Für alle Bürger
Rathäuser sind Zeichen bürgerschaftlichen Selbstverständnisses und beanspruchen für gewöhnlich eine besondere Stellung im Stadtbild. Oft stehen sie als freistehende, große Gebäude im Mittelpunkt des jeweiligen Ortszentrums. In der oberbayerischen Stadt Dorfen mit ihren mehr als 13.000 Einwohnern ist dies etwas anders: Zwar ist das neue Rathaus der zweitgrößten Gemeinde im wohlhabenden Landkreis Erding auch im Zentrum angesiedelt, musste sich dabei jedoch in eine Baulücke einfügen, die von historischen Wohn- und Geschäftsgebäuden umgeben ist. Dies war eine der wesentlichen Vorgaben des Stadtrates, auf deren Basis im Jahr 2015 der Architekten-Wettbewerb für den Neubau des Rathauses gestartet wurde. Und die teilnehmenden Büros hatten eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe zu bewältigen: So galt es zunächst, aus den Mängeln zu lernen, die zum Abriss des Vorgängerbaus geführt hatten. Dazu zählten insbesondere der ungenügende Brandschutz und – nicht weniger wichtig – die Möglichkeit für Menschen mit Bewegungseinschränkungen, ebenfalls barrierefrei ins Rathaus gelangen zu können. Dies alles wurde flankiert von einer städtebaulichen Grundkonzeption Dorfens, die mittlerweile fast 800 Jahre alt ist. Die planmäßige Anlage der Stadt unter Herzog Ludwig dem Kehlheimer beruht auf einem basalen Straßenkreuz in vier Himmelsrichtungen sowie den vier Plätzen Marienplatz, Unterer Markt, Kirchtorplatz und Rathausplatz. Bei Letzterem hat damals niemand an Autoverkehr oder niedrigschwellige Zugänge gedacht.
Den Zuschlag erhielt letztlich das Architekturbüro „Diezinger Architekten“ aus Eichstätt (Oberbayern). Dieses überzeugte mit seinem Entwurf eines sich selbstbewusst im Straßenraum präsentierenden Gebäudes, welches jedoch zu keiner Zeit den historischen Kontext leugnet. Bei der Fassadengestaltung entschieden sich Architekten und Stadt, die regelmäßige Gliederung der Nachbargebäude zu übernehmen und subtil auf die umgebende Bebauung einzugehen – mittels einer unaufgeregten, gut proportionierten Lochfassade. Die in der Ebene versetzten Fenster mit ihren schrägen Leibungen verleihen der Fassade dabei eine besondere Plastizität. Vom Marktplatz aus betrachtet ein schöner Anblick.
Nachhaltige Außenwände
Aus Gründen der Nachhaltigkeit sowie des Brandschutzes verzichteten die Planer auf ein sogenanntes Wärmedämmverbundsystem (WDVS) an den Außenwänden, welches zumeist aus rohölbasiertem Polystyrol (umgangssprachlich „Styropor“) besteht. Um dieses Vorhaben umsetzen zu können, galt es einen massiven Mauerwerks-Baustoff zu finden, der die geforderte Wärmedämmung auch ohne Zusatzmaßnahmen „von Haus aus“ mitbringt. Hier wurde man schließlich bei der Firmengruppe Leipfinger-Bader am Standort in Mainburg-Puttenhausen (Landkreis Kelheim) fündig: Der dort hergestellte Mauerziegel „Unipor WS10 Coriso“ wurde speziell für mehrgeschossige Gebäude entwickelt und ermöglicht die Errichtung monolithischer Außenwände, die so hochwärmedämmend sind, dass sie keine zusätzliche Dämmung benötigen. Möglich macht es die rein mineralische Füllung im Inneren des massiven Ziegels, der zudem als „nicht brennbar“ klassifiziert ist. Beim Rathaus in Dorfen wurden entsprechende Wandbaustoffe in einer Stärke von 36,5 Zentimetern ausgewählt, die im Ergebnis um 30 Prozent besser abschneiden als es der energetische Standard erfordert – eine beeindruckende Leistung.
Das sah auch die fachkundige Jury des „Deutschen Ziegelpreises 2021“ so, als sie den monolithischen Verwaltungsbau mit dem Hauptpreis auszeichnete. Das sorgte für Begeisterung bei Bürgermeister Heinz Grundner (CSU): „Für Dorfen ist dies eine ganz besondere Auszeichnung. Der Preis bestätigt, dass die von der Stadt beschlossene Linie, Modernes im historischen Kontext zu bauen, die richtige Entscheidung war. Die Stadt Dorfen hat eine ganz besondere Bindung zum Ziegelstein. Hundert Jahre lang wurde dieses Baumaterial erfolgreich im ehemaligen Ziegelwerk produziert und vertrieben. Ziegel und Dorfen gehören zusammen!“ Der Deutsche Ziegelpreis wird seit 2011 alle zwei Jahre vergeben und steht unter der Schirmherrschaft des Bundesbauministeriums. Zur Zufriedenheit des Bürgermeisters trug auch bei, dass die geplanten Baukosten mit knapp 8 Millionen Euro fast punktgenau eingehalten werden konnten. Das ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit bei öffentlichen Projekten.
Seit über drei Jahren ist das Rathaus wieder für Verwaltung und Bürger geöffnet, wenn auch teilweise unterbrochen aufgrund der Corona-Pandemie. Im Erdgeschoss befinden sich Foyer, Einwohnermeldeamt und Bürgerbüro. Das Foyer mit dem über alle Stockwerke reichenden Lichthof sorgt für die Helligkeit im Gebäude. Im ersten Obergeschoss befinden sich EDV- und Server-Raum, das Büro des Bürgermeisters sowie Vorzimmer und ein Besprechungszimmer. Im zweiten Obergeschoss sind Personal- und Finanzverwaltung sowie das Archiv untergebracht. Im dritten Obergeschoss liegt der große Sitzungssaal – das Prunkstück des neuen Rathauses. Es gibt zudem einen abtrennbaren Trauungs- und Festsaal sowie eine Dachterrasse. Von den baulichen Vorzügen des beeindruckenden Ziegelneubaus profitieren seitdem alle Bürger, Bedienstete und Ratsmitglieder – darunter auch die, die nicht mehr ganz so gut zu Fuß unterwegs sein können.
Bautafel:
Projekt: Neubau des Rathauses in Dorfen
Bauherr: Stadt Dorfen
Planung: Diezinger Architekten GmbH, 85072 Eichstätt
Bauzeit: September 2017 bis April 2019
Baukosten: 7,8 Millionen Euro
Bauweise: Monolithische Ziegelbauweise ohne Zusatzdämmung
Außenwandbaustoff: „Unipor WS10 Coriso“-Mauerziegel von der Firmengruppe Leipfinger-Bader
Auszeichnung: Sieger des Hauptpreises beim „Deutschen Ziegelpreis 2021“ unter der Schirmherrschaft des Bundesbauministeriums
Die Firmengruppe Leipfinger-Bader stellt Wandbaustoffe sowie Bauprodukte für klimafreundliches Bauen her und vertreibt diese bundesweit. Für ihre energie- und rohstoffeffiziente Produktion wurde die in Familienhand geführte Gruppe in den letzten Jahren vielfach geehrt. Gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Forschung treibt Leipfinger-Bader zudem die Weiterentwicklung bewährter Baustoffe im Sinne von Nachhaltigkeit, Klima- und Umweltschutz voran. Die bayerische Firmengruppe versteht sich dabei – innerhalb der gesamten deutschen Baustoffindustrie – als bundesweiter Innovationstreiber für mehr Nachhaltigkeit am Bau.
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