Ungewissheit in deutscher Wirtschaft hält an – ein schwieriges Jahr steht womöglich bevor
Zu dem inzwischen etwas weniger pessimistischen Wirtschaftsausblick hat unter anderem die überraschend gute wirtschaftliche Entwicklung im dritten Quartal dieses Jahres beigetragen. Getrieben durch insgesamt solide aufgestellte Unternehmen sowie eine kräftige Nachfrage der privaten Haushalte fielen die Wachstumszahlen im Sommer deutlich besser aus als erwartet. Aktuelle Prognosen für die kommenden Monate gehen gleichwohl von einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Leistung in Deutschland aus. Hintergrund sind die nach oben schießenden Produktionskosten der Unternehmen und der kräftige Kaufkraftverlust auf Seiten der Verbraucher. Die meisten Konjunkturprognosen lassen daher nach wie vor eine Rezession im Winterhalbjahr erwarten; aus heutiger Sicht dürfte sie aber deutlich milder ausfallen als noch vor Kurzem befürchtet.
Abmildernde Effekte dürften unter anderem von den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen wie der Dezember-Soforthilfe und der Erdgas-Wärme-Preisbremse ausgehen, die spätestens im Laufe des ersten Quartals 2023 zu Entlastungen bei Unternehmen und Verbrauchern führen sollen. Auch scheint – anders als noch vor wenigen Monaten prognostiziert – die Gasversorgung zumindest für diesen Winter gesichert, auch dank der substanziellen Energieeinsparungen seitens der Wirtschaft und privater Haushalte sowie durch den erhöhten Rückgriff auf LNG-Gas.
Wenngleich die Stimmung gedrückt ist, zeichnet sich die gegenwärtige Lage der Unternehmen nicht selten durch solide Umsatzzahlen, Gewinne oder volle Auftragsbücher aus. Auch die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen bleibt unaufgeregt, wobei die bereits in den letzten Monaten erkennbare Volatilität der Insolvenzzahlen nach wie vor Interpretationsschwierigkeiten bereitet. Ungeachtet dessen kann davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Monaten mehr Unternehmen Insolvenz anmelden werden. Und die konjunkturellen Vorzeichen führen – ähnlich wie auch schon während der vergangenen zweieinhalb Pandemiejahren – zu dem Effekt, dass sich Unternehmen in erster Linie um die Stabilisierung ihres Bestandsgeschäfts bemühen und kaum Kapazitäten für Investitionen aufweisen.
Diese Tendenz wird von den aktuellen Zahlen zur Kreditvergabe an Unternehmen bestätigt: Erneut ist vor allem die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten überproportional angestiegen und damit der Bedarf nach Betriebsmitteln. Die Bundesbank verzeichnet für das dritte Quartal 2022 einen deutlichen Anstieg der Kreditvergabe sowohl im Vergleich zum Vorjahr (+12,1 %) als auch im Vergleich zum Vorquartal (+4,6%). Besondere Zuwächse verzeichnen dabei Großbanken und Landesbanken. Allerdings zeigt die letzte EZB-Umfrage, dass die Kreditvergabestandards spürbar angezogen wurden, da Banken angesichts des aktuellen Risikoumfelds höhere Rücklagen bilden und entsprechende Risikoaufschläge vorsehen. Für das vierte Quartal 2022 erwarten die Banken eine weitere deutliche Verschärfung.
Weiter aber gilt: Die deutschen Banken stehen eng an der Seite ihrer Geschäftskunden und suchen gemeinsam nach Lösungen, wenn es die Behebung möglicher Liquiditätslücken, die Anpassung der Geschäftsmodelle sowie Investitionen in die Transformation geht. Damit Banken ihrer Funktion als Transmissionsriemen für die Wirtschaft in der Krisenzeit allerdings voll nachkommen können, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Zwei wichtige Aktionsfelder sind dabei einerseits die aktuell laufenden Verhandlungen zur Umsetzung der Baseler Beschlüsse in EU-Recht, die spürbare Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung haben werden. Andererseits die zu verstärkenden Bemühungen um eine EU-Kapitalmarktunion, damit der steigende Kapitalbedarf – ergänzend zu Bankkrediten und öffentlichen Mitteln – durch einen harmonisierten und effizienteren EU-Kapitalmarkt abgedeckt werden kann.
Eine ausführliche Analyse zu diesen Punkten finden Sie im aktuellen Quartalsbericht des Bankenverbandes „Unternehmensfinanzierung AKTUELL“.
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