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Nachträgliches zu Weihnachten, Zeitvergeudung in Schweriner Cafés sowie Köchels Verzeichnis – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

Okay, wir sind natürlich schon im neuen Jahr angekommen – und das hoffentlich gut. Aber Weihnachten ist ja auch noch nicht so lange vorbei, als dass wir uns nicht mehr daran erinnern könnten – und an die vielen schönen Geschenke, die es da gegeben hat. (Die weniger schönen haben wir ja schon umgetauscht.) Aber zurück zu den schönen Geschenken und zum Weihnachtsfest an sich. Wussten Sie eigentlich, dass es auch in Deutschland ein richtiges Weihnachtsland gibt? Mehr dazu erzählt Karl Sewart in „Christbaum und Pyramide. Ein erzgebirgisches Weihnachtsbuch“. Und das ist zugleich das zweite der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die auch im neuen Jahr wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 06.01.23 – Freitag, 13.01. 23) zu haben sind.

Besondere Lebenserinnerungen hat Ingrid Möller in „Reisefieber – Fieberreisen“ aufgeschrieben.

Zu einem erneuten Rendezvous mit der Aphrodite, der Zeitreisenden, lädt Hardy Manthey im 16. Teil dieser Reihe fantastischer Romane unter dem Titel „Das geheime Haus des goldenen Itzamná“ ein. Und diesmal geht es ums Ganze, um eine letzte Hoffnung für Aphrodite …

Auch einen gewissen Herrn Köchel, genauer gesagt Herrn Ludwig Ritter von Köchel, lernen wir in dem Roman „Wolfgang Amadés Erben“ von Renate Krüger kennen.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit.

Wie in einer Novelle üblich ist etwas Unerhörtes geschehen. Mehrere Menschen sind ermordet worden. Und schuld daran sind faschistische Gedanken von der Ungleichheit der Menschen. Über solche Taten darf kein Gras des Vergessens wachsen. Niemals. Zugleich befasst sich das heute ausgewählte Buch auch mit einem Stück DDR-Geschichte, die manchmal seltsame Weg ging. Auch ein gewisser Stalin und Lotte Ulbricht kommen in der Handlung vor. Sowie ein hoher Orden und ein merkwürdiger Hundename.

Erstmals 2007 erschien im Lusatia Verlag Dr. Stübner & Co. KG Bautzen die Novelle „Kreuz am Waldrand“ von Elke Nagel: Da klettert ein Mann von Zeit zu Zeit auf die Milchrampe eines kleinen Dorfes und hält wütende Reden. Angeblich ist er ein Irrer. Nicht normal. Weil er nicht verstehen kann, dass da ein Wehrloser erschossen wurde und seinem Mörder nichts geschehen ist. Niemals. Weder damals noch später, noch jetzt, wo er geehrt und dekoriert wird. Aber der ist ein Mörder, sagt der Mann, ihr alle seid Mörder.

Du bist verrückt, sagen die Leute.

Der Mann fertigt dem Erschossenen ein Holzkreuz. Stellt es auf unter den Birken am Waldrand. Erneuert es mehrmals, denn es wird mehrmals entfernt. Später  besucht er es, mit seinem Hund Churchill am Bindfaden, schmückt es mit frischen Blumen. Der ist verrückt, sagen die Leute immer noch. Wer den Irrsinn der Welt nicht versteht, muss wohl verrückt sein.

Letztendlich ist Gras über ihn und das Kreuz am Waldrand gewachsen. Gras des Vergessens. Hier der Anfang dieser berührenden Novelle über einen (genretypischen) unerhörten Vorgang, welcher die Autorin eine bemerkenswerte Vorbemerkung vorangestellt hat:

„Diese Geschichte und die handelnden Personen sind erfunden. Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Personen und Ereignissen waren unvermeidbar.

  1. Kapitel

Dies ist die Geschichte eines Verrückten. Vielleicht auch eines angeblich Verrückten, das ist nicht sicher. Ich kenne sie vom Senek Jurij, dem Maler, Bildhauer und Holzschnitzer, der wiederum hat sie – von ein paar eigenen Kindheitserlebnissen abgesehen – vom Mattes, das aber ist jener Verrückte. Oder angeblich Verrückte.

Dieser Mattes, der genau genommen Matthias Knopka hieß, war am 7. Oktober des Jahres 1979 zum dritten Mal auf die Milchrampe eines kleinen Dorfes in der mittleren Lausitz geklettert, das ich Steinau nennen werde — was aber bedeutungslos ist, es könnte auch ganz anders heißen — , um seine Rede zu halten, er war da fast siebzig Jahre alt.

Die Milchrampe stand in der Mitte des Dorfangers; sie stand dort seit eh und je, aus soliden Eichenbrettern gezimmert, niedrig genug, damit auch eine Bauersfrau ihre Kanne hinaufwuchten konnte, aber doch so hoch, dass der Milchfahrer kaum Mühe hatte, die Kannen auf seinen Wagen hinüberzuziehen. Die Rampe erschien Mattes heute sehr viel höher zu sein als im Frühjahr 1945, höher auch als 1955. Damals, bei seinen beiden ersten Auftritten auf diesen Brettern, war er – Anlauf nehmen, aufstemmen, aufrichten – fast hinaufgeflogen; diesmal, obwohl nicht weniger beflügelt von Wut und Eifer, zog er sich mühsam auf den Rand der Rampe, lag sekundenlang in bedrohlicher Schwebe, bis es ihm endlich gelang, den Körper hinaufzuwälzen und sich aufzurichten. Sorgfältig entstaubte er seinen dunkelbraunen Feiertagsanzug, rückte den schwarzen Schlips gerade und zischte dem Hund, der leise winselnd unten stehengeblieben war, ein „Sitz, Deifi!“ hinunter. Deifi gehorchte sofort.

[*] Kapitel

Niemand hatte den alten Mann, der von jeher und von jedem nur Mattes genannt wurde, jemals ohne diesen gelblich-weißen, mittelgroßen Hund gesehen; der Hund trug kein Halsband, sondern einen Bindfaden um den Hals, dessen Ende in Mattes’ linker Faust verschwand. Er hieß auch gar nicht Deifi. Denn wenn Mattes „Deifi” sagte, meinte er „Teufel”. Und dem Bildhauer Jurij Senek hatte er anvertraut, er habe seinen Hund Churchill genannt. Aus Dankbarkeit, verstehst, Jurij, ja?

