Traditioneller Neujahrsempfang am 14. Januar 2023 im „Hotel Excelsior“, Köln
Er freute sich besonders, den diesjährigen Festredner anzukündigen: Prof. Dr. h.c. mult. Clauß Kreß LL.M. (Cambridge), Professor an der Universität zu Köln, Inhaber des Lehrstuhls für deutsches und internationales Strafrecht und Direktor des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität zu Köln, seit 2012 zudem Direktor des dort neu gegründeten Institute for International Peace and Security Law. Seit 2019 ist er weiterhin Ad-hoc-Richter am Internationalen Gerichtshof in dem Verfahren The Gambia v. Myanmar.
Die Neujahrsansprache des Präsidenten: StB/WP Dipl.-Kfm. Gero Hagemeister, Präsident des Steuerberater-Verbandes Köln und Regional Managing Partner RHEINLAND der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft „Nach zwei Jahren der Enthaltsamkeit“, in denen pandemiebedingt kein Neujahrsempfang stattfinden konnte, holte Gero Hagemeister zu „Rückbesinnung und Vorausschau“ aus: „Schwerwiegende geopolitische, wirtschaftliche, ökologische und gesellschaftliche Probleme sind im letzten Jahr hinzugekommen“, stellte er fest. „Der alles überlagernde Krieg in der Ukraine, der der Bevölkerung unermessliches Leid beschert, überstrahlt alles. Es bleibt zu hoffen, dass diese grausame Aggression schnellstens und nachhaltig beendet wird. Auch wir sind dabei aufgefordert, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um Frieden, Sicherheit und Stabilität in Europa wieder herzustellen!“
In seiner Stellungnahme zu der aktuellen Situation des Berufsstandes kritisierte der Präsident den Umgang der Politik mit den aktuellen steuerpolitischen Herausforderungen: „Entlastungspakete jeglicher Art, die Umsetzung europäischer Regulierungsvorhaben, der Zustand unseres ordnungspolitischen Wirtschaftsrahmens wie auch der Umgang von Politik und Verwaltung mit uns Steuerberaterinnen und Steuerberatern werden immer belastender.“ Generell würden bürokratische Hemmnisse nicht abgebaut, beklagte er, sondern drastisch ausgebaut – häufig unter dem vorgeschobenen Vorwand des Initiators Europa.
Manches in diesem Land sei „erheblich ins Rutschen“ gekommen, stellte Gero Hagemeister fest und beklagte den immer weiter fortschreitenden Verfall der Rechtssystematik im Steuerrecht. Da Steuerideen häufig umverteilungsorientiert und lenkungsgetrieben seien, passten sie weiter zunehmend nicht in die Systematik des Steuerrechts. Die Steuerpolitik solle daher wieder mehr auf den Sachverstand der qualifizierten Praktiker und Fachleute zurückgreifen.
Der Deutsche Steuerberaterverband als Dachverband des Steuerberater-Verbands Köln vereine die fachliche Expertise von 36.500 Mitgliedern, deren Kompetenz und Verlässlichkeit auch in Brüssel unbestritten sei. Dennoch registriere man – auch im Steuerberater-Verband Köln mit 3.400 Mitgliedern – von Seiten des Gesetzgebers und der Verwaltung ein mangelndes Interesse an deren professioneller Einschätzung in Gesetzgebungsverfahren. So wurden Fristen für die fachliche Einschätzung von Referentenentwürfen drastisch eingekürzt und eine ausgewogene und fundierte Einschätzung seitens der Fachleute erschwert bis unmöglich gemacht. Dies widerspreche zudem der Geschäftsordnung der Bundesministerien, die eine rechtzeitige Beteiligung der externen Fachleute und eine frühzeitige Zuleitung von Gesetzesentwürfen vorsehe. Nachdem die Anzahl der Sachverständigen in „großen Anhörungen“ des Bundestagsfinanzausschusses auf zwölf reduziert wurde, drohe ein weiterer Qualitätsverfall.
