Bauen & Wohnen

Denkpause für das EU-Lieferkettengesetz

  • Kommissions-Vorschlag führt zu Wettbewerbsverzerrung
  • Umwelt- und Menschenrechtsschutz lässt sich nicht mit der europäischen Brechstange durchsetzen

„Der Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz erscheint wie aus der Zeit gefallen. Denn die Realität ist besorgniserregend: Die globale Inflation erreicht Höchststände und die Weltwirtschaft droht, in eine Rezession zu rutschen“, so Dr. Alexander Tesche, Vorsitzender des Auslandsbau-Ausschusses des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. „Der EU-Gesetzgeber sollte eine völlige Neubewertung des Richtlinien-Entwurfs im Lichte der aktuellen Realitäten vornehmen, eine Denk- und Handlungs­pause bis mindestens 2024 wäre hilfreich.“

Den Berichtsentwurf der niederländischen Berichterstatterin, Lara Wolters, der am 17. November im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments vorgestellt werden soll, hält er für weltfremd. „Wir waren der Auffassung, dass mit dem deutschen Lieferketten­sorgfaltspflichtengesetz das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Jetzt werden wir eines Schlechteren belehrt“, so Tesche. Die Bauindustrie erachtete bereits den Richtlinien-Vorschlag der Kommission als unrealistisch, da er eine Ausweitung der unter­nehmerischen Verantwortung auf die gesamte Wertschöpfungskette und eine zivilrechtliche Haftung bei Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten propagiert. Der Berichtsentwurf des EU-Parlaments sieht darüber hinaus noch eine Verschärfung der Verantwortung der Unternehmensleitung, eine Ausweitung der zivilrechtlichen Haftung und des Sanktionsregimes sowie eine Beteiligung von NGOs an Beschwerde­verfahren vor. Zudem soll die Bauwirtschaft als Hochrisikosektor eingestuft werden. Tesche kritisiert, dass das „Raumschiff Brüssel“ die Zeichen der Zeit verkennt.

„Alle Unternehmen in Europa stehen vor großen Herausforderungen bei der Diversifizierung ihrer Lieferketten und EU-Kommission und Parlament stellen jede unserer Geschäftsbeziehungen unter Generalverdacht. Kein anderes Industrieland belastet seine Unternehmen in einem solchen Ausmaß und die EU muss endlich erkennen, dass sich Umwelt- und Menschenrechtsschutz nicht mit der Brechstange durchsetzen lassen“.

Die Bauindustrie befürchtet aber nicht nur einen Verlust an internationaler Wettbe­werbsfähigkeit der deutschen und europäischen Bauindustrie, sondern darüber hinaus auch Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU durch das sog. „Gold-Plating“, also eine „Übererfüllung“ der Mindeststandards in einzelnen EU-Mitgliedstaaten zum Schaden der nationalen Wirtschaft. Als Beispiel verweist Tesche auf das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, demzufolge Bauunternehmen bei Fehlverhalten in bestimmten Fällen für einen Zeitraum von maximal drei Jahren von Vergabeverfahren ausgeschlossen werden sollen. Eine vergleichbare Sanktion sieht der Vorschlag der EU-Kommission nicht vor. „Dieser Gesetzesvorschlag hätte in Form einer Verordnung kommen müssen, die für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen verbindlich ist. Der Richtlinienvorschlag führt dazu, dass wir am Ende 27 verschiedene Lieferkettengesetze mit ganz unterschiedlichen Anforderungen an die Unternehmen in der EU haben“, glaubt Tesche. „Wer behauptet hat, durch die EU-Initiative wird ein „level playing field“ geschaffen, der dürfte sich – oder uns – gründlich getäuscht haben.“

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