Sport und Ernährung haben auch im höheren Alter positive Effekte
steigen das Erkrankungs- und Sterblichkeitsrisiko bei den Betroffenen sowie die finanzielle Belastung des Gesundheitssystems. Doch ältere Menschen
können diesen Prozessen aktiv entgegenwirken, wie eine neue Studie vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) zeigt.
Die Doktorandin Ulrike Haß und ihr Team haben nachgewiesen, dass Sport und gezielte Ernährungsstrategien auch im höheren Lebensalter noch relevant und
effektiv sind.
Der Anteil der älteren Bevölkerung steigt in Deutschland kontinuierlich an. Laut Statistischem Bundesamt ist etwa jeder Fünfte mindestens 65 Jahre
alt. Der Anteil der über 80-Jährigen liegt bei etwa sieben Prozent. Es ist bekannt, dass die Muskelfunktion mit zunehmendem Alter abnimmt. Ein Faktor,
der dazu beiträgt, ist das sogenannte Inflammaging*, auf Deutsch Entzündungsaltern. Frühere Studien haben gezeigt, dass chronisch entzündliche
Prozesse den Abbau von Proteinen fördern und Wachstumsfaktoren hemmen. Zudem gehen sie mit einer verringerten Muskelkraft und Muskelleistung bei
älteren Erwachsenen einher. Der Rückgang der Muskelleistung sorgt wiederum für eine erhöhte Sturzanfälligkeit und schließlich für eine gesteigerte
Morbidität und Mortalität.
Acht aktive Wochen
Um diesem Prozess entgegenzuwirken, haben Ulrike Haß und ihr Team untersucht, welchen Einfluss eine protein- und omega-3-reiche Ernährung in
Kombination mit regelmäßiger körperlicher Aktivität auf die Muskelleistung und das Inflammaging bei älteren Erwachsenen hat. Vor diesem Hintergrund
führten die Wissenschaftler*innen eine 8-wöchige, randomisiert-kontrollierte Interventionsstudie mit gesunden 65- bis 85-Jährigen aus dem Potsdamer
Umland durch. Alle Teilnehmenden erhielten ein aufbauendes Trainingsprogramm, das aus einem angeleiteten Vibrationstraining und selbständigen
Kraftübungen für zuhause bestand. Darüber hinaus wurden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip einer von drei Ernährungsinterventionen
zugeordnet. Die erste Gruppe erhöhte ihre tägliche Proteinzufuhr (1,2-1,5 g Protein pro kg Körpergewicht) mithilfe eines Molkenproteinpräparates und
nahm zusätzlich täglich ein omega-3-reiches Algenöl (2195 mg Omega-3-Fettsäuren) zu sich. Die zweite Gruppe bekam ebenfalls das Molkenproteinpräparat,
aber kein Algenöl. Die dritte Gruppe diente als Kontrolle und setzte die gewohnte Ernährung ohne zusätzliche Präparate fort. Alle Proband*innen
führten während des Interventionszeitraums Ernährungsprotokolle und Trainingstagebücher.
Um das Vibrationstraining zu absolvieren, kamen die Teilnehmenden einmal pro Woche ins Studienzentrum. Zusätzlich machten sie zuhause drei Mal pro
Woche je 45-minütige Übungen, wie z. B. Kniebeugen, wiederholtes Aufstehen von einem Stuhl und Bauchmuskeltraining. Dabei gab es leichte wöchentliche
Steigerungen. Zu Beginn und am Ende der Studie wurden die Muskelfunktionalität und Muskelkraft der Teilnehmenden mithilfe verschiedener Tests, wie z.
B. dem traditionellen und sehr alltagsnahen Stuhl-Aufsteh-Test, bewertet. Insgesamt schlossen 32 Frauen und 29 Männer die Studie ab und wurden in die
finale Analyse einbezogen.
Männer profitierten stärker
„Wir stellten fest, dass Vibrationstraining und Heimtraining in Kombination mit einer proteinreichen und omega-3-angereicherten Ernährung in unserer
Studiengruppe vor allem bei den Männern die Muskelleistung verbesserte und die Inflammationswerte reduzierte“, erklärt Ulrike Haß. Insgesamt sorgte
eine proteinreiche Ernährung für eine höhere Beinkraft und verbesserte Zeiten beim Stuhl-Aufsteh-Test. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Sport und
Ernährungsstrategien auch im höheren Lebensalter noch relevant, umsetzbar und effektiv sind“, sagt Kristina Norman, Leiterin der Abteilung
Ernährung und Gerontologie am DIfE und Betreuerin der jungen Wissenschaftlerin Ulrike Haß.
In zukünftigen Studien wollen die Wissenschaftler*innen die molekularen Veränderungen der Skelettmuskulatur eingehender beleuchten. Darüber hinaus
wollen sie untersuchen, ob pflanzliche Proteine eine vergleichbare Wirkung erzielen wie das in dieser Studie verwendete Molkenprotein. Langfristig
sollen auch ältere Menschen mit Typ-2-Diabetes anhand des vorliegenden Studienprotokolls untersucht werden.
Für die hier vorgestellte Studie hat Ulrike Haß eine Forschungsförderung in Höhe von 15.000 Euro von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin
(DGEM) erhalten.
* Inflammaging
Unter Inflammaging versteht man die altersbedingte Zunahme des chronischen Entzündungszustandes im gesamten Organismus. Dieser Zustand ist durch
erhöhte Entzündungsmarker im Blut gekennzeichnet und bringt eine hohe Anfälligkeit für chronische Erkrankungen, Behinderung, Gebrechlichkeit und
vorzeitigen Tod mit sich. Zu den Faktoren, die zum Inflammaging beitragen, gehören oxidativer Stress, Veränderungen in der Signalübertragung zwischen
Zellen und der Verlust der Teilungsfähigkeit von Zellen (Seneszenz) mit zunehmendem Alter. Inflammaging ist ein Risikofaktor für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Nierenerkrankungen, Typ-2-Diabetes, Krebs, Depressionen und Demenz.
Beispiele für proteinreiche Lebensmittel
-> tierisch: Fettarme Milchprodukte (z. B. Magerquark, Harzer Käse), mageres Rindfleisch, Hähnchenbrust, Forelle, Lachs, Eier
-> pflanzlich: Sojaprodukte (z. B. Tofu), Mais, Hülsenfrüchte (z. B. Bohnen, Linsen, Kichererbsen), Kürbiskerne, Mandeln, Haferflocken
Beispiele für Lebensmittel reich an Omega-3-Fettsäuren
-> Lachs, Hering/Matjes, Leinöl, Rapsöl, Weizenkeimöl, Walnüsse, Erdnüsse, Chiasamen
Literatur
Haß, U., Kochlik, B., Herpich, C., Rudloff, S., Norman, K.: Effects of an Omega-3 Supplemented, High-Protein Diet in Combination with Vibration and
Resistance Exercise on Muscle Power and Inflammation in Old Adults: A Pilot Randomized Controlled Trial. Nutrients 14(20):4274 (2022). [Open Access]
-> https://doi.org/…
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).
-> www.dife.de
-> www.leibniz-gemeinschaft.de
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIFE)
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Abteilung Ernährung und Gerontologie
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Leiterin der Abteilung Ernährung und Gerontologie
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