Handelsverbot als einzig verbleibende Lösung gegen die weltweite Massenausbeutung der Haie für den internationalen Flossenhandel
Keine Tierart sollte infolge des internationalen Handels vom Aussterben bedroht sein und schon gar nicht wegen des Wertes eines einzelnen Körperteiles. Da sind sich Artenschützer, Politiker und die Allgemeinheit zumindest bei den Landtieren und den Meeressäugern relativ einig. Wie sieht es aber mit den Meeresbewohnern aus, die wir landläufig als Fische betrachten und die daher sowohl in europäischen Gewässern als auch weltweit vor allem um ihrer Flossen willen gefangen werden – als Zielspezies oder als gern gesehener Beifang in der Fischerei?
Haie und Rochen (gemeinsam auch als Plattenkiemer oder Elasmobranchii bezeichnet) sind unverzichtbar für gesunde und widerstandsfähige Meere und diese wiederum sind unsere letzte Bastion gegen den immer schneller voranschreitenden Klimawandel. Haie haben eine unverzichtbare Rolle in den komplexen Nahrungsnetzen im Meer und werden aus gutem Grund oftmals auch als die Gesundheitspolizei der Meere bezeichnet. Nachweislich sind Riffe und Meeresgebiete, in denen es noch gesunde Haibestände gibt, ökologisch vielfältiger und auch fischreicher. Doch weltweit gehen die Artenvielfalt und die Fischbestände dramatisch zurück, was sich zum zunehmenden Problem für die Nahrungssicherheit v.a. im globalen Süden, aber auch für unser aller Klima entwickelt. Über 50% unseres Sauerstoffs stammen aus den Ozeanen und ein Großteil der vom Menschen stammenden Treibhausgase wurden bisher von den Meeren aufgenommen – allesamt unverzichtbare Ökosystemleistungen der Meere. Um diese Funktionen auch in Zukunft sicherzustellen, braucht es artenreiche Ozeane und genau dafür sind die in allen Meeresregionen und -tiefen vorkommenden artenreichen Plattenkiemer unverzichtbar: als Top Prädatoren in der Hochsee und an den Korallenriffen, als Bewohner der Küstenregionen und der Tiefsee.
Über ein Drittel aller Hai- und Rochenarten sind bereits vom Aussterben bedroht
Über 100 Millionen Haie werden jährlich durch die Fischerei getötet, vielfach nur um den Wert ihrer Flossen willen, die dann als Haifischflossensuppe auf asiatischen Tellern landen. Und nicht nur Haie, sondern auch viele Rochenarten sind begehrte Flossenlieferanten, die oftmals sogar Höchstpreise von 1000$ pro kg auf den asiatischen Märkten erzielen. Als Folge dieser massiven Ausbeutung sind mittlerweile weltweit über ein Drittel aller Hai- und Rochenarten vom Aussterben bedroht und die Populationen der Hochseehaie in den letzten 50 Jahren bereits um über 70 % zurückgegangen, als Folge der Überfischung, getrieben durch den internationalen Flossenhandel.
Nicht umsonst wurden letztes Jahr 60 weitere Hai- und 37 Rochenarten in den Anhang II des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) aufgenommen, um den internationalen Handel mit diesen Arten strenger zu regulieren. Allerdings ist es bei mehreren Tausend Tonnen an Flossen, die allein in der EU jährlich gehandelt werden, nahezu unmöglich zu identifizieren, um welche Arten es sich dabei jeweils handelt und ob die für den Handel erforderlichen Erlaubnisse entsprechend vorliegen. „Welcher Zöllner kann in der Praxis bei einer Ladung von mehreren Tonnen an abgetrennten Flossen sicher unterscheiden, ob es sich dabei tatsächlich um die Arten handelt, für die die erforderlichen Ausfuhrpapiere vorliegen? Oder ob sich eben doch auch Flossen von bedrohten Arten darunter befinden, für die solche Unbedenklichkeitserklärungen (engl. Non Detriment Findings) nicht vorliegen? Oder ob es sich sogar um Flossen handelt, die durch Finning gewonnen wurden?“, erläutert Dr. Iris Ziegler von der Artenschutzorganisation Sharkproject die Forderung der Bürgerinitiative. Eine eindeutige Identifizierung der jeweiligen Art aus getrockneten oder gefroren transportierten Flossen ist nur anhand teuer und oftmals zeitaufwendiger DNA-Tests möglich. Nach dem Willen der EU-Bürger sollen zukünftig in der EU daher Haie und Rochen nur noch importiert oder exportiert werden dürfen, wenn sich alle Flossen noch am jeweiligen Tierkörper befinden, jedoch keine abgetrennten Flossen mehr.