Nein, hatte Jurij gesagt, ich versteh nicht, Mattes.

Nein? Dann muss ich dir erzählen.

So begannen ihre stundenlangen Gespräche meistens: ein kleiner Anlass, eine Frage, eine Antwort, ein „Verstehst, Jurij? Nein? Dann muss ich dir erzählen.“ Dann holte Jurij eine Flasche, zwei kleine Gläser, sie hockten in seinem Atelier, rauchten Zigaretten, Jurij hatte sich längst ein Blatt gegriffen und einen Stift, und wenn sie nach Stunden auseinander gingen, blieb ein Mattes-Kopf zurück: rundes Gesicht, kleiner Mund, grauer Schnauzbart darüber, Nase breit und flach, Augen klein, rund und wasserblau, eng beieinander und beschirmt von weißgrauen Brauen.

Jetzt waren sie verengt zu zwei schmalen Schlitzen. Mattes stand breitbeinig auf der Rampe. Er trug keine Kopfbedeckung; sein halbkahler Schädel glänzte in der Nachmittagssonne. Der Dorfplatz war nicht menschenleer. Und von den drei Straßen, die zu ihm führten, näherten sich Gruppen von Menschen. Und ein paar Kinder jagten von Haus zu Haus, sie riefen: He, der Mattes! Auf der Milchrampe steht er, der Mattes!

Er stand lange schweigend und reglos. Die Menschen machten zögernd halt, starrten ihn an, manche lachten leise, manche schauten vorsichtig um sich, einige gingen hastig weiter, auf die Tür der Gaststätte zu, „Nowaks Schenke”, über der ein weißes Plakat mit roten Lettern forderte: Es lebe der 30. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik!

Als der erste von ihnen die Klinke berührte, öffnete Mattes den Mund, gleichzeitig riss er die Arme nach oben, so dass der Hund hochgezerrt wurde und zu bellen begann. Begleitet vom heiseren Hundegebell, begann Mattes seine dritte Rede auf der Milchrampe. Heert mir zu! verlangte er mit hoher Diskantstimme, die auch noch am Gaststätteneingang verstanden wurde, ihrr aalle seid verflucht und verdammt bis in die Ääwigkeit, wänn ihrr nicht in euch geht. Näähmt ihm den Orden ab! Är ist ein Määrder! Alle Steinauer sind Määrder! Määrder! Nur Jurij Senek nicht. Däär nich. Aber sonst aalle Steinauer sind Määrder!

Da bräuchten sie gar nicht so zu lachen und zu rufen! reagierte er auf Gelächter und Zurufe der Leute. Dass sie gestern in Berlin dem Schüttmann Siegfried die Medaille verliehen hätten, den Karl-Marx-Orden, das sei schändlich, Karl Marx werde sich im Grabe umdrehen, falls er das denn könne, weil Schüttmann ein Mörder sei, er habe den Igor erschossen, obwohl der sich an die Birke geklammert habe, mit beiden Armen.

Nich gewäährrt hat er sich, nich geraannt ist er, schrie Mattes, hab’s gesähn, mit diesen meinen Augen gesähn, wie er hat erschossen den Igor, meinen Igor.

Er schwieg abrupt, senkte den Kopf, zischte den Hund an, der sofort zu bellen aufhörte; die Leute lachten nicht mehr, sie schauten sich kopfschüttelnd an und gingen ihrer Wege, was heute hieß: Sie gingen alle den einen Weg, zur Festveranstaltung in den Saal von Nowaks Schenke.

[*] Kapitel

Komm runter, Mattes. Na los, gib mir die Hand.

Jurij? Hast mich gehört? War’s so gut? Wird’s was helfen?

Wird nichts helfen, Mattes. Komm jetzt. Wieso hast du „mein Igor” gesagt?

Is´ er nich viel älter gewesen als mein Ältester. Hab ihn lieb gehabt, als wär er gewesen mein Hermanko. – Jurij Senek unterließ weitere Fragen, die Antworten auf die meisten kannte er ohnehin längst. Mattes behutsam an der Schulter führend, ging er mit ihm vom Dorfplatz.

Wolltest auch dahin? fragte Mattes mit einer Kopfbewegung zurück.

Nnja, nein, hm, antwortete Jurij. Zeigte auf seine blaue Schürze. So hätt ich da nicht hingehn können, was? Steck mitten in der Arbeit. Jemand kam mich holen.

Mattes kicherte. Haben sie’s mit der Angst gekriegt? Haben sie zu dir jemand geschickt, damit er sagt: Genosse Senek, komm und bring wieder zu Verstand den Mattes?

Senek beschäftigte sich verlegen mit dem Öffnen der Hoftür, blickte den alten Mann nicht an, schob ihn in den Hof, sagte: Komm schon, trinken wir erst mal einen.

Doch Mattes ließ sich nicht ablenken: War es so, ja?

So ungefähr, sagte Jurij ergeben.

Ha! rief Mattes, aber sie haben nun gesäähn, dass du tust arbeiten, heite, grad heite! Ich, ich bin der Mattes. Ich kann räden und räden, sie tun nix, weil ich hab den Paragraphen. Den Persilschein, wie die Leite sagen. Aber was werden sie jetzt tun mit dir?