Ein Problem sei auch die zunehmende Politisierung von Gesetzgebungsverfahren, stellte der Präsident fest. So könnte man den Eindruck gewinnen, die Lenkungs- und Umverteilungsfunktion stünde bisweilen im Vordergrund: „Wie anders ist es zu erklären, dass bei der verabschiedeten Gaspreisbremse eine Besteuerung dieses geldwerten Vorteils vorgeschrieben ist, nicht aber bei der Strompreisbremse?“
Negativbeispiele zeigte er auch im Immobilienbereich bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beispielhaft auf, wo drastisch steigende Nebenkosten, durch Bauvorschriften verzögerte und verteuerte Sanierungen und Baumaßnahmen und die Grundsteuer oder CO² Abgaben zusätzliche Belastungen erzeugen. „Diese allein oder zumindest teilweise dem Eigentümer und nicht dem nutzenden Mieter zurechnen zu wollen und von sozialer Ungerechtigkeit zu sprechen ist – ich sag es mal vorsichtig – höchst problematisch.“
Nicht jede Steuerminderung sei die Folge von sogenannten Steuerschlupflöchern oder ungerechtfertigten Steuervorteilen, stellte der Präsident fest. „Die Ziele „Stärkung der Einnahmeseiten des Staates“ sowie die Fokussierung auf Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen oder die Besteuerung von Vermögen sollten nicht der Hauptantrieb einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Finanzpolitik sein.“
Gero Hagemeister kritisierte weiterhin die Anwendung des Spitzensteuersatzes auf Einkommen ab einer Höhe von 60.0000 € im Jahr als unmäßig und leistungsfeindlich. Der sich verschärfende internationale Standortwettbewerb von Unternehmen verlange nach verlässlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für Fachkräfte als wirtschaftliche Leistungsträger.
Vehement sprach sich Gero Hagemeister abschließend gegen die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie durch das Hinweisgeberschutzgesetz aus. Er sah hierin einen Angriff auf die „Grundfesten der Mandatsbeziehung“: „Wir vertreten unsere Mandanten vor den Finanzgerichten und sogar als Prozessvertreter vor dem Europäischen Gerichtshof und dem Bundesfinanzhof. Wenn es um den Vorwurf einer Steuerstraftat geht, vertreten wir unsere Mandanten ebenfalls im Rahmen von Selbstanzeigen bzw. den Ermittlungs- und Gerichtsverfahren. Wir unterliegen den berufsständischen Verschwiegenheitspflichten und den strafrechtlichen Normen. Es ist daher absurd, dass die Schweigepflicht nach dem Willen des Deutschen Bundestages nur für die Berufsgruppe der Rechtsanwälte unter dem Hinweis auf deren Berufsgeheimnisschutz gelten soll, nicht aber für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.“
Die Ansprache des Festredners: Prof. Dr. h.c. mult. Clauß Kreß LL.M. (Cambridge), Professor an der Universität zu Köln, seit 2004 Lehrstuhl für deutsches und internationales Strafrecht und Direktor.
Professor Kreß ging in seiner Ansprache zum neuen Jahr auf „Krieg und Frieden als juristischen Grenzgang“ ein, auf das Völkerrecht in der Krise aufgrund der Herausforderung durch den Ukrainekrieg. Der Angriff Russlands als konstituierendes Mitglied der Vereinten Nationen (UN) richte sich nicht nur gegen einen souveränen Staat, sondern auch gegen die Völkerrechtsordnung insgesamt, betonte der Festredner eingangs.
Das Gewaltverbot als Eckstein der Satzung der Vereinten Nationen (UN) sei für die Idee dieser Rechtsordnung konstitutiv und durch die russische Föderation nicht zum ersten Mal verletzt worden. Die seit Februar 2022 offen auf Landraub zielende Aggression eines Landes, das über Atommacht und Vetorecht in den UN verfügt, bezeichnete er als präzedenzlos: die bisher schwerste Form des Verstoßes gegen das UN-Gewaltverbot.
Die internationale Gemeinschaft blieb, wie Professor Kreß ausführte, nicht tatenlos. Der Resolutionsentwurf zu den Ukraine-Annexionen wurde jedoch im Sicherheitsrat blockiert, da Russland als einziges Land sein Veto dagegen einlegte. Nicht verhindern konnte Putin die schnelle und klare Verurteilung des Angriffs durch die UN-Generalversammlung in Anspruchnahme einer Notfallkompetenz.
Den Appell an die UN-Mitgliedstaaten, den gewaltsamen Landraub nicht anzuerkennen, deutet der Völkerrechtler als einen „bedeutsamen Verbalakt“, als eine mit großer Mehrheit angenommenen Beschluss mit symbolischer Kraft. So habe man den Rahmen gesetzt, in dem sich seither die weiteren völkerrechtlichen Anstrengungen bewegen. Dies betreffe auch die militärische Auseinandersetzung auf dem Schlachtfeld.
Von der Politik werde häufig missverständlich formuliert, dass Deutschland nicht Kriegspartei werden dürfe, erläuterte er. So könnte der Eindruck entstehen, dass es uns völkerrechtlich verwehrt sei, „aber nichts wäre falscher als dies“. Deutschland habe seit Februar 2022 das Recht, zugunsten der Ukraine eine kollektive Selbstverteidigung auszuüben, und zwar nicht nur auf dem Territorium der Ukraine, sondern auch auf den Staatsfeld Russlands.
