Gesundheit & Medizin

Personalisierte Therapie beim Multiplen Myelom

Forscher des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben eine neue Behandlungsmöglichkeit beim Multiplen Myelom erprobt. Bei Patienten, die eine bestimmte Mutation des Signalmoleküls BRAF in sich tragen, wird dieser Signalweg mit zielgerichteten Medikamenten gehemmt. In einer Studie, die die neue Behandlung untersucht, lag die Gesamtansprechrate bei über 83 Prozent.

Bei einem kleinen Anteil von Patienten mit neu diagnostiziertem Multiplem Myelom werden aktivierende Mutationen des Signalmoleküls BRAF gefunden. Die Häufigkeit dieser Mutationen steigt in späten Stadien, wenn die Erkrankung nicht mehr auf die bisherige Behandlung anspricht, und ihr Auftreten ist mit einer ungünstigen Prognose verbunden. In einer Phase II-Studie hat eine Gruppe von Forschenden untersucht, inwiefern eine kombinierte BRAF/MEK-Hemmung mit zielgerichteten Medikamenten eine wirksame und sichere Behandlung darstellt. Die Studie der German-Speaking Myeloma Multicenter Group (GMMG) schloss Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem, also einem wiedergekehrten oder nicht mehr auf Behandlung ansprechenden Multiplen Myelom (RRMM) ein, die eine aktivierende BRAF V600E-Mutation in den Myelomzellen tragen.

Bei den in die Studie aufgenommenen Patienten waren im Mittel fünf Therapielinien vorausgegangen. Die Studie untersuchte die Gesamtansprechrate, die innerhalb des ersten Jahres nach Beginn der neuen Behandlung erreicht wurde: Sie lag bei über 83 Prozent, bei jedem vierten Patienten konnte sogar keine relevante Krankheitsaktivität mehr nachgewiesen werden. Das mittlere progressionsfreie Überleben lag bei 5,6 Monaten, bei jedem dritten Patienten hielt der Therapieerfolg sogar mehr als 12 Monate an. Die Gesamtüberlebensrate lag nach 24 Monaten bei 55 Prozent.

Die Forschenden konnten durch die Studie erstmals zeigen, dass die kombinierte BRAF/MEK-Hemmung bei Patienten mit BRAF V600E-mutiertem RRMM hochwirksam ist. Marc-Steffen Raab, Leiter des Heidelberger Myelomzentrums an der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Rheumatologie, UKHD, NCT Heidelberg und Arbeitsgruppenleiter am DKFZ, ist Letztautor der Publikation. Er sagt: "Mit der BRAF/MEK-Hemmung haben wir einen erfolgreichen zielgerichteten Ansatz der Präzisionsmedizin beim rezidivierten und refraktären Multiplen Myelom identifiziert. Kurz gesagt: Personalisierte Therapie ist beim Multiplen Myelom auch in fortgeschrittenen Erkrankungsstadien möglich und erfolgreich."

Für das klinische Management ergibt sich aus dem Ergebnis der Studie somit eine neue Option: "Ein BRAF-Test sollte bei allen refraktären Myelompatienten in Betracht gezogen werden. Findet sich eine aktivierende BRAF-Mutation, kann die Behandlung mit BRAF/MEK-Hemmern folgen, da man bei Patienten dadurch ein schnelles und zum Teil sogar langanhaltendes Ansprechen erreichen kann", sagt Marc-Steffen Raab.

Die Studie wurde im Rahmen des Programms NCT Proof of Concept durchgeführt. Das NCT Proof of Concept (PoC) Trial Program finanziert innovative Ideen und dient dazu, wissenschaftliche Erkenntnisse schnell in klinische Anwendungen umzusetzen. Das Programm veröffentlicht regelmäßig Ausschreibungen für Projekte, die klinisch relevante, international wettbewerbsfähige Spitzenforschung beschreiben, darunter klinische Translationsstudien, klinische Proof-of-Concept-Studien und frühe innovative klinische Diagnose- oder Interventionsstudien (Phase I/II-Studien). Seit 2015 wurden 60 Projekte angenommen. Die Studie wurde zudem von der Dietmar Hopp Stiftung unterstützt. "Wir sind für die finanzielle Unterstützung, die an dieser Stelle die neuen Erkenntnisse möglich gemacht hat, sehr dankbar", sagt Marc-Steffen Raab.

Publikation:
Nicola Giesen, Manik Chatterjee, Christof Scheid, Alexandra M. Poos, Britta Besemer, Kaya Miah, Axel Benner, Nicole Becker, Thomas Moehler, Ivana Metzler, Cyrus Khandanpour, Andrea Seidel-Glaetzer, Karolin Trautmann-Grill, K. Martin Kortüm Carsten Müller-Tidow, Gunhild Mechtersheimer, Benjamin Goeppert, Albrecht Stenzinger, Niels Weinhold, Hartmut Goldschmidt, Katja C Weisel, Marc S Raab: A phase II clinical trial of combined BRAF/MEK inhibition for BRAFV600E-mutated multiple myeloma; doi: 10.1182/blood.2022017789

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.

Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 84.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 Patienten ambulant behandelt.

Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter.

Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion.

Über Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg

Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg und der Deutschen Krebshilfe. Ziel des NCT ist es, vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung möglichst schnell in die Klinik zu übertragen und damit den Patienten zugutekommen zu lassen. Dies gilt sowohl für die Diagnose als auch die Behandlung, in der Nachsorge oder der Prävention. Die Tumorambulanz ist das Herzstück des NCT. Hier profitieren die Patienten von einem individuellen Therapieplan, den fachübergreifende Expertenrunden, die sogenannten Tumorboards, erstellen. Die Teilnahme an klinischen Studien eröffnet den Zugang zu innovativen Therapien. Das NCT ist somit eine richtungsweisende Plattform zur Übertragung neuer Forschungsergebnisse aus dem Labor in die Klinik. Das NCT kooperiert mit Selbsthilfegruppen und unterstützt diese in ihrer Arbeit. Seit 2015 hat das NCT Heidelberg in Dresden einen Partnerstandort. In Heidelberg wurde 2017 das Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) gegründet. Die Kinderonkologen am KiTZ arbeiten in gemeinsamen Strukturen mit dem NCT Heidelberg zusammen.

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