Jurij lachte kurz auf. Nichts, sagte er. Und fügte hinzu, als er Mattes’ ungläubiges Kopfschütteln bemerkte: Fast nichts. Bisschen diskutieren, kritisieren. Genosse Senek, wird Schüttmann sagen – oder der Paschke Jens oder der Kowatsch Ingo – du als Künstler solltest ein Beispiel geben, werden sie sagen, fast alle kommen zur Festveranstaltung, aber du nicht. Und da werd ich antworten, seht mal, Genossen, ich ehre die Republik und ihren 30. Jahrestag doch auch, wenn ich etwas Schönes aus dem Stein schlage. Oder aus dem Holz schnitze. Bin halt in Druck. Hab ‘n Auftrag. Na, Mattes, was sollen sie darauf noch sagen? Gar nichts werden sie sagen. Froh sein werden sie, wenn es niemand an höhere Stellen meldet. Damit sie da nicht „Mode” werden. Denn die höheren Stellen, Mattes, wenn du verstehst, was ich meine, die könnten Angst kriegen, dass hier auch so einer ist, so ein Künstler, der so aufsässig werden könnt’ wie diese Schriftsteller. Weißt du nichts davon? Na, auch gut, musst du nicht wissen. Mit denen haben sie jedenfalls genug zu tun. Da darf ich hier hinter den Wäldern, in diesem Nest Steinau, hier bei den Sorben, die ihnen eh nicht ganz geheuer sind, sogar ruhig mal rumschreien. Das stört keinen. Du glaubst nicht, dass ich auch mal rumschrei? Naja, nicht auf der Milchrampe. Das nun grad nicht. Aber so abends, bei Nowak in der Kneipe, da schon. Von diesem und jenem schrei ich da. Dass sie mich von der Welt abschneiden. Dass mein Trabant schon drei Monate auf dem Hof steht, weil’s irgendeine Eisenfeder nicht gibt. Neulich hat mich der Kowatsch Ingo beiseite genommen – du weißt, dass ihn alle „Mielke” nennen? Weißt auch, warum? Gut, – also, er hat mich beiseite genommen, hat gesagt: Jurij, wenn du noch öfter solche Reden führst, kann ich auch nichts mehr für dich tun. Ist sicher kein schlechter Kerl, der Kowatsch. Nicht grad sehr klug, naja. Und sie fragen ihn halt ab, die von der Firma. Ich wette, der sagt keinem was Schlechtes nach. Der Mensch hat seinen Mund zum Reden und zum Schweigen auch. Aber du mit deinem „Alle Steinauer sind Mörder”. Warum sagst du sowas, Mattes? Die heut so alt sind wie ich, waren damals Kinder. Was haben die getan? Und der Schüttmann, und der Nowak, und der Pacholke, und wer immer noch dabei war, damals, die waren doch auch noch halbe Kinder.

Sie waren nicht, beharrte Mattes, während er sich auf einen der Hocker setzte, die wie Melkschemel aussahen, den Hund neben sich zu Boden drückte, die Ellenbogen aufstützte und den Kopf in den Händen vergrub. So alt wie der Igor waren sie. Nicht viel jünger wär mein Hermanko gewesen. Weißt, Jurij, was das Schlimmste ist? Weißt nicht? Ich werd dir sagen. Auch ich bin ein Märder. Nicht mit Wollen und Willen, das nicht. Aber: Ohne mich tät mein Hermanko noch leben. Und auch der Kleine. Weißt, den meine Elska Horst genannt hat. Weil das jetzt üblich ist, so hat sie zu mir geredet, weil viele heute Horst heißen. Hab ich geschrien: Elska, bist du verdreht, kann doch das Kind nicht so rufen, kann keinen Hund so rufen. Wie sich das anhört. Wie ein Pfurz hört sich das an. Ging da aber nichts mehr nicht zu ändern. Hab ich eben Hottelko gesagt zu dem Jungen … So, nun weißt du. Den Hermanko und den Hottelko, beide hab ich gemordet. Verstehst, Jurij?

Nein, sagte Jurij Senek, versteh ich nicht, ist auch nicht wahr, Mattes, du verwechselst die Wörter, das ist es, jetzt trinken wir einen und hören endlich mit dem Deutschreden auf. Du verwechselst die Wörter“. Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters:

Erstmals 1992 erschien im Chemnitzer Verlag „Christbaum und Pyramide. Ein erzgebirgisches Weihnachtsbuch“ von Karl Sewart: Nirgendwo sonst in deutschen Landen wird das Weihnachtsfest mit so vielen historisch gewachsenen Bräuchen und volkskünstlerischen Zeugnissen begangen wie im Erzgebirge. Schwibbogen und Pyramide, Nussknacker und Räuchermann, Bergmann und Lichterengel – erzgebirgische Weihnachtsfiguren – sie sind heute weltweit bekannt und beliebt.

Karl Sewart erzählt in seinem Weihnachtsbuch aus ganz persönlichem Erleben, wie er erzgebirgische Weihnacht und ihr Brauchtum erfahren hat. In aufschlussreichen volkskundlichen Erörterungen geht er den Spuren dieser Bräuche nach. Ein Buch für alle, die sich für das „deutsche Weihnachtsland“ interessieren. Hier eine Vorbemerkung des Autors, die auch einen kritischen Unterton nicht verbirgt:

Christbaum und Pyramide – ein Vorwort

Christbaum und Pyramide – in besonders sinnfälliger Weise drücken sie erzgebirgisches Weihnachtsleben und Weihnachtserleben aus … Erinnert das immergrüne Kleid des Christbaums in der Zeit der Winterstarre an neues Grünen und Blühen in der Natur, so weisen seine brennenden Kerzen auf die Wiederkehr der Sonne wie des neuen Lichtes, das mit Christus in die Welt kam, hin. In der Pyramide bewegen sich im Schein und durch die Wärme desselben Lichts die heiligen Gestalten der Christgeburtsgeschichte und die Vertreter irdisch-heimatlicher Berufe und Stände um die gleiche Achse. Der Christbaum zeugt von der Naturverbundenheit, die Pyramide von der Arbeitsamkeit, dem Erfindergeist, der tätigen Fantasie, beide miteinander zeugen sie von der Lichtfreude und Schönheitssehnsucht und von der tiefen Gläubigkeit des erzgebirgischen Menschen. Im Christbaum verbinden uralte Fruchtbarkeitssymbolik, in der Pyramide menschliche Alltagswirklichkeit sich eng und innig mit christlichem Gefühls- und Gedankengut. Zeigt der Christbaum die Weltoffenheit des Erzgebirglers – sein Gebrauch als Lichtträger gelangte von weither in seine Heimat, so spricht die Pyramide von seiner Bodenständigkeit – immer wieder aufs Neue wird sie von ihm erfunden und erschaffen, um die Reise in die Welt anzutreten und überall von der erzgebirgischen Weihnacht zu künden.

