Die große Mobilitätswende der kleinen Beine
Warum sie mitradeln? So formuliert es Paul, 10 Jahre aus Köln: „Ich wünsche mir Radwege, auf denen ich vor den Autos geschützt bin!“ Kinder müssen zur Schule. Dass sie dort sicher ankommen, liegt in der Verantwortung der Erwachsenen bzw. des Gesetzgebers. Letzteren fordert die Kidical Mass auf, mit einem reformierten Straßenverkehrsrecht schnell adäquate Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Schutzbedürftigkeit von Kindern muss dieser in den Mittelpunkt stellen sowie Städten und Gemeinden die Freiheit geben, kinder- und fahrradfreundliche Maßnahmen nicht nur an einzelnen Gefahrenstellen umzusetzen, sondern im gesamten Stadtgebiet. Das umfasst u.a. geschützte oder baulich getrennte, breite Radwege, Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen innerorts sowie Schulstraßen ohne Autoverkehr.
Simone Kraus, Co-Initiatorin der Kidical Mass, bringt es auf den Punkt: „Kinder haben ein Recht darauf, sich sicher, selbstständig und geschützt zu bewegen. Erst wenn wir Kinder und vulnerable Menschen bei der Verkehrspolitik in den Fokus setzen, schaffen wir eine zukunftsgerechte Gestaltung des öffentlichen Raumes für alle. Städte wie Paris, Gent und Utrecht machen es jetzt vor und krempeln dafür das Verkehrssystem schnell und effizient um. Genauso wollen wir das auch!“
Verkehrsministerkonferenz – Kidical Mass wirkt für Veränderungen
Um die große Mobilitätswende der kleinen Beine zu verwirklichen, braucht es einen gesetzlichen Rahmen und eine klare politische Prioritätensetzung. Den Grundstein dafür hat die Petition für ein kinderfreundliches Straßenverkehrsrecht der Kidical Mass gelegt, die 2022 rund 90.000 Menschen unterzeichnet haben. Im März 2023 war „Kinderfreundliche Mobilität“ erstmalig Tagesordnungspunkt auf der Verkehrsministerkonferenz.
Die Verkehrsminister:innen der Länder fordern in einem gemeinsamen Beschluss von Bundesverkehrsminister Volker Wissing die im Koalitionsvertrag der Ampelregierung vereinbarte Reform von Straßenverkehrsgesetz (StVG) und -ordnung (StVO). Sie gehen sogar einen Schritt weiter. In der Begründung ihrer Forderung an den Minister folgen sie der Argumentation der Kidical Mass Petition. Ein kinderfreundliches Verkehrssystem sei wesentliche Voraussetzung für die selbstständige, aktive Mobilität der Kinder auf dem Weg zum Kindergarten oder zur Schule sowie in der Freizeit. Dies gelte auch für weitere vulnerable Gruppen. Ein zeitgemäßes Straßenverkehrsrecht und eine Verkehrsinfrastruktur, die diese Mobilität fördert, erhöht die Sicherheit und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum für alle Bevölkerungsgruppen.
Es geht also nicht nur um sichere Mobilität, sondern um eine bessere Lebensqualität für alle Generationen. An diesen Auftrag werden die Teilnehmer:innen der Kidical Mass die Entscheidungsträger:innen aus Politik und Verwaltung im ganzen Land bunt und lautstark erinnern.
Zitate der Organisationen des Kidical Mass Aktionsbündnisses:
ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters: „Ob in Großstädten oder auf dem Land: Immer mehr Menschen fahren im Alltag mit dem Fahrrad, das zeigen Umfragen wie der ADFC-Fahrradklima-Test. Aber: Die Radfahrbedingungen in deutschen Städten und Kommunen sind oft noch unbefriedigend. Damit alle Menschen, auch Kinder, Jugendliche und Senior:innen, sicher und selbstständig Rad fahren können, brauchen wir ein modernes Straßenverkehrsrecht und durchgängige Radwegenetze. Wir fordern Verkehrsminister Wissing daher auf, das Straßenverkehrsgesetz zu modernisieren und Verkehrssicherheit, Klimaschutz und Lebensqualität ganz oben auf die Agenda zu setzen – damit sich Radfahren jeden Tag anfühlt wie auf einer Kidical Mass.“
Annika Liebert, Campact: „Wir müssen bei einer ernst gemeinten Verkehrswende auch die Bedürfnisse der kleinsten Verkehrsteilnehmenden ins Auge fassen. Der Scheuklappenblick von Verkehrsminister Volker Wissing auf Autobahnen bringt uns da nicht weiter – im Gegenteil, wir treten auf der Stelle. Mit tausenden radelnden Kindern und Erwachsenen in ganz Deutschland zeigen wir Wissing bei der Kidical Mass, wie eine wirkliche Verkehrswende aussieht.”
