Den Blick auf professionelle Pflege ändern
„Es ist wichtig, den Blick auf Pflege zu verändern, ihren Wert und eigenständigen Beitrag zur Gesunderhaltung, zur Gesundung und zur Wahrung der Selbstbestimmung anzuerkennen“, so Bernadette Klapper auf die Frage, wie das Berufsbild der professionell Pflegenden aufgewertet werden könne.
Klapper macht deutlich, dass die Unzufriedenheit der professionell Pflegenden ein wichtiger Faktor im Personalmangel ist. „Das kann rasch entgleisen und zu Berufsaustritten führen. Die desolate Personalsituation in den Pflegeberufen hat vor dem Hintergrund der demografischen Veränderungen gesellschaftliche Sprengkraft“, so Klapper. „Es müssen jetzt einige Grundproblematiken angegangen werden“.
Klapper nennt drei Hauptursachen für die Unzufriedenheit der professionell Pflegenden: Der Personalmangel, der auf rund 200.000 Vollzeitstellen geschätzt wird, führe zu dauerhafter Überlastung. Dies zeige sich im Krankenstand der Berufsgruppe, der mit 25,7 Krankheitstagen in der Akutpflege und 33,2 Tagen in der Langzeitpflege weit über dem allgemeinen Durchschnitt von 18,2 Fehltagen liegt.
Die mangelnde Wertschätzung des Berufs und der pflegerischen Kompetenz seien weitere Gründe für Unzufriedenheit. „Hartnäckig hält sich das Bild von ‚Pflege kann jede:r‘, wenn vorgeschlagen wird, nicht qualifizierte Arbeitskräfte in der Pflege anzusiedeln“, so Klapper.
Die dritte Ursache liegt nach Klappers Überzeugung in der Fremdbestimmung, mit der die Berufsgruppe konfrontiert sei: „Wenn man sich heute die Situation in der Pflege anschaut, dann erinnert sie mich an das Familienbild der 50er-Jahre. Bei aller Vernachlässigung von Details zeigt sich darin ein Spiegel unserer Gesundheitsversorgung: Der Vater als Haushaltungsvorstand – in dem Fall der Mediziner – sagt an, was richtig ist in Sachen Gesundheit. Die Mutter, also die Pflege, kümmert sich um die Kinder, hat vermeintlich diffuse Aufgaben, aber sorgt dafür, dass der Laden läuft. Und sie muss den Mann fragen, ob sie arbeiten gehen, ein eigenes Konto eröffnen oder studieren darf. Sprich, sie wird in jedem Schritt gesteuert und darf nicht eigenständig agieren.“
Klapper fordert daher den neuen Blick auf die Profession Pflege, der die notwendigen Investitionen und Maßnahmen leiten müsse, um die Berufszufriedenheit wiederherzustellen: „Anstatt die berufliche Pflege in Verrichtungslogiken engzuführen und sie unter ihren Möglichkeiten einzusetzen, sollte ihre Rolle als Profession und Partnerin im Gesundheitssystem – sowohl an der Basis der Gesundheitsversorgung als auch in der Systemgestaltung – gestärkt und erweitert werden. Die Potenziale der Pflege liegen in ihrer Professionalisierung.“ Dazu seien Maßnahmen zu einer bundeseinheitlichen Pflegeassistenzausbildung, zur Stärkung der generalistischen Pflegeausbildung, die Sicherung der primärqualifizierenden Studiengänge sowie die Einrichtung weiterer Studiengänge für erweiterte pflegerische Rollen notwendig. In der Praxis brauche es eine Umsetzung des Qualifikationsmixes. Außerdem sei die berufliche Selbstbestimmung in Form von Pflegeberufekammern notwendig. „Der Schlüssel für den Erfolg der Maßnahmen auf allen Ebenen sind die Anerkennung und Wertschätzung professioneller Pflege für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung. Vorschläge, wie das gelingen kann, haben wir längst vorgelegt“, so Klapper.
Neben den politisch Verantwortlichen sieht Klapper auch die Arbeitgeber:innen in der Pflicht: „Beruflich Pflegende wollen verlässliche Dienstpläne, und ihr Beruf muss mit dem Privatleben vereinbar sein. Wertschätzung, Partizipationsmöglichkeiten, Unterstützung durch Supervision oder Coaching und Angebote für Betriebliches Gesundheitsmanagement gehören heute selbstverständlich zu attraktiven Arbeitsplätzen.“
Hier finden Sie weitere Materialien zum BKK Gesundheitsreport: https://www.bkk-dachverband.de/publikationen/bkk-gesundheitsreport/pressematerial-zum-bkk-gesundheitsreport-2022
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