Christbaum und Pyramide – wie selbstverständlich ordnen diesen erzgebirgischen Weihnachtssinnbildern sich all die anderen erzgebirgischen Weihnachtsschöpfungen zu und unter: Lichterbergmann und Lichterengel, Nussknacker und Räuchermännchen, Schwibbogen und Leuchterspinne, Weihnachtsberg und Paradiesgarten. Und tief in der europäischen Kulturgeschichte wurzelnde Überlieferung wie neueres eigenständiges bergmännisches und christliches Kulturgut sind auch in den zahlreichen Sitten und Gebräuchen, die im Erzgebirge geübt wurden und teilweise noch heute gepflegt werden, miteinander verwoben und wie in einem lebendigen Weihnachts- und Brauchtumsmuseum bewahrt geblieben.

Und der Erzgebirger selbst sollte sich, gerade in den gegenwärtigen Nöten und Schwierigkeiten, auf seine Herkunft, auf die hervorragenden kulturellen Leistungen seiner Vorfahren besinnen und daraus Mut und innere Kraft gewinnen. Seine Heimat liegt nicht nur im geografischen Sinne im Herzen Europas.

So richtet dieses Weihnachtsbüchlein, das aus jahrzehntelanger praktischer und theoretischer Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem erzgebirgischen Weihnachtsbrauchtum hervorging, sich sowohl an den erzgebirgischen als auch an den nichterzgebirgischen Leser.

Und es will, in einer Zeit verbreiteten flachen und überhasteten Konsumdenkens, diesen wie jenen aufmerksam machen auf Werte, ohne die aller äußere Wohlstand letztlich ein Armutszeugnis ist, ja zur Gefahr für den Bestand der Menschheit wird.

Drebach, im Sommer 1992

Karl Sewart“

Erstmals 2004 erschien im Thomas Helms Verlag Schwerin „Reisefieber – Fieberreisen“ von Ingrid Möller: In diesem Rückblick skizziert die Autorin ihr Leben unter dem Aspekt des Reisens unter DDR-Bedingungen. Was zunächst beneidenswert scheint – wie Aufenthalte in Mexiko und Japan – erweist sich als nicht frei von Tücken. Komisches steht neben Absurdem, Begeisterndes neben Schockierendem, etliches bewegt sich an der Grenze dessen, was damals legal war, und manches scharf am Rande des Abgrunds. Hier der Beginn dieses sehr persönlichen Erinnerungsbuches:

Erste zaghafte Blicke über den Tellerrand – Kindheit in Kriegs- und Nachkriegszeit

„… und auch mir steht der Sinnn inne
die weite, weite Welt!“

So ließen uns die Lehrer unbekümmert auf allen Wandertagen singen, obgleich uns „die Welt“ doch keineswegs offen stand. Wir sangen diesen so überzeugend einprägsamen Text aus vollem Herzensgrunde.

Seit frühester Kindheit war mir eingeprägt worden, dass Reisen zu den höchsten aller Glücksgefühle verhelfe. Und der Beweis folgte auf dem Fuße: jede Fahrt zu der Jagdhütte, die zwanzig Kilometer weit weg lag, war ein Ausbruch aus dem Alltäglichen, war Natur pur, war Ruhe, Freiheit, Ausgelassenheit, Idealzustand. Die Hütte lag auf einem Hügel voller Brombeer- und Ginsterbüsche mit Blick auf einen kleinen See, einsam, die umliegenden Dörfer nur mit dem Fernglas richtig erkennbar. Das Leben spielte sich in einer Art Urzustand ab. Für mein Empfinden jedenfalls. Und in meiner Erinnerung schien dort immer die Sonne. Es war eine rundherum heile Welt, auch, als längst Krieg war. Und ich höre meine Mutter sagen: „Warum bloß kann es nicht überall so friedlich sein! Hier kann man einfach nicht glauben, dass auf der gleichen Erde Menschen sich massenhaft auf Befehl gegenseitig umbringen!“ Folgerichtig wurden wir bald aus dem friedlichen Refugium verbannt. Nicht das Auto wurde beschlagnahmt, sondern „nur“ die Reifen, weil ja die Devise hieß: „Räder müssen rollen für den Sieg!“ Also gammelte der Hanomag aufgebockt in einer gemieteten Garage vor sich hin.

Ein unerhört aufregendes Ereignis war die Reise quer durch Mecklenburg zu Verwandten in Gnoien, als ich fünf war. Und das ganz ohne Erwachsene, nur mit meiner zehn Jahre älteren Schwester und meinem sieben Jahre älteren Bruder. Es ging gemächlich voran mit der Bimmelbahn, aber doch hastig genug, um meinem Bruder eine Beule einzubringen, als er beim Bremsen den Kopf aus dem Fenster steckte. In Gnoien war auch wieder alles anders als zu Hause.

Es gab dort eine Oma, die ständig im Bett liegen musste und alles, was sie brauchte, in erreichbarer Nähe um sich hatte. Denn – so schärfte sie mir ein – „Nichts, was man allein kann, darf man sich von anderen machen lassen!“ Das beeindruckte mich nachhaltig. Ich versuchte ihr Leiden zu lindern, indem ich Pflanzen für Tees suchte, wie ich es im Drogistenhaushalt gelernt hatte. Bald war sie zusätzlich noch mit Tüten getrockneter Kräuter umgeben. Sie wusste meine Bemühungen zwar zu schätzen, nur leider halfen sie nicht. Ich wuselte viel um sie herum, weil sie mir leid tat. Sie brachte mir bei, wie man sich die Nase richtig zu schnäuzen hat, immer nur ein Nasenloch zurzeit.

Dann gab es da einen Opa, alt, rundlich, mit wenig Haaren. Durch ihn lernte ich, wie ein richtiger Opa aussieht und dass es wohl wirklich unpassend war, den jungen Mann in unserer Drogerie so zu nennen. Ich beschloss, es nie wieder zu tun.

Eigentlich zu Besuch waren wir bei unserm Onkel, dem einzigen, den wir hatten. (Ein weiterer war als junger Dachs im Ersten Weltkrieg gefallen.) Dieser Onkel konnte umwerfend lachen und schien ständig bester Laune zu sein. Laut schmatzend küsste er uns auf die Stirn. Seine Frau war so, wie man sich Wilhelm Buschs Fromme Helene im wirklichen Leben vorstellt: dünn, fast gewichtslos, mit schwebenden Bewegungen, sanft, freundlich lächelnd, und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Auch dann nicht, wenn nach dem Toben mit den Hunden mein Kleid voller Modderpampe war.

