Fahrzeugbau / Automotive

Electromobility Report 2022: Elektromobilität in Deutschland – Segmentanalyse der Neuzulassungen in Deutschland (Jan-Sept 2022)

Im größten europäischen Automobilmarkt Deutschland wurden in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 mehr als 272.000 rein elektrische Pkw bzw. leichte Nutzfahrzeuge neu zugelassen. Davon entfallen nach Angaben des KBA etwa 269.000 BEV-Neuzulassungen auf ein Produktangebot von 73 Modellen. Das Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach hat im Rahmen des aktuellen „Electromobility Report 2022“ die Verkaufszahlen, Einstiegspreise und technischen Eigenschaften der Fahrzeuge analysiert (siehe Datengrundlage). Zentrales Ergebnis der Untersuchung ist eine ökologisch bedenkliche Zweiteilung des deutschen Elektro-Marktes. Das umfangreiche Produktangebot von SUVs und Geländewagen (28 von 73 Modellen) führt zu einem Neuzulassungsanteil von 44 %, der überdurchschnittlich zum Gesamtmarkt liegt (39,8 %). Dagegen kommen Kleinst-, Klein- und Kompaktwagen (21 von 73 Modellen) nur zusammen auf 42 %. Der durchschnittliche Fahrzeugpreis (ohne Sonderausstattung) für BEVs beträgt 49.311 € (brutto; gewichtetet an den Neuzulassungen). Premiummarken wie Audi, BMW oder Mercedes aber auch Volumenmarken wie Ford, Skoda oder Toyota liegen zum Teil deutlich darüber. Der Markterfolg elektrischer SUVs hat gesellschaftliche und klimapolitische Auswirkungen: Sie sind im Schnitt stärker motorisiert, haben einen höheren (Strom-)Verbrauch, kosten mehr Geld und benötigen größere Batteriekapazitäten. Leichte Nutzfahrzeuge machen trotz eines breiten Modellangebots (12 von 73 Modellen) weniger als 1 % der BEV-Neuzulassungen aus.

Batterieelektrische Mobilität boomt trotz eines rückläufigen Gesamtmarktes. Obwohl die Neuzulassungen zwischen Januar und September 2022 in Deutschland im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um auf 1,87 Mio. Fahrzeuge (-7,4 %) zurückgehen, legt der Absatz von BEVs um 15 % auf 272.000 Einheiten zu. Größter Profiteur dieser Entwicklung ist die US-amerikanische Premiummarke Tesla (vgl. Abbildung 1). Sie erzielt mit nur zwei Modellen (Model 3 [Mittelklasse], Model Y [mittlere SUVs]) mehr als 38.000 Neuzulassungen und zieht damit am angestammten Volumen-Marktführer VW vorbei. Ein möglicher Erfolgsfaktor sind die technischen Eigenschaften der Fahrzeuge: Die teuersten Ausstattungslinien beider Modelle bieten – gewichtet an den Neuzulassungen – eine Reichweite von 528 km (WLTP) bei einem kombinierten Stromverbrauch von nur 15,2 kWh/100km (WLTP). Deutsche Wettbewerber wie Audi, BMW und Mercedes haben hier trotz eines breiteren Produktangebots das Nachsehen und sind dennoch zum Teil erheblich teurer.

Die Marke VW führt nach Neuzulassungen das Volumenranking an. Die Marke profitiert insbesondere von einer breiten Modellpalette. Mit Fahrzeugen wie dem up!, dem ID.3 sowie ID.4 und ID.5 besetzt VW die größten Segmente und liegt bei den erhobenen KPIs überwiegend im oberen Mittelfeld.

Hyundai behauptet sich mit seinen Modellen Ioniq (Untere Mittelklasse), Kona und Ioniq 5 (beide mittlere SUV) auf Platz zwei, wird jedoch von Fiat unter Druck gesetzt. Das Erfolgsmodell Fiat 500 (Minis) macht fast ausschließlich die BEV-Neuzulassungen der Marke aus und senkt den durchschnittlichen Verbrauch aller verkauften Fiat-Elektros auf beeindruckende 13,0 kWh/100km. Während Renault mit seinen Modellen Twingo (Minis), Zoe (Kleinwagen) und Megane (Untere Mittelklasse) immerhin in den Top 5 verbleibt, haben etablierte Volumenmarken wie Ford oder Toyota noch immer kein breites wettbewerbsfähiges Produktangebot.

