freude nahm er auch die Weiterentwicklung der gbs wahr, vor allem die vielfältigen Aktivitäten der Regionalgruppen, die in den letzten Jahren entstanden waren. 2014 musste er zwar bereits einen Rollator benutzen, aber das tat seiner Lebensfreude keinen Abbruch – zumal wir in diesem Jahr nicht nur Herberts 80. Geburtstag, sondern auch das 10-jährige Bestehen der Giordano-Bruno-Stiftung feiern konnten.
Schwindende Kräfte und späte Erfolge
Wie man an den Bildern von diesen beiden wunderbaren Events erkennen kann, war Herbert 2014 noch äußerst vital, ein Jahr später kam es jedoch zu einer ernsthaften gesundheitlichen Krise, als er mit einer doppelten Lungenembolie ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Von diesem Schlag hat er sich nie wieder ganz erholt. Zwar schaffte er es noch, an der Verleihung des Deschner-Preises für Raif Badawi und Ensaf Haidar sowie am Frankfurter Zukunftssymposium 2016 teilzunehmen, der Festakt zum 10-jährigen Bestehen der Ex-Muslime 2017 in Köln sowie die Feier "70 Jahre Grundgesetz" 2019 in Karlsruhe waren dann aber die letzten gbs-Veranstaltungen außerhalb des Stiftungshauses, die Herbert besuchen konnte.
Nach der Krise von 2015 war er nie wieder ganz der alte Herbie. Er versuchte zwar, über seinen eigenen Zustand zu scherzen ("Ich bin von der Amenz über die Bemenz zur Cemenz vorangeschritten, aber glücklicherweise noch nicht in der Demenz!"), jedoch spürte man, wie sehr er darunter litt, nicht mehr der "Macher" sein zu können, der er stets gewesen ist. Bis zum Schluss ließ er es sich allerdings nicht nehmen, die Beiräte und Stifterkreis-Mitglieder persönlich zu betreuen und an ihren Geburtstagen anzurufen. Ansonsten jedoch zog er sich aus dem Alltagsgeschäft der Stiftung zunehmend zurück. Die Organisation der Stiftungsfinanzen hatte er bereits 2016 weitgehend an Bibi und Elke (Held) bzw. später an Elke und Judith (Liesenfeld) abgegeben. In die Veranstaltungsorganisation mischte er sich nur noch ein, wenn die Events in Oberwesel stattfanden, aber auch hier übernahmen Elke und Judith letztlich die Federführung.
Im Nachhinein fällt mir auf: Je mehr Herberts Kräfte schwanden, desto mehr drückte ich selbst aufs Tempo. Vielleicht wollte ich unbewusst dafür sorgen, dass Herbert die institutionelle Ausdifferenzierung seiner Stiftung noch miterleben konnte. Jedenfalls folgte nach seiner Gesundheitskrise von 2015 eine Neugründung auf die nächste: So unterstützten wir 2016 die Gründung der Säkularen Flüchtlingshilfe, initiierten 2017 das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw), riefen 2020 das Hans-Albert-Institut (HAI) ins Leben und waren 2021 an der Gründung des Bertha von Suttner-Studienwerks (BvS) beteiligt. Eine besondere Genugtuung war es für Herbert, dass 2022 der Zentralrat der Konfessionsfreien an die Öffentlichkeit ging. Ich hatte die Gründung eines solchen Zentralrats bereits 2004 vorgeschlagen, was damals allerdings am Widerstand anderer Organisationen scheiterte. Herbert, den "Macher", der nach der Devise "Geht nicht – gibt’s nicht!" lebte, hat diese "Niederlage" lange Zeit geschmerzt. Umso begeisterter war er, als er miterleben durfte, dass der Zentralrat (dank des Engagements von Rainer Rosenzweig, Philipp Möller, Michael Wladarsch und Ulla Bonnekoh) am Ende doch noch realisiert wurde.
