Personalumfrage: Bus‐ und Bahn‐Unternehmen registrieren höheres Interesse und stellen im großen Stil ein
„Das Thema Personal wird – neben dem finanziellen Rahmen, den Bund und Länder setzen – darüber entscheiden, ob wir die Klimaschutzziele im Verkehrssektor bis 2030 erreichen können. Jedes zweite Unternehmen in Deutschland gibt an, 2022 aus personellen Gründen den Betrieb zumindest zeitweilig eingeschränkt zu haben. Wir sind derzeit in einer dynamischen Phase mit enormen Bedarfszahlen, aber auch mit ermunternden Entwicklungen bei den Neueinstellungen und Bewerbungen. Klar ist, dass wir den Generationenwechsel in der Branche aktiv gestalten wollen und auch müssen.“
Der Branchenverband empfiehlt kurz‐ und mittelfristige Maßnahmen gegen den Personalmangel, mit dem Ziel eines qualitativ hochwertigen ÖPNV. Die Branche wird jährlich bis zu 6.000 Fahrerinnen und Fahrer im Öffentlichen Personennahverkehr gewinnen müssen, um das altersbedingte Ausscheiden von Bus‐ und Bahnfahrpersonal kompensieren zu können. „Angesichts der demografischen Entwicklung und deren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt wächst die Herausforderung, Personal zu gewinnen. Es ist indes keine Option, die Personalqualität abzusenken, mit der Folge, dass die Kommunikation mit den Fahrgästen oder der Leitstelle oder die Fahrgast‐ und Verkehrssicherheit darunter leiden. Das würde auch zu Lasten der Angebotsqualität für die Fahrgäste führen.“ Der VDV empfiehlt folgende kurzfristige Maßnahmen:
- Nutzen der gebündelten Branchenangebote der VDV‐Arbeitgeberinitiative
- Ruheständler: Gezielte Ansprache von Fahrerinnen und Fahrern im Ruhestand, um sie weiterhin mit attraktiven Angeboten für einige Zeit an den Fahrdienst binden zu können.
- Studierende: Rekrutierung von Studierenden vornehmlich für die Tram, Abdeckung von täglichen Beförderungsspitzen und Wochenenden.
- Führerscheine: Flexibilisieren von gesetzlich geregelten Pflichtstunden bei der Führerscheinausbildung Klasse D, so dass die künftigen Busfahrer und Busfahrerinnen frühzeitiger die Prüfung ablegen können, sobald ihre theoretischen und praktischen Fähigkeiten es erlauben.
- Mindestalter: Senken des Mindestalters für Busfahrerinnen und Busfahrer von 24 auf 21 Jahre, um unabhängig von den Linienlängen in der gewerblichen Personenbeförderung in Deutschland tätig sein zu können.
- Aktives Schaffen von Teilzeitangeboten: Attraktivitätssteigerung der Tätigkeiten im Fahrbetrieb durch Teilzeitangebote. Erfahrungen zeigen, dass Engpassberufe mit Teilzeitoptionen an Attraktivität gewinnen.
„Die Branche ist gefordert, alles zu tun, um neue und alte Zielgruppen anzusprechen und deren Bedürfnisse mit passenderen Angeboten zu begegnen. Die Branche muss ihre Hausaufgaben machen. Auch im politischen Raum muss ein sachorientiertes Umdenken stattfinden“, so VDV‐Präsident Wortmann.
Ausbildungs‐Investitionen, Fachkräfteeinwanderung, Digitalisierung Das VDV‐ Positionspapier setzt darüber hinaus auf mittelfristig wirksame Maßnahmen, etwa auf verstärkte Investitionen in die Berufsausbildung der Fahrberufe Fachkraft im Fahrbetrieb, Berufskraftfahrer und Eisenbahner im Betriebsdienst. Gerade die duale Berufsausbildung sei ein entscheidendes Rekrutierungsfeld. Darüber hinaus wird empfohlen, die Digitalisierung und Automatisierung in der Branche voranzutreiben. Damit zusammenhängend sind die Rahmenbedingungen von Arbeit und Beschäftigung gestaltungsorientiert anzupassen sowie die berufliche Weiterbildung verstärkt auf die neuen Anforderungen auszurichten. Außerdem möchte der Branchenverband mit dem Gesetzgeber ins Gespräch kommen, damit im Bussektor ausländische Führerscheine zügiger anerkannt werden können. Wortmann: „Doch die Regelungen müssen sicherstellen, dass die geforderten fachlichen Kompetenzen und die Fahrgastsicherheit sowie die notwendige Sprachkompetenz gewährleistet sind. Die Branche sollte grundsätzlich die neuen Chancen nutzen, die das novellierte Fachkräfteeinwanderungsgesetzes bieten wird. Für das Gewinnen und Integrieren von Fahrpersonal sollen die vorhandenen bürokratischen und fachlichen Hürden abgebaut werden.“ Der VDV begrüßt die beabsichtigte stärkere Orientierung der Einwanderung an die Bedarfe der Unternehmen. Eine vereinfachte Anerkennung von Qualifikationen, die Öffnung der BlueCard für beruflich Qualifizierte, die „Chancenkarte“ und eine Beschleunigung der Anerkennungsverfahren werden die Gewinnung von Erwerbsmigrantinnen und –Migranten auch für unsere Branche erleichtern.
