Das soziale Netz neu knüpfen
Schwerpunktmäßig werden im Rehapro-Projekt im Vogelsbergkreis Menschen mit Herz-Kreislauf- sowie orthopädischen Krankheiten begleitet. Indessen widmet sich das Jobcenter des Landkreises Fulda um Alleinerziehende und Hersfeld-Rotenburg um psychisch erkrankte Menschen.
„Im Rehapro-Modellprojekt haben die Menschen auch mal Zeit, um miteinander ins Gespräch zu kommen, Erfahrungen auszutauschen, und neue Impulse mitzunehmen. Ein Ansatz, der Menschen im Leistungsbezug sehr gut dabei helfen kann, wieder Fuß zu fassen“, sagt Landrat Görig im Rahmen des Termins. In achtwöchigen Maßnahmenblöcken – den sogenannten „Auszeiten“ – geht es darum, das Selbstwertgefühl der Menschen zu stärken, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen, neue Routinen für den Alltag zu erarbeiten, und Ängsten sowie Isolation zu begegnen, beschreiben die Social Coaches Bastian Heck und Dominik Mertinat das Projekt. Neben Ernährungsberatung und Bewegungstraining stehen auch Zielplanungen und eine Nachbetreuung auf dem Programm. Und das funktioniert gut. „Die Menschen spiegeln uns immer wieder, dass die Auszeit im Projekt ihnen Selbstwertgefühl gibt und ihnen der Respekt und die Wertschätzung in der Gruppe sehr weiterhelfen“, sagt Mertinat. Ohne Schreibtischgefälle, das im Alltag manche Kunden einschüchtern und für Ängste sorgen könnte, ist das im Rahmen der Auszeiten einfacher. Oft geht es bei den Menschen darum, neben chronischen Krankheiten auch mit widrigen Lebensumständen zurechtzukommen. Doch die Erfahrung zeigt den Social Coaches: „Ein Arbeitsplatz allein ist selten die Lösung. Doch wenn das Drumherum aufgeräumt ist, kommt oft die Zeit und Lust auf die Arbeit“, sagt Heck und fügt an: „Wir behandeln hier nicht Symptome, sondern die Gründe und Ursachen für die Probleme.“ So hat man gute Erfolge dabei erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die teilweise schon über Jahre hinweg Sozialleistungen beziehen, Struktur, Erfüllung und Lebensinhalt – auch in Form von sozialversicherungspflichtiger Arbeit – zurückzugeben. „Immer wieder haben wir Menschen hier, die das Leben ‚draußen‘ ganz neu kennenlernen“, sagt Heck. Denn neben familiären Schicksalsschlägen ist es in vielen Fällen auch der fehlende Job, der isoliert, deprimiert und Probleme macht.
Dass die Auszeiten den Menschen helfen, zeigen die Zahlen des Projektes. Mehr als 90 Prozent schließen die Auszeiten ab, bleiben im Projekt und profitieren von einer verbesserten gesellschaftlichen Teilhabe, führt Stefan Jost, Leitung von Rehapro, aus. Vor dem Hintergrund, dass viele der Menschen im Projekt chronische Krankheiten hätten, ist das eine sehr gute Quote, und „13 Menschen haben nach der Projektphase wieder eine Anstellung gefunden. Dabei spielt die Eigeninitiative die größte Rolle“, ergänzt Jost. Haben die Teilnehmer die Auszeit durchlaufen, ist immer wieder eine grundlegende Verbesserung zu sehen. Das Team geht auf Beispiele von Menschen aus, die über die Auszeit und die Gruppendynamik zum Sport gefunden haben, sich mehr bewegen, neue Routinen in den Alltag einbauen und schließlich grundlegende Veränderungen im Leben anstoßen.
„Der Wille ist hier das entscheidende. Über Rehapro können Menschen sich austesten, und so einen besseren Platz für sich finden“, konstatiert der Landrat. Sie werden dabei unterstützt, ihren gewohnten Rahmen zu verlassen und positive Erfahrungen zu machen.
Wie das Projekt trotz der positiven Resonanz im Vogelsbergkreis nach dem Ende der Projektphase 2024 weitergeht, steht noch nicht fest. „Zwar ist Rehapro im Koalitionsvertrag der Bundesregierung genannt, eine Entscheidung – auch vor dem Hintergrund der Diskussionen um das Bürgergeld – ist aber aktuell noch offen“, sagt Rene Lippert, Leiter des Amtes für Soziales und Ausländerwesen. Fest steht allerdings: Das Zwischenfazit im Vogelsbergkreis ist ein gutes. Denn die vertrauensvolle Arbeit auf Augenhöhe, die Förderung der Eigenverantwortung und der Fokus auf Freiwilligkeit wirken sich positiv aus.
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