Im Haus lebten außerdem noch drei Kinder. Unser Cousin war einige Jahre älter als ich. Er bastelte mir Pappbrillen mit Zellophanpapier und warnte mich, die zweifelhaften Sachen zu essen, die seine kleinen Schwestern auf ihrem Puppenherd zusammenrührten. Auch sollte ich nicht so albern sein, ihre Verkleidungsspiele mitzumachen. Trotzdem hielt er mich nicht völlig von ihnen fern. Einmal sah die jüngere, wie ein Hund sein großes Geschäft erledigte und rief entsetzt: „Mensch, der wischt sich ja gar nicht ab!“

Das Haus war klein und schmal, mit steiler Treppe, einem Vorgarten mit niedrigen Buchsbaumeinfassungen um Fliegende Herzen, Hortensien und der damals verbreiteten Art einer kamillenähnlichen Pflanze. Vor dem Haus standen Bank, Tisch und Gartenstühle. Dort wurden wir „junges Gemüse“ zu einem Erinnerungsfoto versammelt. Besonders interessant fand ich, dass man durch den Flur in ein überdachtes Warenlager voll Olfässer und gleich dahinter in einen schmalen Garten kam mit Gemüsebeeten, Hühnern und Kaninchenställen.

Im Ort wohnten noch mehr Verwandte. Sie hatten einen Textilladen. In ihm gab es eine Falltür zum Keller. Prompt purzelte ich hinein. So plötzlich, dass zum Erschrecken keine Zeit war.

Mit viel Freiheit hatte auch diese Reise zu tun. Wir durften fast alles. Mein Bruder durfte sogar gegen das Essen opponieren, indem er die Erbsen als „zu süß“ befand und einfach nicht aß. So was war mir neu. Ohne Zögern schloss ich mich seiner Oppositionshaltung an. Und kam auch damit durch. (Leider, denn ich mochte Zuckererbsen gern.)

Voll neuer Eindrücke und innerlich gereift, kehrten wir heim. Meine Mutter holte uns vom Bahnhof ab. Das Wichtigste, was ich ihr sofort mitzuteilen hatte, war Omas Spruch: „Was man allein kann, darf man sich nicht von anderen machen lassen.“ Meine Mutter musterte mich gründlich von Kopf bis Fuß und sagte dann pikiert: „Ja – und ganz genauso siehst du auch aus!“

Das Experiment, die Kinder allein reisen zu lassen, wurde nicht wiederholt.

Erst als ich das würdige Alter einer Halbwüchsigen erreicht hatte, durfte ich wieder nach Gnoien. Und dort gab es viele Fahrradausflüge. Ich sehe noch meinen Onkel vorneweg fahren, einen Rucksack auf dem Rücken und aus dem Rucksack guckte ein junger Dackel. Mein Onkel handelte mit „Landbedarf“, und dazu gehörten offenbar auch Hunde. Der Boden dort war ganz anders als bei uns. Nach dem Regen war er rutschig wie Schmierseife. Als meine Schuhe einsackten, muss ich wohl sehr hilflos dreingesehen haben, denn mein Onkel brach wieder in sein unwiderstehliches Gelächter aus. „Ja, mien Deern, Lehm kennste wohl noch nicht!“ Die Gegend war auch nicht so eben wie bei uns. Einmal riss mir die Fahrradkette auf der Kuppe eines Hügels. Ich kam mächtig in Fahrt und flog – unten angekommen – über die Lenkstange.

Ein weiteres Reiseziel – sechzig Kilometer entfernt – war gut per Bahn zu erreichen: die Landeshauptstadt Schwerin. Und sie bot vieles. Da gab es viel, viel Wasser, ein Märchenschloss, große Häuser, ein prächtiges Theater, ein großes Museum. Unverständlich blieb mir nur, dass die Erwachsenen jedes Mal so viel Zeit in Cafés vergeudeten.“

Erstmals 2017 veröffentlichte EDITION digital als Eigenproduktion „Die Zeitreisende, 16. Teil. Das geheime Haus des goldenen Itzamná. Ein fantastischer Roman“ von  Hardy Manthey. Um den Leser auf den aktuellen Stand der Entwicklung zu bringen, stellt der Autor seinem Buch eine aufschlussreiche Erläuterung voran:

Prolog

Im Teil 15 wagte die Zeitreisende Aphrodite in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts den Flug durch die Zeit mit Hilfe einer fremden Zeitmaschine. Mit ungewissem Ausgang. Der Flug durch das Zeitloch mit dem Militärflugzeug Typ Lockheed C-130A endete mit einer Katastrophe. Das schwer beschädigte Flugzeug stürzte in den Wäldern Alaskas ab. Den Absturz überlebten alle vier Besatzungsmitglieder, vielleicht nur dank der geheimen Kräfte der Zeitreisenden. Es war die letzte Hilfe, die die Herren der Zeit ihr mitgeben konnten. Erst sehr viel später erfahren die Überlebenden, dass sie im Jahr 833 nach Christus in Alaska gelandet sind. Mit der Zerstörung der Zeitmaschine, Aphrodites eigentlicher Auftrag, war für sie jeder Weg zurück in die Zukunft unmöglich geworden. Doch nur mit der kontrollierten Zerstörung der Zeitmaschine konnte die Entstehung eines Schwarzen Loches verhindert werden. Das Schwarze Loch hätte die Erde und das ganze Sonnensystem für immer geschluckt. Dafür musste sie einen hohen Preis zahlen.

