„Die Automobilbranche wird sich merklich verändern“
- Die Aussichten für Deutschlands Autobauer sind trotz Herausforderungen vielversprechend
- Grundlegender Wandel der Branche zu erwarten
- Sorgen bereitet weiterhin der Verbleib der Zulieferer in diesem Szenario
Die reinen Absatzzahlen sinken, der Konkurrenzdruck aus Asien wächst – dennoch blicken die deutschen Autobauer mit Zuversicht in die Zukunft: „Die internationalen Fahrzeug-Märkte werden sich in den kommenden Jahren merklich verändern“, prognostiziert Frank Liebold, Country Director Deutschland bei Atradius. „Die Autobauer passen sich aber bereits erfolgreich diesem Umbruch an.“
Autobauer profitieren, Zulieferer geraten zunehmend unter Druck
Zwar stehen die aktuellen Jahresbilanzen noch aus, doch erste Zahlen zeigen, dass sich gewisse Trends aus dem gewinnstarken Vorjahr fortsetzen. „Insgesamt sind die Absatzzahlen 2022 erneut zurückgegangen“, sagt Liebold. Das sei aber per se kein schlechtes Zeichen: „Bei Nutz- und Elektrofahrzeugen laufen die Verkäufe sehr gut. Unter sämtlichen Neuzulassungen machen rein batteriebetriebene Fahrzeuge mit 26 Prozent den größten Anteil aus. Im Vorjahr hat genau dieser Trend den Autobauern Rekordgewinne eingebracht. Auch im Luxussegment, in dem es deutlich höhere Margen gibt, haben die Absatzzahlen zugenommen. Ich rechne daher wieder mit einem deutlichen Gewinnplus.“ Hinzu kommt, dass Autobauer im Bereich der Elektromobilität noch stärker als bisher bereits Synergieeffekte nutzen wollen, um Kosten zu sparen und die Gewinne zu steigern. Ein aktuelles Beispiel ist der Autobauer Ford. Hier droht am Standort in Köln ein deutlicher Stellenabbau, da die Entwicklung von Elektrofahrzeugen in den USA bei der Muttergesellschaft gebündelt werden soll. Das erschwert die Lage der Zulieferer zusätzlich: „Diese sitzen gegenüber ihren Abnehmern, den Autobauern, traditionell am kürzeren Hebel was die Gestaltung von Preiserhöhungen bei fest abgeschlossenen Rahmenverträgen angeht“, so Liebold.
Deutsche Autobauer richten ihr Geschäft neu aus
Angesichts der im Frühjahr 2020 einsetzenden Chipkrise hatten sich die Fahrzeugbauer in den vergangenen Jahren zunehmend auf das Luxussegment konzentriert: „So konnten sie das wenige verfügbare Material in hochpreisigen Wagen verbauen“, erläutert Liebold. „Auf diese Weise kamen trotz der geringeren Absätze unterm Strich hohe Gewinne heraus.“ Die Zulieferer profitierten davon nicht automatisch mit. „Für die Zulieferer ist es besonders gegenüber großen Abnehmern schwierig, höhere Preise durchzusetzen. Sie haben feste Rahmenverträge und wollen gute Geschäftsbeziehungen nicht gefährden. Die Abnehmer befinden sich dadurch in einer gewissen Machtposition und haben in Zeiten geringerer Nachfrage Aufträge auch mal kurzfristig platzen lassen“, erläutert Liebold. „So schlagen negative Marktschwankungen bei den Zulieferern schneller zu Buche. Die meisten Zulieferer sitzen derzeit nicht gerade auf einem Liquiditätsberg.“
Inzwischen lässt der Chipmangel nach. Dennoch werden die deutschen Autobauer auch künftig stärker auf die Luxussparte setzen, prognostiziert Frank Liebold. „Die Nachfrage nach E-Autos wird zwar 2023 voraussichtlich sinken, da Förderprogramme wegfallen. Langfristig geht der Trend aber klar zum E-Auto, gerade auch im Luxussegment ist die Nachfrage hoch und wird von deutschen Autobauern gut bedient. Allerdings hängen deutsche Firmen im internationalen Vergleich bei der Entwicklung neuer und günstigerer Batteriemodelle hinterher. Derzeit machen die Batterieantriebe bei Neuwagen rund 40 Prozent des Gesamtpreises aus, für einen günstigen Kleinwagen kommt der E-Antrieb somit nicht in Frage. Gleichzeitig sind einige ausländische Marken schon deutlich weiter in der Entwicklung.“ Liebold rechnet mit wachsender Konkurrenz vor allem aus Asien – „darauf müssten die deutschen Firmen reagieren“.
Neue Märkte für deutsche Luxusmodellen
„Gerade bei Elektrofahrzeugen im Mittelklassesegment drängen neue Hersteller aus Asien auf den deutschen Markt“, sagt Liebold. „Deutsche Hersteller können und wollen um dieses Segment gar nicht erst konkurrieren. Sie suchen ihre Kunden vermehrt im außereuropäischen Ausland – sie gehen dorthin, wo allein die Marke BMW oder Mercedes noch großes Ansehen genießt.“
Damit reagierten die Firmen auch auf einen Paradigmenwechsel in der deutschen Autokultur: „Der Trend geht zu alternativen Mobilitätskonzepten jenseits des reinen Verbrennungsmotors und einer bestimmten Marke. Die Zeiten, in denen man sich das Auto als Statussymbol vor die Tür gestellt hat, sind vorbei“, sagt Liebold. Anders die Lage in ökonomisch aufsteigenden Nationen wie China oder Indien: „Der Wohlstand wächst und viele haben bis jetzt noch kein Auto: ein vielversprechender Wachstumsmarkt gerade auch für die weltbekannten und als hochwertig geltenden Marken ‚Made in Germany‘.“
„Eine historisch einmalige Situation“
Für die deutschen Zulieferer hat das Umschwenken der Autobauer ebenfalls Folgen. „Angesichts neuer Technologien in der Mobilität müssen auch die Zulieferer neue Produkte entwickeln, andernfalls werden sie auf lange Sicht abgehängt“, so Liebold. Darüber hinaus beruhe die Abhängigkeit zwischen Autobauern und Zulieferern letztlich auf Gegenseitigkeit. Das hätten die Hersteller inzwischen erkannt und kamen einigen wichtigen Zulieferern im vergangenen Jahr preislich und vertraglich entgegen: „Es ist auch im Interesse der OEMs, dass ihre Zulieferer nicht insolvent gehen.“ Allerdings muss man auch ganz klar sagen, dass es nur den für die Autobauer wichtigen Zulieferer gelungen ist, preisliche Nachverhandlungen zu führen. Die Übrigen müssen in der Regel zusehen, wie sie mit den gestiegenen Kosten klarkommen.
Dennoch bleibe die Lage für die Zulieferer problematisch: „Wirtschaftlich befinden wir uns in einer historisch einmaligen Situation“, sagt Liebold. „Das macht sich auch bei uns als Kreditversicherer bemerkbar: Momentan passieren viele Krisen gleichzeitig, es ‚brennt‘ an vielen Stellen.“ Weiterhin werde es immer schwieriger, die nächste drohende Krise vorauszusehen: „Sobald ein Sanierungskonzept für eine Firma gerade fertig geworden ist, tut sich oft schon die nächste Problematik auf. Weltweit scheint ein unvorhergesehenes Ereignis das nächste zu jagen, das ist für zahlreiche Unternehmen ein ganz neues Szenario.“
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