Während seit 2013 in der EU die Flossen von Haien ausnahmslos erst nach der Anlandung von den Körpern der Tiere abgetrennt werden dürfen, ist es in vielen anderen Regionen der Welt noch immer erlaubte Praxis, die Flossen bereits auf See abzutrennen, solange die Haikörper ebenfalls an Bord verbleiben. „Experten sind sich aber einig, dass das Finning, d.h. das Abtrennen der Flossen und das Entsorgen der Tierkörper auf See nicht ausgeschlossen werden kann, solange das Abtrennen auf See noch erlaubt ist“ bestätigt Petra Schwerdtfeger von Sharkproject. „Zudem gibt es kaum Kontrollen, ob die geltenden Vorschriften tatsächlich eingehalten werden, weder auf See noch in den Häfen“ ergänzt sie.
Rochen sind auch in der EU von der Anforderung nach Anlandung der Tiere samt aller Flossen explizit ausgenommen.
Die Europäische Union gehört weltweit zu den 15 größten Haifischfangnationen und importiert selbst Flossen aus Drittländern. Die EU exportiert Flossen hauptsächlich nach Südostasien.
Zeit zu Handeln
Die Unterzeichnenden des Offenen Briefes begrüßen die Bemühungen der Europäischen Union zur EU-Biodiversitätsstrategie und dem Green Deal der EU, betonten jedoch auch, dass die EU ihren Verpflichtungen zum Schutz der Haie und Rochen nachkommen und die Erfüllung der Artenschutzbestimmungen sicherstellen müsse.
Durch ein Verbot des Handels mit abgetrennten Flossen werde sowohl eine nachhaltige „Blue Economy“ als auch die Ernährungssicherheit unterstützt. Daher fordern die unterzeichnenden Organisationen die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, den Worten endlich Taten folgen zu lassen und sich der wachsenden Zahl von Nationen (Kanada, USA, UK, Österreich, zahlreiche Pazifikstaaten) anzuschließen, die den Schutz der Meere und der Haie ernst nehmen, indem sie entsprechende Handelsbestimmungen bereits in die Tat umsetzen. Jetzt sei die Zeit zu handeln!
Anhörung im Parlament für eine mögliche neue Gesetzgebung
Am 11. Januar 2023 wurden die 1,1 Millionen Unterschriften der Europäischen Bürgerinitiative „Stop Finning – Stop the Trade“ in Unterstützung für ein Handelsverbot für abgetrennte Flossen bei der Europäischen Kommission eingereicht.
Am 27. März 2023 wird ab 15:00 Uhr eine Delegation der Bürgerinitiative, darunter die renommierte Wissenschaftlerin und Meeresschützerin Dr. Sylvia Earle, gemeinsam mit Artenschützern sowie weiteren Experten, die Hintergründe und Forderung der Initiative in einer öffentlichen Anhörung in Brüssel mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments diskutieren. Diese kann hier als Liveübertragung mitverfolgt werden:
https://www.europarl.europa.eu/committees/en/pech/meetings/webstreaming
Die EU-Kommission ist verpflichtet, spätestens 6 Monate nach Einreichen der Initiative ihr weiteres Vorgehen hinsichtlich der vorgeschlagenen Gesetzesänderung bekannt zu geben und im Falle einer Ablehnung ihre Gründe schriftlich zu begründen. Fällt die Entscheidung positiv aus, wird die Initiative durch das einschlägige Gesetzgebungsverfahren laufen und idealerweise in einer entsprechenden Handelsregulierung enden.
Hintergrundinfos:
Offener Brief von 111 Meeresschutz- und Tierschutzorganisationen an die Abgeordneten des Europaparlaments.
https://www.europarl.europa.eu/committees/en/public-hearing/product-details/20230321CAN69203
Sharkproject ist eine internationale Artenschutzorganisation, die sich seit über 20 Jahren für den Schutz der Haie und ihres marinen Lebensraumes einsetzt. Neben Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu Meeresschutzthemen engagiert sich Sharkproject vor allem für ein globales Umdenken in Bezug auf die Nutzung unserer Meere, wirklich nachhaltige Fischerei, Beifang Reduzierung und die Errichtung von Schutzgebieten. Alle Mitarbeitenden arbeiten ehrenamtlich und alle Spendengelder kommen direkt Haischutz-Projekten zugute. Neben der Dachorganisation Sharkproject International gibt es Landesorganisationen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Sharkproject ist Mitglied der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC) und setzt sich für ein Moratorium gegen den Tiefseebergbau und die Einstellung von zerstörerischen Fangmethoden ein.
SHARKPROJECT
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