Die maximal mögliche Reichweite ohne Ladestopp ist aus Kundensicht weiterhin ein kaufrelevantes Kriterium bei der Wahl eines BEV und ein erfolgskritischer Faktor für den Markthochlauf der Elektromobilität. Weil größere Batteriekapazitäten (und damit größere Reichweiten) üblicherweise in teureren Fahrzeugen vorzufinden sind, analysiert Abbildung 2 die maximal verfügbare Reichweite der jeweils teuersten Grundausstattungslinie (ohne Sonderausstattung) pro BEV-Modell und Fahrzeugklasse im Zeitraum von Januar bis September 2022. Über alle 73 betrachteten Modelle erreichen BEVs derzeit gewichtet nach den Neuzulassungen eine durchschnittliche Reichweite von 412 km (WLTP). Dabei zeichnet sich ein eindeutiger Trend ab: Segmentübergreifend steigt die Reichweite mit zunehmender Fahrzeuglänge von Minis und Kleinwagen, über die Kompakt- und Mittelklasse an und erreicht in der Oberklasse mit über 600 km (WLTP) einen vorläufigen Höchstwert. Innerhalb der einzelnen Fahrzeugklassen ergeben sich aber teils erhebliche Modell-Differenzen: Während die Modelle smart fortwo (Minis) und smart forfour (Kleinwagen) nur etwas über 100 km (WLTP) zurücklegen können, schaffen der Fiat 500 (Minis) und der DS3 (Kleinwagen) 300 bis 400 km (WLTP). Top- bzw. Low-Performer-Marken in puncto Reichweite variieren in Abhängigkeit der jeweiligen Fahrzeugklasse, wobei die Modelle der Konzerne VW Group, Stellantis, Tesla und Mercedes-Benz Group überwiegend auf den vorderen Rängen zu wiederzufinden sind.

Neben der Reichweite bestimmt der Stromverbrauch maßgeblich die Effizienz eines Antriebsstrangs und indiziert, wie viele Kilometer ein Fahrzeug mit der nachgeladenen Energie zurücklegen kann. Analog des Kraftstoffverbrauchs bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wird der Stromverbrauch bei Elektrofahrzeugen aus Kundensicht langfristig an Bedeutung gewinnen und sich zu einem maßgeblichen Kaufkriterium entwickeln. Einstiegsmodelle haben typischerweise eine schwächere Motorisierung und eine kleinere Batteriekapazität verbaut, was dem Verbrauch zugute kommt. Abbildung 3 untersucht vor diesem Hintergrund den Stromverbrauch der jeweils günstigsten Grundausstattungslinie (ohne Sonderausstattung) pro BEV-Modell und Fahrzeugklasse im Zeitraum von Januar bis September 2022.

Über alle 73 Modelle liegt der durchschnittliche Stromverbrauch der Einstiegsmodelle bei rund 16,1 kWh/100km. Dabei ergibt sich ein teils erhebliches Gefälle zwischen kompakten Fahrzeugen und SUVs bzw. Utilities. Während Kleinst-, Klein- und Kompaktwagen mit einem gewichteten Stromverbrauch von 15,2 kWh/100km unterhalb des Durchschnitts liegen, benötigen SUVs und Geländewagen rund 16,7 kWh/100km. Leichte Nutzfahrzeuge verbrauchen sogar im Schnitt 21,9 kWh/100km. Ähnlich wie bei der Reichweiten-Analyse zeigt sich auch beim Stromverbrauch, dass dieser mit zunehmender Fahrzeuggröße ansteigt, wobei die SUV-Modelle Jaguar i-Pace, Mercedes-Benz EQC und Audi e-tron abseits einzelner Utilities besonders hohe Verbräuche aufweisen.

