Reaktion des Composites United e. V. auf die Veröffentlichung „Rotorblätter mit Recyclingproblem“, Spiegel Online, 22. Dezember 2022
- Recyclingfähigkeit: Prinzipiell muss bei der Entsorgung zwischen Recycling, Verwertung und Deponierung unterschieden werden. Dies im Artikel differenziert darzustellen ist vermutlich schwer möglich. Für das Recycling gibt es seit über 10 Jahren eine Anlage in Stade bei Hamburg, die carbonfaserverstärkte Kunststoffe (CFK) mittels Pyrolyse recycelt und die Fasern wiedergewinnt . Aus diesen Fasern werden wieder neue Fasermaterialien hergestellt, die sich für hochwertige Produkte eignen. Zwar reicht die Belastbarkeit richtigerweise noch nicht an die von neuen Fasern heran, ist aber im Vergleich zu anderen Materialien, wie Metallen, immer noch sehr hoch. Weiterhin besitzen Materialien aus recycelten Fasern auch viele Vorteile gegenüber Neuware, z. B. eine bessere Formbarkeit und eine einfachere Verarbeitbarkeit. Die Aussage im Artikel, CFK wäre nur theoretisch oder grundsätzlich recyclingfähig, impliziert, dass dies in der Praxis nicht umgesetzt werden kann bzw. nicht umgesetzt wird. Wie oben erläutert, stimmt diese Behauptung nicht und lässt sich auch nicht aus der zitierten UBA-Studie ableiten, in der die Recyclingverfahren und -wege dargestellt sind. Da CFK primär bei modernen Windkraftanlagen mit langen Rotorblättern verwendet wird, wird die Abfallmenge erst Anfang der 2030er-Jahre signifikant zunehmen. Aktuell anfallende Mengen können durch die Anlage in Stade recycelt werden. Weiterhin ist eine Kapazitätserweiterung dort bereits geplant, um auf steigende Abfallmengen vorbereitet zu sein. Für glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) wird im Artikel richtigerweise die Verwertung bei der Zementherstellung genannt, bei der das GFK sowohl als Rohstoff, als auch Energieträger dient. Bereits heute reicht die Kapazität aus, um die bis 2040 jährlich anfallenden Mengen zu verarbeiten, wie u. a. der UBA Studie zu entnehmen ist. Darüber hinaus gibt es immer mehr innovative Akteure am Markt, wie z. B. Eurekum, die ein höherwertiges Recycling von GFK anstreben und bereits heute neue Produkte aus dem Material entwickeln und wieder am Markt vertreiben.
- Gesundheitliche Wirkung: Eine Gleichsetzung von Carbonfasern und Asbestfasern ist aus verschiedenen Gründen falsch. Ihre schädliche Wirkung entfalten Asbestfasern aufgrund ihrer Geometrie, ihrer Beständigkeit und der Reaktion des Körpers auf die Fasern. Carbonfasern weisen eine andere Geometrie auf, insbesondere einen deutlich größeren Durchmesser (4-9 µm). Nur unter starker mechanischer oder thermischer Belastung können Bruchstücke entstehen, die einen kritischen Durchmesser von unter 3 µm erreichen können, was ein Eindringen tief in die Lunge ermöglicht. Bei Rotorblättern eingesetzte Polyacrylnitril (PAN)-basierte Carbonfasern neigen nicht so zu brechen, dass Fasern mit einem Durchmesser unter 3 µm entstehen. Trotzdem können laut aktuellen Studien für diese Fasern lungengängige Bruchstücke in geringer Anzahl entstehen. Ob damit bei Recyclingprozessen kritische Konzentrationen an Faserstäuben erreicht werden, ist aktuell noch unklar. Zudem muss die Reaktion des Körpers auf die Carbonfasern betrachtet werden. Bisher veröffentlichte Studien, hauptsächlich Untersuchungen an Ratten, zeigen, wenn überhaupt, eine kurzfristige entzündliche Reaktion, die wieder abklingt. Vergleichbare Studien mit Asbestfasern zeigen eine deutliche krebserregende Wirkung. Deshalb ist eine Gleichsetzung von Asbestfasern mit Carbonfasern wissenschaftlich nicht begründet. Allerdings besteht noch Forschungsbedarf und es existieren eine Reihe von offenen Fragen, die noch geklärt werden müssen. Daher muss das Vorsichtsgebot gelten und eine Exposition von Arbeitenden mit Faserstäuben entlang des Recyclingprozesses muss vermieden werden. Dies ist jedoch nichts Außergewöhnliches und gilt gleichermaßen für Stäube von viel verbreiteteren Materialien, z. B. für Hartholzstäube (die krebserzeugend sind) oder Stein- und Betonstäube. Entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Arbeitenden und der Umwelt sind bekannt, etabliert und funktionieren für carbon- und glasfaserhaltige Stäube auch.
- Handling von GFK- und CFK-Bauteilen: Abschließend sei noch erwähnt, dass eine Gefahr für die Gesundheit durch Partikel weder beim Transport noch beim Betrieb besteht.
Zusammenfassend möchten wir deshalb festhalten, dass in dem Artikel ein wichtiges Thema angesprochen wird und ein Recycling von Rotorblättern wie auch von anderen faserhaltigen Reststoffen notwendig ist. Im Gegensatz zu dem im Artikel implizierten Aussagen, bestehen hierfür allerdings schon Lösungen, die weiter ausgebaut und etabliert werden. Dies bestätigt die im Artikel zitierte UBA-Studie. Der Ausbau ist insbesondere deshalb so wichtig, da die notwendige Energiewende und ein CO2-armes Transportwesen ohne glas- und carbonfaserverstärkte Kunststoffe nicht möglich sein werden. Flugzeuge, Wasserstofftanks oder Windkrafträder werden ohne diese Hochleistungswerkstoffe nicht in geeigneter und notwendiger Art und Funktion umsetzbar sein.
Zu den Themen „Recycling und Verwertung von CFK“ sowie „Exposition und Wirkung von Carbonfaser- und CFK-Stäuben“ möchten wir außerdem auf die wissenschaftlich belegten, detaillierten Informationspapiere verweisen, die der Composites United zusammen mit einem Expertengremium verfasst hat. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: https://composites-united.com/cu-startet-neue-informationsserie-cu-knowledge/.
Composites United e. V. (CU) ist eines der weltweit größten Netzwerke für faserbasierten multimaterialen Leichtbau. Rund 350 Mitglieder haben sich zu diesem leistungsstarken Industrie- und Forschungsverbund zusammengeschlossen. Mehrere Regional- und Fachabteilungen tragen die Vereinsaktivitäten in der gesamten DACH-Region, dazu kommen internationale Vertretungen in Japan, Süd-Korea, China und Indien.
Der Composites United e. V. entstand mit Wirkung zum 01. Januar 2019 aus der Fusion der beiden vorbestehenden Vereine Carbon Composites e.V. und CFK Valley e.V. Sitz des Composites United e.V. ist Berlin, daneben bleiben Augsburg und Stade als eingeführte Standorte erhalten.
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