Vom Saulus zum Paulus: Eine Lebensbilanz
In den letzten Jahren hat Herbie immer häufiger vom Tod gesprochen. Meist habe ich in solchen Momenten versucht, ihn mit einer scherzhaften Bemerkung auf andere Gedanken zu bringen. Ende 2021 drängte ich ihn jedoch dazu, seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben, da ich überzeugt war, dass seine Autobiografie nicht nur für die Stiftung, die er gegründet hatte, bedeutsam wäre, sondern auch für ihn persönlich.
Ich hatte damit gerechnet, dass Herbert mit dieser Aufgabe einige Monate beschäftigt sein würde. Was ich allerdings nicht erwartet hatte: Urplötzlich kam der "alte Herbie" wieder zum Vorschein! Tatsächlich arbeitete er im Januar 2022 von früh bis spät an seinen Lebenserinnerungen. Schon nach vier Wochen sandte er mir das Manuskript von "Mein langer Weg vom Paulus zum Saulus" zu, mit dem ich frühestens vier Monate später gerechnet hatte. Und auch Herberts alte Ungeduld war sofort wieder da: Dass ich aufgrund der Terminfristen in Karlsruhe zunächst die Stellungnahme "Schwangerschaftsabbruch im liberalen Rechtsstaat" zur Verfassungsbeschwerde von Kristina Hänel (§ 219a StGB) fertigstellen musste, bevor ich mich seinen Memoiren zuwenden konnte, quittierte Herbie mit einem mehr als deutlichen Missfallen. Glücklicherweise gelang es mir, zusammen mit Elke und Judith, unserem "Hauslektor" Helmut Fink sowie unserem "Hausgrafiker" Roland Dahm, das Manuskript im April 2022 fertigzustellen, so dass es pünktlich zum ifw- und gbs-Beiratstreffen im Mai in gedruckter Form vorlag.
Als ich sah, mit welcher Freude Herbie sein Buch für die ifw- und gbs-Beiräte, später auch für die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des gbs-Sommerforums signierte, wusste ich, dass sich der Aufwand gelohnt hatte – auch deshalb natürlich, weil seine Memoiren äußerst lesenswert sind. Denn sie zeigen, welche existenziellen Nöte ein Mann wie Herbert überwinden musste, um im letzten Drittel seines Lebens eine freigeistige Organisation wie die Giordano-Bruno-Stiftung gründen zu können. Man erfährt in dem Buch in sehr lebendiger Weise, aus welch "mittelalterlichen Verhältnissen" Herbie stammte, wie sehr ihn die Zeit im katholischen Internat belastete, mit welcher Doppelmoral er im Priesterseminar konfrontiert wurde, wie schwer es ihm fiel, sich als "treudoofer Katholik" anderen Wertehaltungen gegenüber zu öffnen, wie verloren er sich während des Studiums im weltoffenen Köln fühlte, wie hart er daran arbeiten musste, aus der maroden Möbelfabrik des Vaters ein prosperierendes Unternehmen aufzubauen, wie es ihm gelungen ist, nach dem tragischen Verlust seines unternehmerischen Lebenswerks wieder auf die Beine zu kommen, wie eine Deschner-Lektüre im Urlaub ihn aus der weltanschaulichen Lethargie riss und mit welcher Energie er ab 2004 der weitgehend eingeschlafenen säkularen Szene in Deutschland neues Leben einhauchte.
Das Ende einer Ära
Herbert war ein außergewöhnlicher Mensch, ein Freund, auf den man sich stets verlassen konnte, ein unermüdlicher Streiter für Gerechtigkeit und Vernunft. Er hatte unter seiner manchmal etwas rauen Schale ein großes, einfühlsames Herz, das für alle schlug, die in Not waren – ein Herz, das nun aber nie wieder schlagen wird. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, die nicht zu schließen ist. Es ist das Ende einer Ära – nicht nur für mich, die Mitglieder der gbs und der verschiedenen Organisationen, die aus ihr hervorgegangen sind, sondern letztlich für alle freigeistig denkenden Menschen in Deutschland. Jedoch hat Herbie, im Unterschied zu vielen Leitern mittelständischer Unternehmen, beizeiten dafür gesorgt, dass der Betrieb auch ohne ihn weiterlaufen wird. Von seinen finanziellen Zuschüssen war die Stiftung schon seit mehr als einem Jahrzehnt unabhängig, da wir gemeinsam im Team viele Förder- und Stifterkreis-Mitglieder sowie Zustifter hinzugewinnen konnten, mit deren Hilfe wir die von Jahr zu Jahr steigenden Ausgaben der Stiftung tragen können. Noch in diesem Jahr hat die gbs eine Zustiftung von dritter Seite erhalten, mit der sie ihr Stiftungsvermögen beinahe verdoppeln konnte, was Herbert ungemein beruhigt hat.
