Milliarden-Subventionen für Tierwirtschaft und “Tierwohl” – wer profitiert?
Die Fraktionsspitzen von SPD, Grünen und FDP haben sich im Oktober 2022 darauf verständigt, im Bundeshaushalt finanzielle Förderungen in Milliardenhöhe an landwirtschaftliche Tierhaltungsbetriebe einzuplanen. Damit soll die Tierhaltung in Deutschland insgesamt “eine Zukunft” bekommen. Agrarbetriebe sollen Planungssicherheit erhalten und Tieren soll es damit weniger schlecht gehen. Seit der Amtszeit von Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) werden Agrarbetriebe finanziell gefördert, wenn sie sogenannte “Tierwohlställe”1 bauen. Das sind Ställe mit höheren Tierhaltungsstandards im Vergleich zu den völlig unzureichenden rechtlichen Mindeststandards im Tierschutz. Gefördert werden sollen Investitionen in den Neubau oder Umbau von Ställen und darüber hinaus auch laufende Kosten, um höhere Standards umzusetzen. Ein Bundesprogramm soll regeln, nach welchen Kriterien das Geld an Tierhaltungsbetriebe fließen soll.
Zentrales Argument des BMEL für die öffentlichen Zahlungen: wirtschaftliche Zwänge. Agrarunternehmen könnten Tiere ohne die staatlichen Leistungen nicht besser halten als bisher. Die Kosten für “Tierwohl-Standards” ließen sich am Markt nicht einpreisen. Konsument*innen würden die Leistungen für mehr Tierschutz nicht honorieren. Dazu ist allerdings zu sagen: Wenn der Staat weiterhin die Öffentlichkeit im Unklaren lässt, ob Tiere tierschutzgerecht gehalten werden, und wenn er weiterhin seine Ziele mit nebulösen Formulierungen wie “mehr Tierwohl” bewirbt, werden Konsument*innen mit einigem Recht misstrauisch gegenüber der Tierhaltung bleiben.
Währenddessen üben Agrarverbände in staatlichen Beratungsgremien Druck auf die Politik aus:
„Die Ampelkoalition hat sich bisher nicht zur Einführung der empfohlenen Tierwohlprämien entschließen können. Solange sich das nicht ändert, bleibt das Kernziel der Transformation des Nutztiersektors unerreichbar, und der Landwirtschaft fehlen weiterhin jegliche Perspektive und Planungssicherheit.“ Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung 2
Die Zahlung von “Tierwohlprämien” an Betriebe bedeutet allerdings noch nicht, dass die Tiere angemessen und tierschutzgerecht gehalten werden. Sie bedeutet auch nicht, dass die Anzahl der in Deutschland gehaltenen Tiere deutlich sinkt, denn eine staatliche Förderung liefert Anreize für Betriebe, weiter Tierhaltung zu betreiben. Und auch Konsument*innen werden durch “Tierwohl”-Labels darin bestärkt, die entsprechenden Produkte zu kaufen. Entgegen der obigen Darstellung des Kompetenznetzwerkes Nutztierhaltung gibt es jedoch eine kostengünstigere Alternative, um Tierschutz zu gewährleisten und gleichzeitig Planungssicherheit herzustellen: durch ein klares, gesetzliches Verbot tierschutzwidriger Praktiken.
Die Vorteile dieses Ansatzes: Verbraucher*innen sehen an der Ladentheke den realen Preis für das Produkt, ohne versteckte Kosten für Subventionen in den Bundes-, Landes- oder EU-Haushalten. Und sie wissen, ob das Fleisch oder die Milch im Einklang mit dem rechtlich geforderten Tierschutz steht. Ehrlicherweise ist eine auf diese Weise rechtlich eingeschränkte Perspektive für die Tierhaltung für viele Agrarbetriebe eine Zumutung: Denn der Umfang der Tierhaltung würde dadurch deutlich sinken. Doch genau das ist im Sinne der Klima- und Umweltziele in Deutschland nicht nur erstrebenswert, sondern erforderlich: Konsum und Produktion tierbasierter Produkte müssen in reichen Ländern wie Deutschland drastisch sinken.3
Angesichts dieser möglichen Alternative zu den geplanten Milliarden-Förderungen der Tierwirtschaft ist dringend mehr Aufklärung seitens der Bundesregierung notwendig.
Animal Society fordert die Bundesregierung dazu auf, die Öffentlichkeit aufzuklären:
- Kann ausgeschlossen werden, dass die Milliarden-Subventionen an Betriebe fließen, in denen Tiere unnötig Leiden, Schmerzen oder Schäden erfahren? → Unsere Annahme lautet: Nein!
- Kann ausgeschlossen werden, dass die Milliarden-Subventionen den Konsum und die Herstellung von Tierprodukten erhöhen bzw. auf hohen Niveau halten? → Unsere Annahme lautet: Nein!
- Wie hoch sind die direkten und indirekten Subventionen in die Tierwirtschaft insgesamt? (Eine Studie beziffert jährliche staatliche Ausgaben auf 13 Mrd. Euro4, diese Zahl wurde vom BMEL bislang noch nicht kommentiert). Auch zu diesen Förderungen muss die Bundesregierung dringend Rechenschaft ablegen. Welche öffentlichen Ziele werden damit verfolgt und entsprechen diese Förderungen den Klima- und Tierschutzzielen? → Unsere Annahme lautet: Nein!
Bevor es zu einer finalen Entscheidung über die Verwendung der Fördergelder im Namen des Tierschutzes bzw. “Tierwohls” kommt, sollten die hier beschriebenen offenen Fragen in einem transparenten Stakeholder-Dialog geklärt werden.
Quellen:
1 https://www.bmel.de/…
2 https://www.bmel.de/…
3 https://eatforum.org/…
4 https://www.spiegel.de/…
Animal Society ist gemeinnützige Organisation, die sich auf politischer Ebene für die Rechte und Interessen von Tieren einsetzt und Tierpolitik Transparenz macht. Unsere Vision ist eine Welt, in der alle Tiere und deren Rechte als Teil einer gerechten Gesellschaft respektiert und geschützt werden.
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