Aphrodite hat nur eine einzige Hoffnung, sie muss eine Nachricht über die Zeit hinweg an die Herren der Zeit hinterlassen. Eine Botschaft, so verständlich, dass die die Herren der Zeit sie finden könnten. Nur wenn sie vor ihrem Tod von ihnen gefunden wird, kann sie als Zeitreisende weiterleben. Sie weiß, dass im Süden das Reich der Maya langsam untergeht, aber im 9. Jahrhundert existiert es noch und schafft monumentale Bauten. Obwohl der Niedergang der Hochkultur der Maya nicht mehr aufzuhalten ist, erkennt sie vielleicht aus eigenem Erleben einige Ursachen klarer und kann Theorien der Wissenschaftler der Zukunft ganz zu Fall bringen. Wichtig ist für sie nur, dass ihre gewaltigen Tempel aus Stein die Zeiten überdauert haben. Das können ihr die nordamerikanischen Nomadenvölker mit ihrer einfachen Art zu leben leider nicht bieten. Ihre imposanten Erdhügel und Totempfähle eignen sich leider nicht für Botschaften, die weit über das zwanzigste Jahrhundert hinaus die Menschen erreichen sollen. So hat sie sich schweren Herzens von ihren neuen Freunden trennen müssen und den gefahrvollen Weg in den Süden gewagt. Dort im mittelamerikanischen Kulturraum angekommen, muss ihr Wissen und Können auch die mächtigen Priester der Tolteken überzeugt haben. Denn wie wir aus Teil 15 bereits wissen, gelang ihr es tatsächlich, in einem Tempel im antiken Ixtlan eine Nachricht zu hinterlassen. Wird mit Hilfe der Studenten die Nachricht die Herren der Zeit erreichen? Wird sie rechtzeitig von den Herren der Zeit gefunden? Erfahren Sie hier, was wirklich geschah!

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht ihnen

Hardy Manthey

Mexiko City 1973, vor der Nationalen Autonomen Universität

Jacob Urueta winkt seiner Freundin Isabella Arriaga lächelnd zu. Sie kommt auf der breiten Treppe, die den Platz in seiner ganzen Länge einnimmt, direkt auf ihn zu. Er geht ihr mit großen Schritten entgegen, umarmt sie und grüßt sie mit einem Kuss auf ihre Wange: „Hallo Isabella, wie geht es dir? Um es dir gleich zu beichten, ich war nicht bei den Leuten von der Presse. Wir müssen alles noch einmal überdenken. So wie die Dinge zurzeit stehen, wage ich es nicht, unsere Entdeckung an die Presse weiterzugeben. Das Flugzeug von Seattle nach Alaska am 20. Dezember 1964 scheint es nie gegeben zu haben. Die Amerikaner mauern offensichtlich. Der Absturz in Alaska im Jahr 833 ist also völlig aus der Luft gegriffen. Die Standortangaben gibt es erst seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts. So wird die Geschichte dieser angeblichen Aphrodite zum Absurdum!“

„Feigling, ich denke, es ist alles klar und duldet keinen weiteren Aufschub. Diese unbekannte Frau, diese Zeitreisende, braucht doch unsere Hilfe“, klagt Isabella sichtlich enttäuscht. Ein zartes Band verbindet sie mit der Zeitreisenden. Diese Frau ist so, wie sie gern sein wollte.

Jacob nimmt sie an der Hand und gemeinsam gehen sie über den Platz. Er warnt sie eindringlich: „Wir können nicht übereilt handeln. Das alles kann für uns ein Fiasko werden. Unser Studium, ach was, unsere ganze Zukunft würden wir damit gefährden oder gar ganz aufgeben müssen. Der mysteriösen Frau würde es dann erst recht nicht weiterhelfen. Wir brauchen mehr Beweise, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen!“

„Du willst also kneifen“, empört sich Isabella, von ihm schwer enttäuscht. „Männer sind eben doch Feiglinge!“

Nervös widerspricht er ihr leise mit zärtlichem Unterton: „Das ist nicht so, wie du es glaubst, Schatz. Ganz und gar nicht ist es so. Hast du dir die feinen Linien auf den Platten einmal genauer angesehen?“

Isabella schaut zu ihm auf und fragt: „Was soll der Quatsch denn jetzt schon wieder bedeuten? Du willst dich nur mit neuen fiktiven Ideen rechtfertigen.“

„Das solltest du aber unbedingt tun, bevor du der Presse die Story verkaufst“, warnt er sie und erklärt überlegen wissend weiter: „Ich habe mir alles noch einmal ganz genau angeschaut. Die Linien sind in dem harten Stein so tief und sauber eingeschnitten, als hätte jemand mit der Nadel in Butter die Linien gezogen. So etwas ist mit viel technischem Aufwand erst seit den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts so sauber möglich. Ich fürchte ernsthaft, dass diese feinen Linien erst nach der Bergung der Platten von ihren Entdeckern nachträglich eingearbeitet wurden. Mit etwas Aufwand wäre es eine zusätzliche Aufwertung der Funde, auch wenn ich den Sinn der Geschichte immer noch nicht wirklich begreifen kann. Wenn die Botschaft doch echt ist, wissen wir beide immer noch nicht, ob tatsächlich ein Flugzeug 1964 in Alaska abgestürzt ist. Du hast doch bisher keinen einzigen Hinweis auf so ein Unglück in den Nachrichten der Zeitungen aus dieser Zeit gefunden. Selbst wenn wir etwas Passendes zu so einem Unglück in der Presse finden sollten, hat es nicht das Geringste zu bedeuten. Die Platten liegen seit Jahrzehnten unbeachtet hier. Wahrscheinlich erst lange nach dem Unglück hat sich ein Mann in der Absicht, die Fachwelt zu täuschen, die Mühe gemacht, die Platten so nach seinem Willen zu verändern. Der Betrüger hat dabei nicht bedacht, dass die Platten aus völlig verschiedenen Orten stammen. Irgendetwas muss den Mann vor Jahrzehnten dann doch daran gehindert haben, die so aufgewerteten Platten gewinnbringend zu veräußern. Veröffentlichen wir die mysteriöse Botschaft doch, sind wir es, die dann diesem Betrüger auf den Leim gegangen sind. Wir werden der ganzen Welt der Lächerlichkeit preisgegeben, wenn wir am Ende doch den Schritt der Veröffentlichung wagen!“