Ragnhild Sørensen, Changing Cities: „Täglich werden Kinder im Straßenverkehr verletzt. Nicht weil sie unvorsichtig sind, sondern weil ihre Sicherheit nicht priorisiert wird. Stattdessen geht es im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrsordnung um die Flüssigkeit und Leichtigkeit des Autoverkehrs. Mit den Kidical Masses zeigen wir, wie Flüssigkeit und Leichtigkeit der kindlichen Mobilität aussehen können: Sicher, gemeinschaftlich und mit Freude. Der positive Nebeneffekt: Sichere Wege für Kinder sind sichere Wege für alle.“
Barbara Stoll, Director, Clean Cities Campaign: „Jedes Jahr sterben in Europa rund 1.200 Kinder an den Folgen giftiger Luftverschmutzung. Zudem kommen jährlich mehr als 500 von ihnen bei Verkehrsunfällen ums Leben. Das sind erschreckende Zahlen, die die Verantwortlichen in Städten und Regierungen zu einem besseren Schutz der Kinder bewegen sollten. Schulstraßen schaffen ein gesünderes und sichereres Umfeld an Schulen und bringen Eltern dazu, statt dem Elterntaxi per Pkw auch gesündere und sauberere Alternativen wie Zufußgehen, Radfahren und die öffentlichen Verkehrsmittel in Betracht zu ziehen. Unsere Regierungen müssen unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um in ganz Europa kindgerechte Straßen zu schaffen."
Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes, Holger Hofmann, betont: „Es braucht endlich eine ganzheitliche Entwicklung von Städten und Gemeinden, in denen sich auch die Kinder und Jugendlichen wohlfühlen. Deshalb sollten wir dazu übergehen, der jungen Generation auch im Bereich der Stadt- und Verkehrsplanung kontinuierlich, umfassend und möglichst frühzeitig Mitbestimmung zu ermöglichen. Dafür brauchen wir eine veränderte Verkehrspolitik, um für mehr Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr zu sorgen. Kinder, die sich selbständig im Straßenverkehr bewegen und beispielsweise mit dem Rad zur Schule kommen, nehmen ihre Umgebung aktiv wahr. Sie lernen, sich gut zu orientieren und auf sich selbst aufzupassen. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein – auch für andere Lebenssituationen. Daher fordern wir eine an den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen ausgerichtete Verkehrspolitik und eine echte Mobilitätswende.“
Kerstin Haarmann, VCD-Bundesvorsitzende: „Rasende Autos und schlechte Infrastruktur sind der Grund, weshalb Eltern ihre Kinder lieber im Auto durch die Gegend chauffieren, statt mit ihnen aufs Rad zu steigen – und das heißt, es läuft etwas gehörig schief in der Verkehrspolitik. Mit der Kidical Mass bringen wir Kinder in Bewegung und rufen die Politik dazu auf, sichere Rahmenbedingungen zu schaffen und unsere Straßen fit für die Zukunft zu machen.“
Markus Burbach, Parents for Future Germany (Presse-Team): „Die Mobilitätswende hin zu einem Verkehrssystem, das möglichst wenig CO2 emittiert, ist essentieller Bestandteil einer Klimaschutzpolitik, die die Erderhitzung bei 1,5 Grad stoppen will. Ein wesentlicher Eckstein ist dabei der Ausbau der Fahrradinfrastruktur und die angstfreie Bewegung auf unseren Straßen für alle Menschen. Insbesondere Kinder, die Verkehrsanfänger*innen, brauchen sichere Wege. Auch im Verkehrssektor gilt: Klimapolitik muss generationengerecht sein.“
Elena Laidler-Zettelmeyer, Zukunft Fahrrad: „Die Grundlage unseres Mobilitätsverhaltens wird in der Kindheit gelegt. Können sich Kinder sicher und frei auf dem Fahrrad im Straßenraum bewegen, werden sie auch als Erwachsene die zahlreichen Vorteile des Fahrrads im Alltag zu schätzen wissen. Die Kidical Mass gibt Kindern die Möglichkeit, echte Freiheit und Autonomie auf dem Rad zu erleben. Denn in der Realität werden diese durch fehlende Infrastruktur und übermäßigen Autoverkehr beschränkt. Die Demonstration sendet ein deutliches Signal an die politischen Verantwortlichen: Sie sind gefragt, Kindern auch im Alltag genug Platz zum sicheren Radfahren zu schaffen.“
Über das Kidical Mass Aktionsbündnis: Die Kidical Mass ist eine weltweite Bewegung. Seit 2017 gibt es sie auch in Deutschland. Bei bunten Fahrraddemos erobern Radfahrende von 0 bis 99 Jahren die Straße. Die Kidical Mass setzt sich für kinder- und fahrradfreundliche Städte und Gemeinden ein. Herzstück des Aktionsbündnisses sind mehr als 400 lokale Organisationen und Initiativen. Ein einzigartiges Netzwerk – dezentral, selbstorganisiert und gemeinsam stark. Unterstützt wird es von den überregionalen Partner:innen: ADFC, Campact, Changing Cities, Clean Cities Campaign, Deutsches Kinderhilfswerk, Greenpeace, Parents For Future, Pro Velo Schweiz, VCD und Zukunft Fahrrad.
Changing Cities e.V.
Oberlandstr. 26-35
12099 Berlin
Telefon: +49 (30) 25781125
http://changing-cities.org
Telefon: +49 (171) 53577-34
E-Mail: ragnhild.soerensen@changing-cities.de