Autoren berichten in Briefen und einem Gedicht an PEN Deutschland über ihre Zeit in der Illegalität
Angesichts von Todesdrohungen, Folter, Hausdurchsuchungen, unbarmherzigen Verhören, Zensur und anderen Repressalien gegen Regimekritiker:innen kam es im Vorfeld des Neujahrsfest am 20. März in Iran erneut zu Protesten. Aber oft bleibt Aktivistinnen und Schriftstellern nur die Flucht. Die iranische Schriftstellervereinigung (IWA) etwa kämpft seit Jahrzehnten gegen Zensur. Seit September hat sich die Lage noch einmal zugespitzt.
Hamed Aboumoaref, geboren 1984, Dichter und Übersetzer arabischer Literatur, und seine Frau Razieh Aghajari, Sängerin, Songwriterin, Mitglied der Säkularen Demokratischen Partei, suchten mit ihrer kleinen Tochter Zuflucht in der Türkei. Aboumoaref ist arabischer Herkunft, sein Vater Sheikh Khamisi, der Sohn aber hat sich aus diesen traditionellen Stammesbeziehungen gelöst. Seine Texte, seine Zeitschrift, sein Verlag wurden verboten, sein Brotjob in der Ölindustrie gekündigt. Seine Frau war zeitweise in Haft. Aboumoaref hatte eine Unterschriftensammlung veröffentlicht und dem amerikanischen Fernsehsender Iran International Interviews gegeben über die Verantwortung der Regierung beim Einsturz des Metropol-Gebäudes in Abadan im Mai 2022, ein Unglück mit vielen Toten. Nach seinen aktuellen Protesten gegen die Gewalt des Regimes kam die Drohung: Man finde ihn auch in der Türkei. Der vierjährigen Tochter würde ein Ohr abgeschnitten, wenn er nicht schwiege.
„Ich frage mich, ob wir je wieder aus diesem Alptraum erwachen. Aber alle sollten von diesem Albtraum wissen, damit sich in diesem brüchigen, vorübergehenden Unterschlupf vielleicht weniger Träume in Albträume verwandeln.“
(Hamed Aboumoaref) Weiterlesen – Link
Soroosh Mozaffar Moghaddam, 1980 in Mashhad geboren, Schriftsteller, Journalist, Aktivist und Mitglied der Iranian Writers Association (IWA), kommt aus einer oppositionellen Familie. Seine Erzählbände wurden im Iran zensiert, erschienen aber in Schweden, England und Frankreich: u.a. Written Situations on Death and Darkness. Auch ein Theaterstück und sein Roman Azizeh Day and Night über eine Frau, die den Hijab ablegt, wurden im Iran verboten. Neben seiner Arbeit als Autor erforscht er die zeitgenössische Geschichte des Iran und des Mittleren Ostens. Mit seinen Texten und seinem Engagement für Kollegen wurde Moghaddam zur Zielscheibe der Mullahs. Er hatte die Liste „Schriftsteller und Künstler in Haft“ erstellt, 1000 Unterschriften dafür gesammelt und ausländischen Medien wie der BBC Interviews gegeben. Mehrmals wurde er verhört, seine Familie drangsaliert. Im November 2022 floh er mit seiner Frau in die Türkei.
„Heute, wo Dunkelheit über meinem Heimatland herrscht, ist meine Bitte an die Menschen, die in Freiheit leben, sich mit den Menschen im Iran zu solidarisieren, besonders mit den Frauen.“ (Soroosh Mozaffar Moghaddam) Weiterlesen – Link
Milad Zanganeh, 1985 geboren in Mashhad, ist Dichter, Literaturkritiker, Journalist und Verleger. Mit seiner Frau, der Dichterin Tamineh Aghajari, und seiner Familie floh er in die Türkei. Zanganeh hat in der Ölindustrie gearbeitet, aber immer geschrieben. Weil die Zensoren seine Lyrikbände abwiesen, gründete er online den Verlag nowrahan und einen Telegramkanal für Autor:innen, die, wie er, nicht publizieren durften. Veröffentlicht wurden über 45 Titel, Interviews und Offene Briefe zu den jüngsten Protesten. Wegen der kritischen Inhalte, weil Frauen dort ohne Kopftuch auftraten, weil er Exilautoren und eine Zeitschrift publizierte und eine Veranstaltung für den 1998 ermordeten Dichter Mohamed Mokhtari organisierte, gab es Probleme mit Irans Sicherheitskräften, eine Vorladung und ein Verhör über zwei Tage, dazu Drohanrufe und eine Wohnungsdurchsuchung, bei der von ihm verlegte Bücher und sein Laptop konfisziert wurden.
„Meine von Schmerz gepeinigten Fingernägel sind Teil der Geschichte, während Schlagstöcke die Worte versklaven, und in der Geschichte die Frauen mutiger sind als alles Leid.“ (Milad Zanganeh) Weiterlesen – Link
Für die drei Autoren ist der Aufenthalt in der Türkei riskant und schwierig: ohne Einkommen, ohne Sicherheit, immer in Angst, sie könnten entdeckt und in den Iran abgeschoben werden. Das deutsche PEN-Zentrum unterstützt sie – den Spendern sei Dank! – finanziell und hilft im Bemühen, Visa für Deutschland zu bekommen, um dort politisches Asyl zu beantragen, denn das ist nur auf deutschem Boden möglich.
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