Isabella bleibt stehen, hält Jacob fest und widerspricht: „Mein Bauchgefühl als Frau sagt mir, die Botschaft ist echt. Allerdings sind deine Argumente auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Es ist eine Option, die wir nicht ignorieren dürfen. Was ist aber, wenn die Botschaft doch echt ist? Wenn doch im neunten Jahrhundert die Frau mit dem Wissen aus der Zukunft die Botschaft auftragen ließ? Mit dem Wissen aus der Zeit um 1964 war man durchaus in der Lage, so eine Botschaft in so feinen Linien in den Stein zu meißeln. Für mich ist etwas anderes noch viel, viel brisanter. Ist die Botschaft doch echt, muss die Frau eine Zeitreisende sein. Verstehst du, die Frau kann durch die Zeit reisen. Ihr fehlen offensichtlich nur die nötigen technischen Hilfsmittel, ihre Reise durch die Jahrhunderte fortzusetzen. Die Botschaft ist definitiv nur an jemand gerichtet, der selbst ein Zeitreisender ist und sie von dort holen kann. Erfährt er, wo sie lebte, wird er sie von dort auch holen. Es kann nicht anders sein, ihr Retter muss auch durch die Zeit reisen können. Begreif endlich die Bedeutung der Botschaft, Jacob! Wir rufen mit ihr nach einer Zeitreisenden und stellen zugleich den Kontakt zwischen zwei Zeitreisenden her. Nur wir können sagen, wo und in welcher Zeit die Zeitreisende gestrandet ist.“

„Dann soll doch der Zeitreisende die Botschaft selbst lesen und sie von dort holen. Was haben wir damit zu tun?“, widerspricht ihr Jacob und steuert auf eine freie Bank zu.

Zusammen nehmen sie beide auf der freien Bank Platz und schauen eine Zeit lang dem Treiben der vielen Menschen vor ihnen zu. Auch Isabella sind jetzt die Risiken einer Veröffentlichung der Botschaft voll bewusst geworden und sie denkt laut weiter: „Wir beide sind mit der Botschaft der unbekannten Frau völlig überfordert. Auch wissen wir nicht wirklich, wo genau die Frau gelebt hat. Das Ereignis könnte tatsächlich 833 geschehen sein. Ixtlan ist als Ort auch eine gewagte Ortsangabe. Wir müssen uns erst durch eine Expertise die Echtheit der Botschaft bestätigen lassen und die tatsächlichen Fundorte kennen. Erst dann können wir die Botschaft vielleicht doch noch veröffentlichen. Anders geht es tatsächlich nicht. Wir brauchen definitiv Hilfe. Hilfe von Experten!“

„Dann könnte als Experte dieser exzentrische Erich von Däniken zu uns perfekt passen,“ spottet Jacob und lacht laut auf. Vorübergehende schauen ihn erstaunt an.“

Erstmals 1979 veröffentlichte Renate Krüger im damaligen VEB Deutscher Verlag für Musik Leipzig ihren spannenden, sehr gut recherchierten Roman „Wolfgang Amadés Erben“, dessen Text für die Neuherausgabe geringfügig überarbeitet wurde: Wenn auch Mozart mit Einsetzen der Handlung nicht mehr am Leben ist, so ist er doch durch seine Leistungen als Wunderkind, Virtuose und Komponist in den Erinnerungen seiner Familie und seiner Freunde als geistiges Zentrum dauerhaft präsent. Die Erben: das ist seine Frau Constanze, der er zwei Söhne und ein zunächst wertloses „Papiererbe“ hinterlässt und die nun versuchen muss, ihrem Leben einen neuen Inhalt zu geben. Die beiden Söhne Karl und Wolfgang sind durch Namen und künstlerische Hinterlassenschaft des Vaters vorbelastet und müssen sich damit auseinandersetzen. Karl verzichtet auf den Künstlerberuf und somit auf Erfolg und Ehre und findet seinen Frieden in der unbeachteten Anonymität eines kleinen Beamten, Wolfgang aber zerbricht an der Belastung.

Wenige Jahre nach Mozarts Tod melden weitere Erben ihre Ansprüche an: Verleger, Sammler, Kunstfreunde, Biografen, wenig später auch das geschäftstüchtige Bürgertum des biedermeierlichen Salzburg und Wien, das sich des großen Sohnes erinnert und mit seinem Namen und Andenken eine nachhaltige Konjunktur anzukurbeln versteht. Den Freunden Mozarts und seiner Kunst bleibt es vorbehalten, seine Biografie und sein verstreutes Werk zusammenzutragen, zu sammeln, zu ordnen und vor der Mitwelt auszubreiten. Einer dieser ernsthaften Erbepfleger ist Ludwig von Köchel, pensionierter erzherzoglicher Erzieher, auf der Suche nach einer Lebensaufgabe. Dieser liberale Humanist erarbeitet mit der Hilfe von gleichgesinnten Freunden und seines einstigen Pfleglings und jetzigen Sekretärs, des rebellischen Alois Hegereiter, in über zehnjähriger fleißiger Forschertätigkeit ein Verzeichnis der Werke Mozarts. Hier der Anfang dieses spannenden Romans:

„I: Opus postumum

1

Auch im Jahre 1792 gibt sich Wien als eine lächelnde Stadt. Manche sprechen lieber von einem höhnischen Grinsen oder gar von seelenlosen Lachmasken. Wien lächelt aus den zurechtgestutzten Gärten und den verschnörkelten Fenstern der Schlösser, Kirchen und Paläste, und da ist es leicht, eine gute Miene zu machen. Es lächelt aber auch aus den dunklen Stiegenhäusern und den hölzernen Hinterhofgalerien, jedenfalls dann, wenn sich einmal ein Fremder hierher verirrt, es lächelt bei Unschlittkerzen und Mondschein, jedenfalls glauben die Fremden das; und niemand korrigiert sie. Wien wahrt sein Gesicht.

Wien lächelt in seinen Salons und vornehmen Zirkeln. Wohl dem, der Zutritt in einen geselligen Salon hat, der zu einem erlesenen Zirkel gehört, zur Gesellschaft des Ignaz von Born und des Nikolaus von Jacquin etwa, die sich die Förderung der Wissenschaft angelegen sein lassen und in die man Wissenskapital als Mitgift einbringen muss. Oder zum lockeren Kreis Castellis, in den nur Humorvolle und Witzige zugelassen sind, solche, die auch unfeine Witze hören, ertragen und erzählen können. Oder zum Zirkel der Frau von Greiner, der Mutter der später berühmten Karoline Pichler, der die Geselligkeit selbst zum Hauptzweck hat und sie nach allen Regeln der Kunst pflegt, damit sich ja niemand einsam und verlassen fühlen muss. Und wenn schon, dann sollte er es nicht zeigen. Und die anderen, die Mühseligen und Beladenen, sollten die lächelnde Öffentlichkeit tunlichst meiden.

