Windenergie: Weiterhin Warten auf den Ausbau-Turbo
Nach den Flautejahren 2019 bis 2021 beim bundesweiten Windkraftausbau, hat es im vergangenen Jahr einen leichten Aufschwung geben. Dieser Aufwind zeigte sich auch in NRW: Bei der neu installierten Leistung gab es eine Steigerung von über 25 Prozent, belegt eine vorläufige Analyse der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind). Da in den zurückliegenden zwölf Monaten auch ältere Anlagen abgebaut worden sind, erreicht der Nettozuwachs 392 Megawatt.
„Das liegt deutlich unter der 1.000-MW-Marke, die notwendig ist, wenn die Landesregierung ihre eigenen Ziele beim Klimaschutz und beim Ausbau Erneuerbarer Energien erreichen will“, kommentiert Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW), die Zahlen.
Beim Brutto-Zubau landete NRW im Länder-Vergleich nach Schleswig-Holstein (544 MW), Niedersachsen (458 MW) und Brandenburg (428 MW) auf Platz vier. Positiver stimmt Mildenberger die Tatsache, dass NRW nach der FA Wind-Analyse bei der Zahl der im vergangenen Jahr neu genehmigten Windenergieanlagen mit einem Volumen von 865 MW hinter Niedersachsen im bundesweiten Vergleich auf Rang zwei liegt. Mildenberger: „Das sind alles nur statistische Momentaufnahmen. Was wirklich zählt: NRW wird nach dem beschlossenen Ende der Braunkohleförderung nur dann Industrieland bleiben, wenn es auch weiterhin ein führendes Energieland bleibt. Das ist nur mit einem ganz schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien möglich, allen voran der Windenergie.“
Größere Windparks mit mehr als zehn Anlagen sind im vergangenen Jahr nicht ans Netz gegangen – was sich aber ändert: Die WestfalenWind GmbH plant im Wittgensteiner Land ein Projekt mit 59 Anlagen und rund 390 MW installierte Leistung. Das Genehmigungsverfahren hat unlängst begonnen.
Noch vor Ostern erwartet das Paderborner Unternehmen grünes Licht für einen Windpark mit 12 Anlagen und 46,8 MW installierte Leistung in Warstein (Kreis Soest). „Russlands verbrecherischer Angriffskrieg gegen die Ukraine hat im hiesigen Stadtrat zu einem Umdenken geführt, nachdem das Vorhaben jahrelang verzögert worden ist“, betont Steffen Lackmann, Projektmanager bei WestfalenWind und Vorstandsmitglied im LEE NRW.
Positiv beeinflusst hat nach seinen Worten die enorme Nachfrage der örtlichen Industrie nach günstigem Windstrom. „Diesen neuen Trend erleben wir nicht nur in Warstein. Uns rufen fast wöchentlich Industrie- und Gewerbeunternehmen an und wollen Strom aus unseren Windparks beziehen. Für diese Unternehmen sind die Energiepreise inzwischen zum zentralen Standortfaktor geworden ist“, so Lackmann.
Dieses Drängen aus Reihen der Industrie ist, so der Projektmanager, noch nicht bei Politik und der Verwaltung angekommen: „Der Bedarf an einem schnellen Ausbau der Windenergie spiegelt sich nach wie vor nicht in Genehmigungsverfahren wieder. Von der angekündigten Beschleunigung auf Bundes- und Landesebene ist bislang nichts zu spüren.“
In der Regel dauern die Errichtung einer Windenergieanlagen von der ersten Planung, über das Genehmigungsverfahren bis hin zum Bau sieben Jahre. Zum Vergleich: Der Bau des LNG-Terminals in Wilhelmshaven dauerte lediglich 194 Tage – von der Planung bis zur Fertigstellung. Bei dem am vergangenen Wochenende in Lubmin eröffneten bundesweit zweiten LNG-Terminal hat es nicht viel länger gedauert. Das zeigt, dass es auch in Deutschland schnell gehen kann. Das muss jetzt dringend auch der Maßstab beim Windenergieausbau werden.“
Für die in den kommenden Wochen in Nordrhein-Westfalen anstehenden Gesetzinitiativen für den Windenergiesektor fordert der LEE NRW:
– Einen konkreten Zeitplan für die Abschaffung des überflüssigen 1.000-Meter-Mindestabstandes bei Repowering-Projekten. Die baurechtliche Änderung muss in einem zweiten Schritt schnellstens auch für neue Windparks gelten.
– Die umgehende Umsetzung einer vor kurz vor Weihnachten in Kraft getretenen EU-Verordnung, wonach das Genehmigungsverfahren für Repowering-Vorhaben bei der Windenergie nicht länger als sechs Monate dauern darf, durch die Genehmigungsbehörden im Land.
– Die Abschaffung unnötiger Baulasten in der Landesbauordnung, damit Windenergieanlagen auf Industrie- und Gewerbeflächen Windenergieanlagen errichtet werden können.
Zu den Erwartungen an die Windenergie-Politik in NRW in diesem Jahr sagt Mildenberger: „Das von der Landesregierung viel propagierte klimaneutrale Industrieland Nordrhein-Westfalen wird nur möglich sein, wenn wir bei der Windenergie endlich den Fuß von der Bremse nehmen, alle Hindernisse aus dem Weg räumen und bei den Genehmigungsverfahren konsequent die neue Deutschland-Geschwindigkeit wie bei den LNG-Terminals erreichen.“
Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Nordrhein-Westfalen bündelt der LEE NRW die Interessen aus allen Bereichen der Energiewende. Zum Verband zählen mittelständische Unternehmen, Verbände und Bürger. Das gemeinsame Ziel: 100% Erneuerbare Energien bis 2045 – in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr. Dafür engagieren sich auch fünf LEE-Regionalverbände als kompetente Ansprechpartner vor Ort. Denn im Energieland Nr. 1 ist die Branche wichtiger Arbeitgeber für 46.000 Beschäftigte, die 2017 ein Umsatzvolumen von 10 Mrd. Euro erwirtschafteten.
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