Musik wird oft nicht schön gefunden
Prof. Dr. Benjamin Bernschütz, der am THM-Fachbereich Manage-ment und Kommunikation Elektroakustik und Beschallungstechnik lehrt und zuvor als schalltechnischer Sachverständiger tätig war, leitet das Vorhaben. Zur Weiterqualifizierung arbeitet auch wissen-schaftlicher Nachwuchs aus den Studiengängen Eventmanagement und -technik sowie Strategische Live Kommunikation daran mit. Kooperationspartner bei dem Verbundprojekt sind das Institut für Nachrichtentechnik der TH Köln, die Kramer Schalltechnik GmbH aus Sankt Augustin und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen.
Geräusche aus den Tiefen der Frequenzskala haben im täglichen Leben stark zugenommen. Das gilt für Alltagsbereiche wie den Straßen- und Luftverkehr, aber auch für den Unterhaltungssektor. Bei Freiluftveranstaltungen gehören Beschallungsanlagen mit großer Leistung zum technischen Standard. „Lärmbeschwerden im Kontext von Veranstaltungen nehmen in den letzten Jahren massiv zu und sind auch vielfach begründet. Die rechtliche Situation ist sehr kritisch, die Behörden sind verzweifelt und Veranstalter stark verunsichert. Wir brauchen dringend eine verlässliche und praxisgerechte Grundlage für die Messung und Beurteilung der Immissionssituation“, so Prof. Bernschütz.
Zwar reglementieren die Freizeitlärmrichtlinien der Länder in Verbindung mit der DIN 45680 formal Schallemissionen im unteren Frequenzbereich. Doch die Norm wurde ursprünglich für Gewerbe- und Industrielärm konzipiert und ist nicht auf Geräuschphänomene und Vorgehensweisen im Veranstaltungssektor zugeschnitten.
Das THM-Team will im Verbund mit den Partnern dieses Defizit beheben und mit Blick auf die Veranstaltungsbranche ein spezifisches und praktikables Mess- und Beurteilungsverfahren entwickeln. So soll die Grundlage für ein verbindliches Regelwerk und für Veranstalter eine stabilere rechtliche Grundlage geschaffen werden. Damit ist das übergeordnete Ziel verbunden, die Bevölkerung vor belästigendem oder sogar gesundheitsgefährdendem Lärm im tiefen Frequenz-bereich zu schützen. Denn in Deutschland ist das Recht auf gesunde Wohnverhältnisse im Bundes-Immissionsschutzgesetz verankert.
Das Projekt, das bis zum Februar 2027 läuft, sieht verschiedene Schritte vor. Zunächst geht es darum, eine umfassende Datenbasis zu schaffen. Zu diesem Zweck will man im Umfeld von mindestens 200 Musikveranstaltungen vor allem tieffrequente Immissionen mes-sen und parallel dazu die Höreindrücke vor Ort von schalltechnischen Sachverständigen subjektiv beurteilen lassen. Ergänzend soll eine dreistellige Zahl von Hausfassaden auf ihre Transmissions-eigenschaften im Bassbereich analysiert werden. Dazu fehlen bisher ebenfalls genauere Erkenntnisse, weil die bauakustischen Normen diesen Gesichtspunkt nicht in hinreichender Form einbeziehen. Geplant sind weiterhin umfangreiche psychoakustische Experimente, um die spezifische Störwirkung von solch veranstaltungstypischen Geräuschen auf den Menschen zu untersuchen und geeignete Korrekturfaktoren abzuleiten. Dazu müssen zunächst komplexe Versuchsdesigns entwickelt und eine geeignete Hörversuchs-umgebung aufgebaut werden.
Durch das Projekt soll auch der Wissens- und Technologietransfer zwischen den Hochschulen und dem beteiligten Unternehmen gefördert werden. So sollen Softwarekomponenten entwickelt wer-den, die neue Möglichkeiten zur Analyse tieffrequenter Immissionen in verteilten Messsystemen eröffnen.
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