Umfrage: 82 Prozent der Unternehmen stellten 2022 mehr ein als im Vorjahr Wie hoch der Personalbedarf tatsächlich ist und welche Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten sind, geht aus der laufenden VDV‐Branchenumfrage mit insgesamt 104 teilnehmenden Unternehmen hervor, die in Bezug auf den Personalbedarf und die Bewerberzahlen bereits vorliegt. „Die Zahlen zeigen eine Branche, die aktiv auf dem Arbeitsmarkt unterwegs ist – und im großen Stil einstellt: Insgesamt haben 82 Prozent der Verkehrsunternehmen bei Bus und Bahn 2022 mehr eingestellt als noch 2021 – obschon bereits im Vorjahr die Zahlen zugelegt hatten. 40 Prozent der Unternehmen nehmen mittlerweile ein gesteigertes Interesse an der Arbeit in der Branche wahr, jedes zweite registriert eine gleichbleibende oder höhere Zahl an Bewerbungen“, so VDV‐Präsident Ingo Wortmann. Gemäß VDV‐Branchenumfrage haben 35 Prozent der Unternehmen 2021 bis fünf Prozent mehr Personal als im Vorjahr eingestellt – 28 Prozent bis zehn Prozent, 19 Prozent der Befragten bis 15 Prozent oder darüber hinaus.
Attraktives Bild für Berufsanfänger und Quereinsteiger
„Für die Bewerberinnen und Bewerber ergibt sich ein attraktives Bild mit Blick auf die Auswahl von Einstiegsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen: Vom Fahrpersonal, über Kaufleute bis hin zu den technischen und organisatorischen Spezialisten aller Couleur. Freilich suchen wir für den klassischen Fahrdienst am stärksten, immerhin sind dort derzeit fast 100.000 Leute beschäftigt“, so Wortmann. 45 Prozent der Unternehmen gaben an, dass die Besetzung von Fahrdienst‐Positionen aktuell die größte Herausforderung ist, gefolgt von gewerblich‐technischen (17 Prozent) und Ingenieurs‐Positionen (zwölf Prozent). Danach folgen Positionen im kaufmännischen Bereich (neun Prozent) sowie Ausbildungsstellen und IT‐Positionen (je sieben Prozent). In der Perspektive bis 2030 schätzen die Unternehmen gegenwärtig den Personalbedarf unter anderem beim Fahrpersonal (76 Prozent) sowie bei Auszubildenden und Dual Studierenden (48 Prozent) als höher ein. „Wir sind nicht allein auf dem Markt und stehen in starker Konkurrenz beispielsweise mit der Logistik‐ und Plattformbranche. Gleichzeitig müssen wir mit der Bildungspolitik ins Gespräch kommen, wenn die Umfrage zu dem Ergebnis kommt, dass 76 Prozent sagen, dass sich die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber verschlechtert oder sogar stark verschlechtert hat“, so Wortmann abschließend.
- Die vollständigen Ergebnisse der VDV‐Personalumfrage 2023 mit weiteren Schwerpunkten werden zur VDV‐Fachkräftekonferenz (28. Februar bis 1. März) veröffentlicht. Alle Zahlen gerundet, Stichtag 19. Januar 2023.
- Das VDV‐Positionspapier zum Fahrpersonalbedarf: vdv.de/positionen.
- Verkehrsunternehmen und ‐verbünde unterstützen sich gegenseitig über die VDV‐Arbeitgeberinitiative. Auf dem dortigen Stellenmarkt sind gegenwärtig mehr als 10.000 Stellen offen: in‐dir‐steckt‐zukunft.de.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ist der Branchenverband des Öffentlichen Personen‐ und Schienengüterverkehrs. Seine über 600 Mitgliedsunternehmen befördern täglich mehr als 30 Millionen Menschen in Bussen und Bahnen und transportieren jährlich über 640 Millionen Tonnen Güter auf der Schiene. So sorgen der VDV und seine Mitglieder für mehr klimaschonende Mobilität von Menschen und Gütern bei weniger Verkehr!
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