Eckpunkte für die Nationale Biomassestrategie sind unzureichend
Im Herbst 2022 haben die drei Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz, Landwirtschaft sowie Umwelt die langen erwarteten Eckpunkte für die Nationale Biomassestrategie veröffentlicht. Diese Überlegungen sollen die Basis für die nachhaltige Nutzung von Biomasse aus der Wald-, Landwirt- und Abfallwirtschaft in Zukunft schaffen. Der Plan dabei ist, dass sich die künftige Biomassenutzung konsequent an den Klima-, Umwelt- und Biodiversitäts-Zielen orientiert. Auf diese Überlegungen haben der Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) und der Landesverband Erneuerbare Energie Rheinland-Pfalz/Saarland (LEE RLP/SL) mit einer gemeinsamen Stellungnahme reagiert.
„Die vorgelegten Eckpunkte werden den eigenen Ansprüchen nicht gerecht, da das Papier die Chancen für eine energetische Biomassenutzung weitestgehend unerwähnt lässt“, betont Dr. Thomas Griese, Vizepräsident im LEE NRW, „dabei ist der Ausbau der Biomassenutzung nicht nur praktizierter Klimaschutz, sondern auch ein Beitrag der Energieversorgungssicherheit für alle Bundesbürger, Industrie und Gewerbe.“
Dass die stoffliche Nutzung der vorhandenen Biomasse sehr ausgeprägt gegenüber der energetischen im Fokus der Bundesregierung stehen soll, ärgert auch Christoph Zeis: „Die Autoren des Eckpunktepapiers definieren den Diskussionsprozess um die Biomasse viel zu eng, und zwar weitestgehend auf tierische und pflanzliche Erzeugnisse. Deshalb haben sie auch die enormen Potenziale an Rest- und Abfallstoffen nicht hinreichend in den Blick genommen, mit denen die Strom- und Wärmeerzeugung auf Biomassebasis erheblich ausgeweitet werden kann“, sagt der Vorsitzende des LEE RP/SL.
Zur Biomasse müssen beispielsweise auch landwirtschaftliche Reststoffe wie Gülle, Mist, Zwischenfrüchte und Ernterückstände, biogene Reststoffe aus der Brauen/Grünen Tonne, Abfall- und Reststoffe aus der Lebensmittelverarbeitung, Landschaftspflegematerial, Altholz oder Klärschlämme gezählt werden. Nicht zu vergessen ist auch das Potenzial an ökologisch wertvollen, nachwachsenden Rohstoffen, wie etwa der durchwachsenen Silphie und die nachhaltige Nutzung von Waldrestholz, Landschaftspflegeholz sowie kommunalem Grünschnitt in der Wärme- und Stromversorgung.
Bereits heute spielt die Biomasse, insbesondere Biogas und Biomethan, bei der Energieversorgung mit einer Gesamterzeugung von jährlich 50 Milliarden Kilowattstunden eine systemrelevante Rolle. Rechnerisch reicht diese Menge aus, um den Strombedarf eines ganzen Monats ohne Wind- und Sonnenstrom zu decken. „Zudem ist durch die Substitution von Erdgas eine erhebliche Senkung von Treibhausgasen möglich“, betonen Griese und Zeis gemeinsam. Die Bioenergie sei der einzige regenerative Energieträger, der in der sogenannten Dunkelflaute eingesetzt werden kann, sprich immer dann, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. „Es ist ein Rätsel, warum die Bundesregierung dieses großes Plus gerade auch in Würdigung der Flexibilität in Verbindung mit der Residuallastfähigkeit der Biomassenutzung nicht ausbauen will“, wundert sich Griese.
Der LEE NRW und der LEE RP/SL fordern deshalb, dass es mit der Nationalen Biomassestrategie zu einer energiewirtschaftlichen Neupositionierung der Biogasnutzung kommen muss. Die Anlagen sollen verstärkt in den Wintermonaten am Netz sein, wofür die Betreiber eine erhöhte Vergütung, einen Winterbiogas-Bonus, erhalten sollen. Diese Winterbiogas-Förderung bringt nach Einschätzung beider Verbände noch einen großen Vorteil: „Biogas kann den Energiebedarf während der Dunkelflaute in den Stunden und Tagen decken, an denen die Wind- und Solarenergie bei bestimmten Wetterlagen kaum Energie produzieren.“
Das Eckpunktepapier hat nach Einschätzung vom LEE NRW und vom LEE RP/SL die Chancen, die die Biomasse für den Umbau der heimischen Energieversorgung bietet, nicht erkannt. „Je dezentraler die Biomasse in Mehrfachnutzung etwa in Kraft- Wärme-Kopplung in Verbindung mit Nah- oder Fernwärmenetzen eingesetzt wird, desto systemdienlicher kann sie ihre Fähigkeiten zur Stabilität der Verteilnetzebene entfalten“, betont Christoph Zeis, der Vorsitzende des LEE RP/SL.
Für ihn gibt es noch eine weitere Schwachstelle in dem Eckpunktpapier: „Ohne klare Wachstumssignale wird die deutsche Technologieführerschaft bei der Biomassenutzung gefährdet. Es ist der deutsche Anlagenbau, der die effizientesten Verfahren und Technologien in dem Bereich der Biomassenutzung entwickelt hat. Die Neuausrichtung und eine klare Positionierung zur zukünftigen Biomassenutzung würden einen innovativen Schub in neue Konzepte und Technologien geben.“
Bei den in den kommenden Wochen und Monaten anstehenden Beratungen um die Nationale Biomassestrategie werden beide Landesverbände mit Nachdruck Änderungen einfordern. Denn ohne Bioenergie wird die Energiewende nicht funktionieren.
Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Nordrhein-Westfalen bündelt der LEE NRW die Interessen aus allen Bereichen der Energiewende. Zum Verband zählen mittelständische Unternehmen, Verbände und Bürger. Das gemeinsame Ziel: 100% Erneuerbare Energien bis 2045 – in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr. Dafür engagieren sich auch fünf LEE-Regionalverbände als kompetente Ansprechpartner vor Ort. Denn im Energieland Nr. 1 ist die Branche wichtiger Arbeitgeber für 46.000 Beschäftigte, die 2017 ein Umsatzvolumen von 10 Mrd. Euro erwirtschafteten.
Landesverband Erneuerbare Energien NRW e.V.
Marienstraße 14
40212 Düsseldorf
Telefon: +49 (211) 9367-6060
Telefax: +49 (211) 9367-6061
http://www.lee-nrw.de
Pressesprecher
Telefon: +49 (211) 9367-6064
E-Mail: ralf.koepke@lee-nrw.de