Durchaus berechtigte politische Überlegungen und Entscheidungen dürfe man nicht mit völkerrechtlichem Gebot bemänteln, mahnte der Wissenschaftler. Die militärische Unterstützung, die Deutschland leistet, trage zur Stärkung der Resilienz und der internationalen völkerrechtlichen Verantwortung bei. Es gelte, die Weichen richtig zu stellen.
Die bereits 2014 mit der Annexion der Krim begonnene Völkerrechts-Verletzung sei in Deutschland viel zu wenig wahrgenommen worden, konstatierte Professor Kreß und erinnerte daran, dass bereits danach Menschenrechtsverletzungen begannen. Nach dem russischen Angriff rief die Ukraine den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und den Internationalen Gerichtshof (IGH) an – zu einem Konflikt, der viel mehr ist als ein Streit zwischen zwei Parteien.
Bereits einige Jahre vor Kriegsbeginn hatte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Ermittlungen wegen etwaiger Kriegsverbrechen aufgenommen – obwohl weder die Ukraine noch Russland Vertragsstaaten des IStGH-Statuts sind. Der Gründungsvertrag gibt jedoch auch Nicht-Vertragsstaaten nach Abgabe einer Unterwerfungserklärung die Möglichkeit, die Zuständigkeit des IStGH zu eröffnen. Die frühere Anklägerin war im Ergebnis ihrer Vorermittlungen zu der Feststellung gelangt, dass die Verdachtsmomente zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen die Aufnahme eines förmlichen Ermittlungsverfahrens rechtfertigten. Ihr Nachfolger, der amtierende Ankläger Karim Khan, sollte prüfen, ob die Situation hinreichend belastbar war, als der Krieg in der Ukraine begann. Es kam zu einem in der Geschichte des IStGH einmaligen Ereignis: 39 Vertragsstaaten forderten den Ankläger auf, tätig zu werden, was diesem erlaubte, das förmliche Ermittlungsverfahren ohne richterliche Autorisierung zu eröffnen.
Die Russische Föderation schulde der Ukraine für alle Schäden seit Ausbruch des Krieges Schadenersatz, so Professor Kreß. Ein enormes Rechtsproblem stellen dabei die vielfach eingefrorenen Vermögenswerte dar. Hierauf verbindlich zuzugreifen sei rechtlich belastbar, und die UN-Generalversammlung habe eine Resolution vorgesehen zur Einrichtung eines Schadenregisters, um Russland in die Verantwortung zu nehmen.
In dieser spannenden Situation war Deutschland bisher „hörbar“ leise, stellte der Festredner fest. Es könnte jedoch an einem „prekären Kristallisationspunkt“ eine große Rolle im Hinblick auf eine positive Entwicklung spielen. Abschließend äußerte Professor Kreß die Hoffnung, dass sich Kräfte regen, die die Resilienz der völkerrechtlichen Ordnung stärken mit einem größeren Mut zu Reformen – auch des angegriffenen Vetorechts im UN-Sicherheitsrat.
Der Steuerberater-Verband e.V. Köln wurde am 12. November 1947 von 102 Berufsangehörigen in Köln gegründet. Heute sind über 3.300 Angehörige der steuerberatenden und prüfenden Berufe, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und entsprechende Gesellschaften, Mitglieder des Verbandes.
Der Einzugsbereich des Steuerberater-Verbandes e.V. Köln entspricht dem Bezirk des Regierungspräsidenten Köln. Der Verband gliedert sich in die folgenden zehn Bezirke: Aachen, Bonn, Düren-Jülich, Euskirchen-Schleiden, Köln, Oberberg, Rheinisch-Bergischer-Kreis, Rhein-Erft-Kreis, Selfkant und Siegburg. Er ist neben weiteren 14 Landes- bzw. Regionalverbänden Mitglied im Deutschen Steuerberaterverband e.V., der in Berlin ansässigen Spitzenorganisation des steuerberatenden Berufs auf privatrechtlicher Ebene.
Der Verband bietet über seine Tochtergesellschaft, der Akademie für Steuer- und Wirtschaftsrecht, umfangreiche Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten an, die einerseits den Berufsnachwuchs betreffen, andererseits insbesondere auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitglieder des Verbandes zugeschnitten sind. Die Akademie führt nicht nur Lehrgänge für angehende Steuerberater durch, sondern auch für die Qualifizierung der Mitarbeiter.
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