Forscher entdeckt, wie kranke Blutgefäße und Gehirn kommunizieren
Atherosklerose weltweit häufigste Todesursache
Im Verlauf der Atherosklerose kommt es zu Ablagerungen, den sogenannten Plaques, aus Blutfetten, Blutgerinnseln und Kalk in den Gefäßwänden, die wiederum Entzündungen auslösen. Die Gefäßwände werden mit der Zeit spröde und rau, bis sie schließlich verhärten. Infolgedessen verringert sich der Durchmesser der Arterien, es gelangt weniger Blut und damit Sauerstoff zu den Organen. Die Gefahr: Teile der Ablagerungen können sich lösen und die Gefäße verschließen, es drohen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), das ist eine Durchblutungsstörung der Beine oder Arme. Atherosklerose ist weltweit die häufigste Todesursache. Allein in Europa sterben jedes Jahr rund vier Millionen Menschen an dieser Gefäßerkrankung, die bislang lediglich symptomatisch therapiert werden kann.
Rezeptoren in Arterien melden Plaques und Entzündungen ans Gehirn
„Aus der Neuroimmunologie wussten wir bereits, dass Nerven- und Immunsystem eng miteinander verbunden sind“, erklärt der Biomediziner Dr. Mohanta, der seine Master in Neurowissenschaften absolviert und die vielversprechende und umfassende Studie maßgeblich geleitet hat. Da sich bei erkrankten Blutgefäßen sowohl in der Außenschicht, der sogenannten Adventitia, als auch den Plaques weiße Blutkörperchen des Immunsystems sammeln und regelrechte Aggregate bilden, um Blutfette aufzunehmen, fragten sich der Forscher und sein Team, ob eine atherosklerotische Arterie direkt mit dem Nervensystem kommuniziert. „Diese Frage hatte sich bislang niemand gestellt, weil atherosklerotische Plaques nicht mit Nerven verbunden sind“, berichtet Dr. Mohanta. Tatsächlich haben die Münchner Forscher in der Adventitia der atherosklerotischen Arterien im Tiermodell Rezeptoren entdeckt, das sind eine Art molekulare Fühler, die erkennen, wo sich die Plaques und Entzündungen befinden und dies über elektrische Signale der Nervenbahnen über das Rückenmark ans Gehirn melden. Das Gehirn verarbeitet die Signale und sendet seinerseits Signale wiederum über das Rückenmark und periphere Nerven zurück in das erkrankte Blutgefäß. Bei der Rückmeldung aktiviert es allerdings auch das vegetative Nervensystem und signalisiert Stress. Die Folge: Es wandern noch mehr Immunzellen in die Adventitia ein. Die Entzündung und damit die Atherosklerose verschlechtert sich.
Häufung von Nervenzellen in erkrankten Arterien
Die Wissenschaftler haben die Entdeckungen zunächst an Mäusen, die an der fortgeschrittenen Gefäßerkrankung litten, gemacht und die in „Nature“ publizierten Ergebnisse in klinischen Untersuchungen von Patienten bestätigen können. „Ein weiteres Indiz dafür, dass zwischen den erkrankten Arterien und dem Gehirn intensiv über Nervenbahnen kommuniziert wird, ist die Tatsache, dass sich in der Außenwand erkrankter Blutgefäße sowohl im Tiermodell als auch bei Patienten zehnmal so viele Nervenzellen gefunden haben wie in gesunden Arterien“, erläutert der Becht-Forschungspreisträger Dr. Mohanta.
Atherosklerose an der Ursache bekämpfen
Dieser bislang vollkommen unbekannte Kommunikations-Kreislauf zwischen den Arterien und dem Gehirn habe eine immense Bedeutung für die allerdings noch in weiterer Zukunft liegende Behandlung der Atherosklerose, unterstreicht der Neurowissenschaftler. Denn weitere Versuche im Tiermodell, bei denen Forscher aus dem internationalen Team die Nervenbahn zwischen dem erkrankten Blutgefäß und dem Gehirn durchtrennten, haben gezeigt, dass die Plaques in den erkrankten Blutgefäßen daraufhin tatsächlich zurückgegangen sind. „Daraus können sich zahllose Behandlungsstrategien ergeben, die die Atherosklerose an der Ursache bekämpfen,“ so Dr. Sarajo Mohanta. „Das kann aber noch dauern“. Als nächstes wollen der Wissenschaftler und sein Team weitere Rezeptoren an den erkrankten Blutgefäßen erkunden und den Faktor Stress im Krankheitsgeschehen der Gefäßerkrankung näher beleuchten.
(1) Mohanta S.K. et al., Neuroimmune cardiovascular interfaces control atherosclerosis, Nature 605, 152–159 (2022). https://doi.org/10.1038/s41586-022-04673-6
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