Als Herbie in den letzten Monaten sein letztes Aufgabenfeld, die Betreuung der Stiftungsmitglieder und Spender, an gbs-Mitglied Olaf Zuber abgab, wurde uns bewusst, dass er nicht mehr damit rechnete, lange zu leben. Nach einer Veranstaltung im Sommer dieses Jahres drückte er mir einen Brief in die Hand, in dem er darum bat, von seinen Vorstandsaufgaben entbunden zu werden: "Ich habe einen Stein ins Wasser geworfen, aber für die Wellen, die er ausgelöst hat, sind jetzt andere verantwortlich." Ich schlug Herbert einen Kompromiss vor, nämlich die Aufnahme eines dritten Vorstandsmitglieds, das ihn ersetzen könnte, falls er nicht mehr in der Lage ist, sein Amt fortzuführen.
Vor vier Wochen, am 23. Oktober 2022, wurde die Philosophin Ulla Wessels, die schon lange zuvor als Beirätin und seit Januar 2022 als Kuratorin der gbs aktiv war, als drittes Mitglied in den Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung berufen, so dass Herbie beruhigt sein konnte, dass die Stiftungsarbeit weitergehen würde, wenn er nicht mehr zur Verfügung stehen sollte. Zum damaligen Zeitpunkt hat allerdings niemand von uns damit gerechnet, dass dieser Notfall schon so bald eintreten würde: Es begann damit, dass sich Herbert bei einem Sturz in der vorletzten Woche einen Oberschenkelbruch zuzog. Nach der Operation stellten sich Komplikationen ein, in deren Folge es zu einem Multiorganversagen kam. Am letzten Freitag, dem 18.11.2022, ist Herbert gegen 5:30 Uhr morgens in den Armen seiner Frau gestorben.
Die Nachricht von seinem Tod hat mich schwer getroffen, gemildert wurde der Schock allerdings durch das Wissen, dass Herbie nicht unnötig leiden musste. In seiner Autobiografie hatte er geschrieben, dass er keine Angst vor dem Tod habe, wohl aber Angst vor dem Sterben. Daher bin ich bei aller Trauer erleichtert darüber, dass er vom Prozess des Sterbens kaum etwas mitbekommen hat. Zudem freut es mich, dass Herbie in seinen letzten Monaten so viel positive Anerkennung erfahren durfte. Aus diesem Grund haben wir das aktuelle bruno.-Jahresmagazin auch mit einem Artikel über Herberts Leben beginnen lassen. Schon im Vorfeld dieser Entscheidung hatte mich die dunkle Vorahnung beschlichen, dass die Ausgabe 2022 womöglich das letzte bruno.-Heft sein könnte, das Herbie noch erleben würde.
Nun ist er tatsächlich tot – auch wenn er in unserer Erinnerung natürlich weiterleben wird. Weiterleben wird er auch in den vielen Institutionen, an deren Entstehung er beteiligt war. Herbie hatte den Mut, Neues zu beginnen. Er hat den Stein ins Wasser geworfen, doch für die Weiterverbreitung der Aufklärungswelle, die er ausgelöst hat, sind wir nun allein verantwortlich. Carpe diem!
Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) ist eine Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung, der sich viele namhafte Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Philosophie und Kunst angeschlossen haben. Die 2004 gegründete Stiftung wird inzwischen von rund 12.000 Freunden und Förderern sowie 50 Regional- und Hochschulgruppen unterstützt. Weitere Infos: https://www.giordano-bruno-stiftung.de/
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