Bioland und Demeter: Kein Freifahrtschein für Gentech-Industrie!
Die EU-Kommission will im Jahr 2023 einen Gesetzesvorschlag zu „Neuen Genomischen Techniken“ (NGT) vorlegen, mit dem das Inverkehrbringen und die absichtliche Freisetzung in die Umwelt von Pflanzen, die mit Hilfe Neuer Gentechnik erstellt wurden, ohne umfassende Vorsorgemaßnahmen möglich wird. Nicht nur die für die Öko-Landwirt*innen ist das ein Problem. Auf dem Spiel steht, dass gentechnikfreier Anbau in Zukunft überhaupt noch möglich ist.
Um Koexistenz verschiedener Anbaumethoden und Wahlfreiheit der Verbraucher*innen sicher zu stellen, brauche es weiterhin verbindliche Regelungen, unterstreichen Bioland und Demeter. Diese müssten Nachweisbarkeit, Rückverfolgbarkeit und eine klare Kennzeichnung – für Landwirt*innen und auch für Verbraucher*innen – der mit Neuer Gentechnik erzeugten Produkte gewährleisten. Die Bundesregierung müsse in dieser Diskussion nun klar Position dafür beziehen, dass auch Neue Gentechnik streng reguliert bleibt.
„Das Umweltministerium hat sich zu Recht für eine auf Vorsorge beruhende Regulierung der Neuen Gentechniken ausgesprochen. Von der Bundesregierung fehlt diese klare Positionierung, obwohl Kanzler Scholz noch im Wahlkampf versprochen hat, sich gegen eine Deregulierung einzusetzen. Je länger Deutschland sich in Brüssel nicht klar positioniert, desto wahrscheinlicher wird ein Freifahrtschein für die Gentech-Industrie, für den sie in Brüssel seit Monaten massiv in allen Institutionen lobbyiert. Der Sekt in den Konzernzentralen dürfte dafür schon kalt gestellt sein“, mahnt Bioland-Präsident Jan Plagge.
„Denn eine Deregulierung Neuer Gentechniken würde schließlich auch dazu führen, dass diese großen Unternehmen Patentrechte auf kleinsten Ebenen verkaufen. Die unbegründete Angst, vom Weltmarkt abgehängt zu werden, führt also in Wahrheit dazu, noch viel abhängiger zu werden – von Patenten und Technologien, die sich in der Vergangenheit schon als umweltschädlich erwiesen haben und deren vermeintlich einfache und schnelle Lösungen leere Versprechen sind. Langfristige ökologische Risiken werden dabei nicht beachtet“, so Plagge weiter.
„Klar ist: Um die Nachhaltigkeitsziele im Sinne des Green Deal zu erreichen, braucht es den Ökolandbau – denn Ökobetriebe fördern die Biodiversität, den Klimaschutz und sauberes Grundwasser. Deshalb hat sich die Bundesregierung 30 Prozent Ökolandbau als Ziel gesetzt – in der EU gilt das 25 Prozent Ziel. Um dies zu erreichen, braucht es einen fairen gesetzlichen Rahmen. Die hier geplante De-Regulierung von neuen Gentechniken wäre jedoch ein Nackenschlag für den Ökolandbau!“, analysiert Demeter-Vorstand Alexander Gerber.
„Eine Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen ohne Risikobewertung und ohne Rückverfolgbarkeit zu ermöglichen, bedeutet ein hohes Kontaminationsrisiko – und damit wirtschaftliche Risiken und Kosten für die Ökobetriebe. In der Umweltgesetzgebung der EU gilt das Vorsorgeprinzip – dies muss auch bei den neuen Gentechniken weiterhin angewandt werden,“ erklärt Gerber weiter. „Bei der Folgenabschätzung für die Umwelt muss mit bedacht werden, welche Art der Landwirtschaft durch diese neue Gesetzgebung gefördert wird – die von der EU-Kommission beabsichtigte Deregulierung schadet den Nachhaltigkeitszielen in der Landwirtschaft!“
Fundierte Folgenabschätzung vor politischer Entscheidung!
Die neuen Gentechnikverfahren werden bisher über das auf dem Vorsorgeprinzip basierenden EU-Gentechnikrecht geregelt und unterliegen damit einer Risikoprüfung, Zulassungs- und Kennzeichnungspflicht sowie dem Prinzip, dass eine Rückholbarkeit aus der Umwelt gewährleistet sein muss. Die EU-Kommission will die neuen Gentechniken aber nun in einem neuen Gesetz außerhalb des bewährten Gentechnikrechts regeln und eröffnet damit zahlreiche Unsicherheiten.
Im Oktober 2022 veröffentlichte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) im Auftrag der Europäischen Kommission Kriterien für eine Risikobewertung von Pflanzen, die durch Mutagenese oder Cis-Genese gewonnen wurden. Doch die Auswirkungen auf Ökosysteme wurde nur sehr vage betrachtet. Insbesondere im Hinblick auf die Umweltverträglichkeitsprüfung bleiben viele Fragen offen. Die EFSA selbst erklärte damals, dass viele Aspekte weiterentwickelt und definiert werden müssen, bevor die Risikobewertungskriterien angewendet werden könnten.
Für die Öko-Anbauverbände Bioland und Demeter ist das keine geeignete Grundlage, um über eine mögliche Deregulierung Neuer Gentechniken auf politischer Ebene zu entscheiden. Sie fordern daher eine fundierte Folgenabschätzung darüber, welche Auswirkungen Neue Gentechnik auf resiliente Anbausysteme und Ökosysteme haben würden. Zum jetzigen Zeitpunkt seien noch zu viele Fragen ungeklärt: ökologische Risiken sowie Fragen der Patente und Koexistenz. Eine Deregulierung des Gentechnikrechts konterkariere zudem die europäischen und nationalen Ökolandbau-Ausbauziele, so die beiden Verbände.
Zum Bioland-Verband
Bioland ist der bedeutendste Verband für ökologischen Landbau in Deutschland und Südtirol. Mehr als 10.000 Betriebe aus Erzeugung, Herstellung und Handel wirtschaften nach den Bioland-Richtlinien. Gemeinsam bilden sie eine Wertegemeinschaft zum Wohl von Mensch und Umwelt.
Demeter steht für konsequente Bio-Lebensmittel, die im Einklang mit der Natur erzeugt werden. Seit 1924 praktizieren Landwirt:innen biologisch-dynamische Landwirtschaft, die eine lebendige Kreislaufwirtschaft fördert und deshalb Pionier in Sachen Nachhaltigkeit ist.
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