Zu Lauterbachs Vorschlag zur Stärkung der Kinderkliniken
Es macht einen großen Unterschied, ob 300 Mio. an 334 Kinderkliniken verteilt werden, in denen eine spezialisierte und bisweilen hochspezialisierte Kinderheilkunde geleistet wird und entsprechende Kenntnisse und Vorhalteleistungen zu finanzieren sind, oder an alle rund 1.800 Krankenhäuser in Deutschland, in denen Kinder größtenteils von Medizinern behandelt werden, die üblicherweise Erwachsene behandeln. Allgemeinchirurgen, Orthopäden, Hals-Nasen-Ohrenärzte oder Augenärzte zum Beispiel kümmern sich in Krankenhäusern ohne pädiatrische Fachabteilung auch um Kinder, ohne dass dort für eine spezialisierte Kindermedizin notwendigen Vorhaltekosten anfallen. Damit soll nichts gegen die Qualität ihrer Arbeit gesagt werden. Auch diese Mediziner leisten einen wichtigen Beitrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen. Aber Tatsache ist, dass dort die auf Erwachsene ausgerichtete Infrastruktur zusätzlich durch die Behandlung von Kindern ausgelastet wird. Weshalb solche Krankenhäuser zusätzlich Geld erhalten, das spezifisch für die notleidende Kinder- und Jugendmedizin vorgesehen ist, ist weder nachvollziehbar noch zielführend.
Das Bundesgesundheitsministerium schickt sich mit seinem Gesetzentwurf an, zahlreichen Krankenhäusern zusätzlich Geld für etwas zu geben, das sie nicht leisten (Kinderheilkunde). Mit dem fatalen Effekt, dass den auf Pädiatrie spezialisierten Kinderkrankenhäuser und -kliniken (334 in ganz Deutschland) von den 300 Mio. am Ende viel zu wenig bleibt, um ihre finanzielle Not zu lindern bzw. um ihre Existenz langfristig zu sichern.
Das sind unerfreuliche Aussichten für Kinder mit Erkrankungen, die die Kapazität der Grundversorgung übersteigen – und für die Familien dieser Kinder. Sollte der vorliegende Gesetzentwurf umgesetzt werden, droht vielen der Kinderkliniken das Aus. Denn kein verantwortungsbewusster Träger kann es sich leisten, strukturelle Defizite, untern denen die Kinderkliniken seit längerem leiden, langfristig hinzunehmen.
Mit seinen Plänen verschlimmert das Bundesgesundheitsministerium, was es eigentlich verhindern will – dass die Qualität der medizinischen Versorgung abnimmt. Das dürfen wir nicht zulassen und fordern deshalb, dass die zusätzlichen Mittel allein den spezialisierten Kinderkrankenhäusern und Kinderabteilungen zur Verfügung gestellt werden, um insbesondere auch die spezialisierte ambulante Versorgung zu stärken. Denn rund 70 Prozent der behandelten Fälle in Kinderkrankenhäusern erfolgen ambulant. Aus einem einfachen Grund: Im Unterschied zur Erwachsenenmedizin arbeiten die auf spezifische Krankheiten spezialisierten Kinderärzte nicht als niedergelassene Fachärzte, sondern in den Kinderkrankenhäusern. Wir appellieren deshalb an den Bundesgesundheitsminister, die aktuelle Gesetzesvorlage nochmals zu überdenken und das vorhandene Geld klug, bedarfsgerecht und zielführend einzusetzen.
Als Symbol der Dringlichkeit, umgehend ein zielgerichtetes Programm nur für Kinderkliniken und Kinderabteilungen auf den Weg zu bringen bzw. den Entwurf zu überarbeiten, treten Geschäftsführung, Pflegeleitungen und Chefärzte der Siegener Kinderklinik am morgigen Dienstag, 08.11.2022 um 17:00 Uhr vor die Klinik, machen hinter sich das Licht aus und schließen die Türe für eine Minute. Natürlich stehen die Verantwortlichen dann ebenfalls gerne für Ihr Fragen zur Verfügung.
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