Wien lächelt. Es hat nach dem Tode der Kaiserin Maria Theresia nur kurze Zeit ein Trauergewand getragen und nach dem Tod ihres Sohnes und Nachfolgers, Josephs II., nur für wenige Tage, höchstens für eine Woche, sein Lächeln unterbrochen. Eine finstere Miene wäre eher angebracht gewesen, denn nach dem Tode dieses Kaisers kam es ziemlich arg. Wien lächelt aber, es muss sich ja beizeiten daran gewöhnen, die Lage als hoffnungslos, aber nicht ernst anzusehen. Denn der Ernst verlangt so unangenehme Konsequenzen.

Dem bitteren Ernst hat Wien auch eine feste Institution geschaffen, die Gruft des Allerhöchsten Kaiserhauses unter der Kapuzinerkirche. Hier kann der Besucher von Kaisersarg zu Kaisersarg schreiten. Prunkvollste Totengehäuse, meisterhaft gearbeitete Sarkophage, kleine Särge, die an die Stelle von Kinderbetten treten mussten. Alle geschmückt mit den Symbolen der Macht und des Todes. Der Besucher kann sich ernsten Gedanken hingeben, wenn ihm danach zumute ist; er kann auch lächeln, wenn ihm das Leben so erträglicher erscheint. Braucht er nach dem Durchschreiten der Kapuzinergruft eine Stärkung seines Bewusstseins von Macht und Ordnung und Dauer, sollte er um Eingang in die Kaiserliche und Königliche Schatzkammer nachsuchen und die Reichskleinodien betrachten, die bei allen Irr- und Wirrwegen Beständigkeit und Bleibendes garantieren, und wer könnte beim Anblick von so viel Gold und Silber, von so vielen Perlen und Edelsteinen, gestickten Gewändern und geschnitztem Elfenbein, von so vielen Jahrhunderten und so großer Machterinnerung nicht lächeln? Die Krone, der Mittelpunkt des Reiches. Das Reichsschwert, unter das sich viele Völker beugen. Die heilige Lanze, die die Seite Christi am Kreuz öffnete und den Bewohnern der Donaumonarchie den Eintritt in himmlische Bereiche sichert. Die Krönungsgewänder der Kaiser, der toten Kaiser. Mit großem Aufwand trug man sie in den Stephansdom und dann in die Kapuzinergruft zur ewigen Bewahrung.

Vom Tod Wolfgang Amadé Mozarts hat Wien kaum Notiz genommen. Mozart war nicht Mittelpunkt der Salons und der geselligen Zirkel. Manchmal hatte er als bewunderungswürdige Zugabe am Rande gestanden, und so wurde auch nur am Rande von seinem Sterben erzählt. Sein Grab wurde nicht zur festen Institution. Aber durch ihn wurde Wiens krankes Lächeln geheilt.

2

Einige Monate nach jenem grauen Dezembertag, an dem Wolfgang Amadé zu Grabe getragen wurde, ist Constanze Mozart fähig, die Hemden und Anzüge aufzuräumen, die Halstücher und Strümpfe, die Westen und Haarbeutel. Diese Sachen sind nicht viel wert, nur auf 55 Gulden geschätzt; Constanze würde freilich gar kein Geld mehr herausschlagen können. Vielleicht fände sie jemanden, etwa eine mütterliche Nachbarin, die aus Wolfgangs Anzügen Höschen und Jäckchen für den Karl schneidern könnte, wenigstens für den Karl. Der Kleine, Franz Xaver Wolfgang, Wowi genannt, ist noch kein Jahr alt und vorläufig mit Kleidchen versorgt; er kann ja in die Kleider des Bruders hineinwachsen.

Wann wird sie wieder Geld haben, um neue Sachen kaufen zu können? Täglich wird alles teurer. Eine Witwe mit zwei kleinen Kindern und ohne Vermögen kann da nicht mithalten. Alle anderen Kinder werden wärmer und hübscher gekleidet gehen als ihre beiden Buben. Bei fremden Leuten werden sie sich durchschlagen müssen, frühzeitig lernen, ihre Füße unter fremde Tische zu strecken. Das ist nun einmal so bei Musikantenwaisen. In der großen Welt sind die geistigen Kinder der Künstler beliebter und angenehmer, die kraftvollen Erfindungen, die Schönheit der Melodien, dargeboten mit höchster Geschmeidigkeit und Beweglichkeit der Finger. Wer fragt nach den leiblichen Kindern und ihrem Wohlergehen? Und vor allem wer fragt nach ihr, der Witwe?

Die Kinder werden ihren Weg schon finden. Kinder haben es leichter. Sie sind klein und niedlich. Schnell erobern sie alle Herzen. Den achtjährigen Karl wollen die Prager Freunde aufnehmen. Sie werden ihn mit allem versorgen, was er zum Leben braucht, mit Essen, Trinken, Kleidung, Lehrern und vor allem mit Musik. Und vielleicht wird man später auch den Kleinen liebevoll in der goldenen klingenden Stadt an der Moldau aufnehmen. Sie müsste nur vorsichtig genug anfragen. Der Name Mozart gilt ja in Prag mehr als in Wien.“

Und damit sind wir am Ende des ersten Newsletters des neuen Jahres angelangt und hoffen gemeinsam, dass 2023 ein glückliches und wieder recht normales, aber vor allem ein gesundes und friedliches neues Jahr werden möge. Haben Sie auch in diesem Jahr viel Lese-Vergnügen und bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.

Ach, um noch einmal kurz auf Mozart und Prag zurückzukommen, welches er als seine Lieblingsstadt empfand. Musikalischer Ausdruck dieser besonderen Beziehung war, dass er die Uraufführung seiner Oper „Don Giovanni“ am 29. Oktober 1787 im damaligen Nationaltheater den Prager Bürgern widmete. Im berühmten Köchelverzeichnis trägt dieses musikalische Meisterwerk übrigens die Nummer 527. Zwei Nummern davor unter KV 525 findet sich Mozarts berühmte „Kleine Nachtmusik“.

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