Die Kombination beider Analysen offenbart einen systemischen Zusammenhang: Die Reichweite eines Elektrofahrzeugs hängt maßgeblich von der Effizienz des Antriebsstrangs ab und kann nur bis zu einem gewissen Grad durch größere Batteriekapazitäten ausgeglichen werden. So leiden etwa beide smart- Modelle (fortwo bzw. forfour) an einem stark überdurchschnittlichen Gesamtverbrauch, während Reichweiten-Benchmarks wie der Fiat 500 und der DS3 hier besonders punkten. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass dedizierte Elektro-Plattformen Vorteile für die technischen Eigenschaften der Fahrzeuge bedeuten. Während Mercedes-Benz mit den Modellen EQE und EQS sowohl bei Reichweite als auch Verbrauch Benchmark ist, schneiden die noch auf einer Verbrenner-Plattform basierenden Modelle GLA (EQA), GLB (EQB), GLC (EQC) und V-Klasse (EQV) deutlich schlechter ab.

Studienleiter Stefan Bratzel: „Elektromobilität und ökosoziale Nachhaltigkeit müssen noch stärker zusammenwachsen, um eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen. Die Elektromodelle sind im Schnitt noch zu teuer, in niedrigeren Fahrzeugsegmenten noch zu selten und haben noch einen zu hohen Stromverbrauch. Kritisch ist dabei die Tendenz einer zunehmenden ‚SUV-isierung‘ der Elektromobilität: Die SUVs haben vielfach ein höheres Gewicht, eine schlechtere Aerodynamik, eine größere Batterie, einen höheren Verbrauch und sind teurer als Modelle in anderen Segmenten. Zur Verminderung des ökologischen Footprints muss der Anteil von kleineren, effizienten Elektroautos mit moderaten Batteriegrößen bei gleichzeitig hoher Ladeleistung steigen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei einer flächendeckenden verlässlichen Schnellladefinfrastruktur zu.“

Datengrundlage der Untersuchung:

Grundlage der Analyse sind alle 73 BEV-Modelle, die in Deutschland laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Zeitraum von Januar bis September 2022 neu zugelassen wurden. Die gesamten BEV-Neuzulassungen betrugen im o.g. Zeitraum 272.473, wobei 268.824 Einheiten einzelnen Modelle zugewiesen werden konnten. Die übrigen 3.649 Fahrzeuge sind nicht Bestandteil der Untersuchung, da sie als „Sonstige“ angeführt werden und demnach nicht eindeutig zuordnenbar sind. Für alle 73 Modelle wurden jeweils verschiedene KPIs für die günstigste und teuerste verfügbare Ausstattungslinie erhoben. Dazu zählen u.a. Preis (in €, brutto), Reichweite (in km, WLTP), Stromverbrauch (in kWh/100km, WLTP), maximale Ladeleistung (in kW), Systemleistung (in kW) und maximale Höchstgeschwindigkeit (in km/h). Optionale Sonderausstattungen (z.B. Wärmepumpe, größere Felgen) wurden nicht berücksichtigt. Für eine segmentspezifische Auswertung erfolgte die Einteilung der Modelle in verschiedene Fahrzeugklassen.

Über den Electromobility Report:

Ausführliche Auswertungen zu den Marktsegmenten in Deutschland finden sich im neuesten „Electromobility Report 2022“: Die Studie analysiert regelmäßig die aktuellen Markt-, Absatz- und Innovationstrends der Elektromobilität in wichtigen Kernmärkten (z.B. China, USA, Europa und Deutschland). Gleichzeitig werden die wesentlichen Einflussfaktoren auf den Markthochlauf der Elektromobilität empirisch beleuchtet. Die daraus abgeleiteten Annahmen werden schließlich in Markthochlauf-Szenarien für das Jahr 2030 überführt. Die Untersuchung konzentriert sich auf reine Batteriefahrzeuge (BEV) und Plug-In-Hybride (PHEV).

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Über die Dr. Bratzel Center of Automotive Management GmbH & Co. KG

Das Center of Automotive Management (CAM) ist ein unabhängiges, wissenschaftliches Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung sowie für strategische Beratung an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Seine Kunden unterstützt das Auto-Institut auf Basis umfangreicher Datenbanken, insbesondere zu fahrzeugtechnischen Innovationen der globalen Automobilindustrie, zu Mobilitätsdienstleistungen sowie zur Markt- und Finanz-Performance von Automobilherstellern und Automobilzulieferunternehmen. Mittels eines fundierten Branchen-Know-hows und intimer Marktkenntnisse erarbeitet das Auto-Institut individuelle Marktforschungskonzepte und praxisorientierte Lösungen für seine Kunden aus der Automobil- und Mobilitätswirtschaft.

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