Energiekrise: „Für eine Entwarnung ist es noch zu früh“
Vor allem im kurzfristen Stromgroßhandel – dem so genannten Spotmarkt – waren zuletzt Preisrückgänge zu beobachten. Warum davon bei den Verbraucherpreisen vorerst nichts zu merken sein wird, hat hauptsächlich mit der Beschaffungsstrategie der Stadtwerke zu tun, an deren oberste Stelle nicht der kurzfristige Profit, sondern die Versorgungssicherheit der Bevölkerung steht. Liebing erklärt: „Die Kurzfristmärkte spielen für die Beschaffung der Stadtwerke nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle, denn sie kaufen Energie stetig auf Termin für die Zukunft ein.“ Ihren künftig erwarteten Energiebedarf kaufen Energieversorger in vielen kleinen Teilmengen zu verschiedenen Zeitpunkten ein. Diese bewährte Beschaffungsstrategie schützt die Energiekunden vor großen Preissprüngen – das heißt, federt Preisspitzen ab und streckt Preissteigerungen zeitlich.
Beschaffungsstrategie schützt vor extremen Preisschwankungen
Gerade in der Energiekrise hat sich die konservative Beschaffungsstrategie von Stadtwerken und kommunalen Energieversorgern bewährt. „Wenn Stadtwerke stattdessen immer aktuell einkaufen würden, hätten Verbraucherinnen und Verbraucher im vergangenen Jahr ein Vielfaches der auf den Strom- und Gasrechnungen ausgewiesenen Preise bezahlen müssen“, sagt Liebing. Und das wäre auch in der aktuellen Situation so, denn: „Derzeit profitieren Kundinnen und Kunden unverändert von den bedeutend günstigeren Preisen der zurückliegenden drei Jahren vor der Energiekrise.“ Das heißt für die Endkunden: „Erst wenn sich günstige Preise auch wieder am Terminmarkt beständig durchsetzen, wird das in der Folge die Verbraucherpreise senken.“
Auch die große Unsicherheit auf den Energiemärkten wirkt sich auf die Preise aus. Nicht nur für Stadtwerke, für alle Energieeinkäufer, gilt: Je unbeständiger die Märke und sprunghafter die Preise sind, desto höher sind die geforderten Sicherheitsleistungen, die sie leisten müssen, um Gas und Strom zu kaufen. Mit den Sicherheitsleistungen sichert die Börse die Vertragsparteien gegen mögliche Ausfallrisiken ab. Bei sinkenden Marktpreisen müssen an der Börse vor allem die Energiekäufer Sicherheiten stellen. Aber auch in der außerbörslichen Beschaffung fordern Verkäufer zunehmend Sicherheiten von den Stadtwerken.
Der Staatseinstieg bei Uniper sei richtig gewesen, sagt Liebing: „Indem der Bund die Handlungsfähigkeit des Unternehmens sichert und Gaspreise auf der Importstufe stützt, schützt er auch die Endkundinnen und Endkunden.“ Zugleich kritisiert Liebing: „Dass Uniper als Staatskonzern dennoch erhebliche Sicherheitsanforderungen an die Energieunternehmen stellt und damit die Energiepreise treibt, ist in der aktuellen Situation absurd.“
Bereits im Sommer 2022 hat der VKU darauf hingewiesen, dass die bisherigen Preisanpassungen aufgrund der langfristigen Beschaffung der Stadtwerke moderat ausgefallen sind und Preisanpassungen bevorstehen. Dies war auch der Hauptgrund für die Ende 2022 beschlossenen Energiepreisbremsen.
Energieangebot mit neuen Anlagen steigern
Die Preisentwicklung für Energie wird auch davon abhängen, wie sich der Krieg in der Ukraine entwickelt. Deutschland wird zwar in absehbarer Zeit den Wegfall des russischen Gases kompensieren können, der damit verbundene Umbau der Infrastruktur ist allerdings zeitintensiv und mit hohen Kosten verbunden. „Grundlage für niedrige Energiepreise ist ein großes Energieangebot“, sagt Liebing. Deshalb müssten die erneuerbaren Energien massiv und schnell ausgebaut werden. „Und wir brauchen weiterhin regelbare Transformationskraftwerke, die flankierend zum Ausbau von erneuerbaren Energien für eine sichere Stromversorgung sorgen“, so Liebing.
Hoher Beratungsbedarf in Kundenzentren
In den Kundenzentren der Stadtwerke herrscht währenddessen ein anhaltend hoher Beratungsbedarf. Im Mittelpunkt stehen Fragen zur Gas- und Wärme- sowie Strompreisbremse. Die Preisbremsengesetze lassen derzeit keinen Spielraum für individuelle Lösungen. Stadtwerke und kommunalen Versorger müssen sich an die gesetzlichen Vorgaben halten, die den Handlungsrahmen definieren. „Gerade in Bezug auf Vergünstigungen für die Verbraucher haben die Preisbremsengesetze strenge Vorschriften und engen den Spielraum der Versorger ein. Damit soll Missbrauch verhindert werden“, so Liebing.
In diesem Zusammenhang betont der VKU, dass die Behörden ausreichende Befugnisse haben, um ein missbräuchliches Verhalten zu untersuchen und zu ahnden. „Aus Sicht der Stadtwerke sollte diese Aufsicht auch wahrgenommen werden“, so Liebing. Die Herausforderungen der kommunalen Energiewirtschaft würden eher im erneuten Aufkommen der Billiganbieter liegen, die Phasen fallender Preise erneut nutzen könnten, um Kunden mit nicht abgesicherten Angeboten anzulocken.
Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 283.000 Beschäftigten wurden 2019 Umsatzerlöse von 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 13 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Gas 67 Prozent, Trinkwasser 91 Prozent, Wärme 79 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 203 Unternehmen investieren pro Jahr über 700 Millionen Euro. Beim Breitbandausbau setzen 92 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude. Wir halten Deutschland am Laufen – klimaneutral, leistungsstark, lebenswert. Unser Beitrag für heute und morgen: #Daseinsvorsorge. Unsere Positionen: 2030plus.vku.de.
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