Hürden im Haus abbauen, damit alle gut wohnen können
Barrierefreiheit in den eigenen vier Wänden beginnt schon an der Eingangstür. Denn Türschwellen, die für viele klein aussehen mögen, können für Rollstuhlfahrer, gehbehinderte und ältere Menschen ein großes, kaum überwindbares Hindernis oder eine Stolperfalle sein. Schwellen sind daher im Sinne der Barrierefreiheit eigentlich nicht zulässig. Für die laut DIN-Norm mögliche Ausnahme für Schwellen bis 20 mm sind sehr hohe Anforderungen für den Nachweis zu erfüllen. Deshalb werden Schwellen im Neubau in den meisten Fällen als Planungsfehler gewertet. Gerade für ältere Menschen sind bereits niedrigere Schwellenhöhen eine gefährliche Stolpergefahr mit hohem Sturzrisiko. Lassen sich Türschwellen, so sie trotzdem vorhanden sind, gut überrollen, verbessert das hingegen den Komfort auch für Personen mit Kinderwagen oder Einkaufstrolly, wie das Forschungsinstitut ift Rosenheim in einer Kurzstudie feststellt. Demnach braucht die Überwindung rechteckiger Schwellen 30 Prozent mehr Kraft als bei stark abgerundeten Schwellen. „Hürden, die der Barrierefreiheit im Wege stehen, gilt es zu beseitigen. Im Sinne der Barrierefreiheit hat rund Vorfahrt vor eckig“, so VFF-Geschäftsführer Frank Lange.
„Wichtig für Bewohner und Planer gleichermaßen ist, dass das Ziel der Barrierefreiheit gut mit anderen Anforderungen an Haus und Gebäudehülle harmoniert“, erklärt VFF-Geschäftsführer Lange weiter. Dazu gehört, dass der Einbau dann sogenannter „Null-Schwellen“, richtig geplant wird. Beim kompletten Verzicht auf Türschwellen muss je nach Lage und Ausrichtung des Hauses und der Eingangstür ein Vordach über dem Eingangsbereich angebracht werden, das Schutz vor der Witterung bietet und zugleich vor dem schnellen Eindringen von Niederschlägen schützt. Auch der Einbau von Entwässerungsrinnen und -rosten verringert die Schlagregenbelastung von Türen und Fenstertüren. „Zielkonflikte zwischen Barrierefreiheit und Bautechnik lassen sich durch geschickte planerische Lösungen meist unkompliziert und sehr gut lösen“, sagt Lange.
Stulpfenster und Schiebefenster bieten sich an
Für Türen und Fenster ist im Sinne der Barrierefreiheit gleichermaßen zu bedenken: Die auszuübenden Bedienkräfte beim Öffnen und Schließen dürfen nicht zu groß werden. „Jeder, der einmal im Sitzen versucht hat, ein Fenster zu öffnen, weiß, wie schwer ein Fensterflügel werden kann“, stellt VFF-Geschäftsführer Lange fest. Um die Breite von Fensterflügeln und damit die für das Öffnen aufzuwendenden Kräfte zu reduzieren, können sich Stulpfenster, aber auch leichtgängige Schiebekonstruktionen anbieten. Stulpfenster sind zweiflügelige Fenster ohne Mittelpfosten. Gerade auch für Balkontüren und -fenster sowie für andere bodentiefe Fenster können Stulpfenster durch die freie Sicht, die sie auch im geöffneten Zustand bieten, eine attraktive Lösung sein. Sie erleichtern durch ihre geringere Breite der Flügel die Bedienbarkeit erheblich.
An die Erreichbarkeit von Griffen denken
Barrierefreie, bodentiefe und leicht bedienbare Fenster- und Türkonstruktionen sind nur ein Beispiel dafür, dass altersgerechtes Wohnen potenziell für breite Bevölkerungsschichten möglich und daher attraktiv ist. „Gerade deshalb sind Investitionen in barrierefreies Wohnen und energetisch verbesserte Konstruktionen durchaus schon heute auch für die Generation 50plus ein wichtiges Argument. So kann man langfristig planen, auch für eine spätere Nutzung im hohen Alter“, weiß Fensterexperte Lange. Neben der guten Bedienbarkeit ist die Erreichbarkeit von Griffen mit einzuplanen für ein möglichst barrierefreies Wohnen. Je nach Haus und Wohnung können sich daher zum Beispiel Oberlichter mit Kippbeschlag, aber auch motorische Antriebe anbieten. Für Rollstuhlnutzende sind Griffe in Sitzhöhe sinnvoll. Auch der Einbau von elektromotorischen Fensteröffnungen ist hilfreich. Neben einer individuell passenden Ausführung ist eine regelmäßige Wartung von Fenstern und Türen notwendig, damit die Fensterbeschläge leichtgängig bleiben. „Um reibungslose Handhabbarkeit und niedrige Bedienkräfte dauerhaft sicherzustellen, müssen Fenster und Türen regelmäßig möglichst alle zwei Jahre gewartet und je nach Bedarf entsprechend eingestellt werden“, betont Lange.
Zwei-Sinne-Prinzip umsetzen
Neben den aufzuwendenden Körperkräften ist im Sinne der Barrierefreiheit auch das Zwei-Sinne-Prinzip als Grundsatz barrierefreier Gestaltung zu bedenken. Demnach müssen mindestens zwei der drei Sinne „hören, sehen und tasten“ angesprochen werden. Speziell für Personen mit Sehbehinderungen ist die Farbgebung der Bauelemente mit möglichst kontrastreichen Farben angezeigt, so mit klarem Hell-Dunkel-Kontrast. „Griffe und andere Bedienelemente sollen sich also deutlich optisch vom Türblatt abheben. Auch hier gilt: Investitionen in barrierefreies Wohnen sind zugleich auch gut angelegtes Geld in altersgerechtes Wohnen“, resümiert Lange.
Expertentipp:
Für Investitionen in neue Fenster und Türen, die barrierefreies Wohnen ermöglichen, bietet sich staatliche Förderung von Bund, Ländern und Gemeinden an. Aktuell geht dies häufig nur in Kombination mit der energetischen Verbesserung der Konstruktionen mit u-Werten besser 0,95 W/m²K. Welche Programme für welche Immobilie passen können, zeigt schnell und zuverlässig der kostenlose Förderassistent vom Verband Fenster + Fassade (VFF). Die rechenstarke Online-Hilfe bietet eine übersichtliche Navigation und individuelle Suchfunktionen. Damit Sie auch in der Förder-Landschaft in der Komfort-Zone bleiben. Möglich ist auch eine separate Herstellersuche, über die sich gezielt Fachbetriebe auffinden lassen.
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