HydroSKIN: Textile Gebäudehülle mindert Hochwasser- und Hitzerisiken in den Städten
Essenzieller Risikofaktor für katastrophale Klimaereignisse sind die hohe Flächenversiegelungsanteile in den Städten. Asphaltierte und betonierte Oberflächen absorbieren die eintreffende Solarstrahlung und wandeln diese in Wärme um. Im Gegensatz zu Grünflächen wird die Verdunstung von Wasser – und damit die natürliche Regulierung des Mikroklimas – durch versiegelte Straßen- und Gebäudeoberflächen zusätzlich eingeschränkt. Städtische Hitzeinseln entstehen.
Für Regenwasserreservoire und Retentionsbecken fehlt in innerstädtischen Gebieten der Platz. Eintreffendes Regenwasser muss fast zur Gänze in die Kanalisation abgeführt werden, wo es durch steigende Niederschlagsraten und vermehrt abflusswirksame, versiegelte Flächen zu einer Überlastung der Kanalisation mit schwerwiegenden Überflutungen kommt.
Dringend benötigt werden urbane Flächen zur Regenwasserrückhaltung und Regulierung des Mikroklimas durch Verdunstungskühlung – Flächen, die keinen kostbaren städtischen Lebensraum einnehmen, um dennoch wirksam und wirtschaftlich gegen die beiden immer akuter werdenden Klimagefahren vorzugehen.
Eine universell anwendbare Lösung zur Klimaanpassung der Städte hat nun Christina Eisenbarth vom Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) an der Universität Stuttgart hervorgebracht. Die Architektin hat ein hydroaktives Fassadensystem entwickelt, das als artifizielle Retentionsfläche in der Gebäudehülle fungiert.
Die leichten, textilen Fassadenelemente mit dem Namen „HydroSKIN“ nehmen das schräg auf die Gebäudehülle treffende Regenwasser auf und geben in Hitzeperioden Wasser ab, um Gebäudeinnenraum und Stadtraum durch Verdunstung natürlich zu kühlen. Die Größe der Elemente ist flexibel. Ihr minimales Flächengewicht ermöglicht eine einfache Montage an sämtlichen konventionellen Fassaden im Neubau sowie auch im Gebäudebestand.
Das Kernelement der HydroSKIN ist ein so genanntes Abstandsgewirke, zwei textile Lagen, die durch Fäden auf Abstand gehalten und dadurch gut durchlüftet werden. Die hohe Luftzirkulation fördert die Verdunstung von Wasser und verstärkt den Kühleffekt der Fassade. Das Gewirke ist an der Außenseite von einer wasserdurchlässigen Textilhülle umgeben, die nahezu alle Regentropfen eindringen lässt und gleichzeitig das Gewirke vor Verunreinigungen durch Insekten und Blätter schützt. Eine Folie an der Innenseite leitet das Wasser in das untere Profilsystem ab. Von dort kann es, entweder in einem Reservoir gespeichert oder direkt im Gebäude genutzt, den Wasserverbrauch reduzieren. An heißen Tagen wird Wasser in das Fassadenelement zurückgeleitet, verdunstet dort und sorgt so für den natürlichen Kühleffekt durch Evaporation. Gekühlt wird nicht nur das Innere des Gebäudes, sondern auch die Umgebung.
Besonderes Potential für hydroaktive Gebäudehüllen bieten Hochhäuser. Nicht nur aufgrund ihrer immensen Fassadenfläche. Mit zunehmender Gebäudehöhe trifft der Regen durch die hohen Windkräfte als Schlagregen schräg auf die Gebäudefassade, so dass ab etwa 30 Metern Gebäudehöhe mehr regen auf die Fassade trifft als auf eine gleich große horizontale Dachfläche. Zum anderen verstärken die hohen Windgeschwindigkeiten den Verdunstungskühleffekt, wobei ein kühler Luftstrom entsteht, der abwärts in den Stadtraum zieht.
In Laboruntersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Oberflächentemperatur der HydroSKIN Fassade durch den Effekt der Verdunstungskühlung um ca. zehn Grad gesenkt werden konnte. Nun werden die hydroaktiven Fassadenelemente unter realen Witterungsbedingungen am D1244 Hochhaus der Universität Stuttgart getestet: Fünf HydroSKIN-Elemente wurden im zehnten Stockwerk des adaptiven Hochhauses angebracht, wo durch umfangreiche Messeinrichtungen die Wasseraufnahmefähigkeit der Fassade bei Regen wie auch ihre Verdunstungsleistung in Hitzeperioden erfasst wird.
Die Erfindung wurde zum Patent angemeldet. Die Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH unterstützt die Universität Stuttgart bei der Patentierung und Vermarktung der Innovation. TLB ist mit der Verwertung der Technologie beauftragt.
Für weitere Informationen: Dr. Frank Schlotter (schlotter@tlb.de)
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