Schnelle Finanzhilfen sind noch vor der geplanten Krankenhausreform notwendig
Eine Blitzumfrage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) im März weist darauf hin, dass den Kliniken im Land allein im Jahr 2023 mindestens 800 Millionen Euro fehlen, wenn nicht schnell etwas geschieht. Anhand der Umfrage erwarten 76,8 Prozent der befragten Kliniken (BW) für 2023 ein negatives Ergebnis bei ihrer Gewinn- und Verlustrechnung. Bundesweit bewerten nur drei Prozent ihre wirtschaftliche Situation als gut.
Besonders politische Fehlentscheidungen haben die Situation in den vergangenen sechs Wochen noch einmal verschärft. Diese müssen als erstes korrigiert werden, so die Forderungen der Kliniken, die darüber hinaus weitere Hilfen für unabdingbar halten. Das Vertrösten auf eine künftige Krankenhausreform, die vielleicht eine bessere Finanzierung von Vorhaltekosten bringt, kann nicht hingenommen werden.
Darüber hinaus haben die jüngsten Entscheidungen des Bundesgesundheitsministeriums wichtiges Vertrauen in den noch anstehenden Reformprozess verspielt. So sehen es auch die Karlsruher Klinikchefs.
Steigende Tarifvergütungen
Die prekäre finanzielle Lage der Krankenhäuser wird durch die absehbar stark steigenden Tarifvergütungen zusätzlich verschärft. „Wir verstehen die Forderungen der Menschen, die täglich Herausragendes für unsere Patientinnen und Patienten leisten, und – das scheint zumindest die Politik schon wieder vergessen zu haben – uns durch die Corona-Pandemie gebracht haben. Krankenhäuser brauchen die finanziellen Rahmenbedingungen, um die wertvolle Arbeit unserer Pflegenden attraktiv zu gestalten. Nicht zuletzt können wir nur so dem Fachkräftemangel dauerhaft entgegenwirken“, stützt Jörg Schwarzer, Geschäftsführer am SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach die Forderungen zur Soforthilfe. „Wir können das Gehalt unserer Mitarbeitenden nur mit dem finanzieren, was uns die Politik als finanziellen Rahmen zur Verfügung stellt. Tarifsteigerungen dürfen nicht die Existenz von Einrichtungen bedrohen“, verdeutlicht Schwarzer die Situation der Krankenhäuser. „Wir gehen für das SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach, die ViDia Kliniken und das Städtische Klinikum Karlsruhe insgesamt von einer Steigerung der Personalkosten von mindestens 43 Millionen Euro aus. Dieser Anstieg von wenigstens 8 Prozent steht derzeit einem Anstieg des Landesbasisfallwertes von lediglich 4,32 Prozent für das Jahr 2023 gegenüber. Dass diese Rechnung mit den aktuell gegebenen Finanzierungsmechanismen für Krankenhäuser nicht aufgehen kann, erklärt sich von selbst“, ergänzt Caroline Schubert, Vorständin der ViDia Kliniken. „Noch in 2023 muss ein Ausgleich der zu erwartenden Tarifsteigerungen über den Landesbasisfallwert erfolgen.“
Entlastungen bei den Energiekosten und Inflationsausgleich
Es ist davon auszugehen, dass allein in Baden-Württemberg in Summe 85 Prozent der angekündigten Mittel überhaupt nicht zur Auszahlung kommen. Somit gehen viele Häuser leer aus. Hinzu kommt, dass alle anderen inflationsbedingten Kostensteigerungen bei den aktuellen Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung außen vorgelassen wurden. Das daraus resultierende Missverhältnis von Kosten und Erlösen wird gravierende Konsequenzen für die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser haben.
„Allein die drei Karlsruher Kliniken rechnen mit zusätzlichen Belastungen an nicht gedeckten Kosten im Bereich der Energie von 9 Millionen Euro und im Bereich der Sachkostensteigerungen von rund 15 Millionen Euro“, prognostiziert Markus Heming, Kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Karlsruhe, im Zuge der Pressekonferenz.
„Darum fordern wir als Klinikchefs einen direkten Ausgleich der nicht gedeckten Energiekosten auf Basis der Berechnungswerte von 2021. Darüber hinaus benötigen wir einen adäquaten Ausgleich für die inflationsbedingten Kostensteigerungen“, unterstreicht Heming.
Vergütung Fallpauschalen, Landesbasisfallwert und Ganzjahresausgleich
Das Ministerium hat ohne sachliche Grundlage die Vergütung der Fallpauschalen zu Lasten der Krankenhäuser gesenkt und den Häusern dadurch wichtige Einnahmen entzogen. Zudem ist die Berechnungsformel für den Landesbasisfallwert – das ist der Preis der Krankenhausleistungen – ungerechtfertigt verändert worden.
„Der Landesbasisfallwert liegt durch die willkürlichen Eingriffe des Gesetzgebers deutlich niedriger, für die ViDia Kliniken, das Städtische Klinikum und das SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach summiert sich dies auf mehr als 20 Millionen Euro. Das muss dringend korrigiert werden“, erklärt Richard Wentges, Vorstandsvorsitzender der ViDia Kliniken.
„Die Krankenhäuser erleiden darüber hinaus durch den hohen Rückgang der Fallzahlen erhebliche Umsatzeinbußen. Diese müssen durch einen Ganzjahresausgleich im Jahr 2023 vollständig ausgeglichen werden, bis eine grundlegend andere Finanzierungsform vereinbart ist, die die Vorhaltevergütung auf andere Art und Weise sicherstellt.“
Auswirkungen der aktuellen Situation auf die anstehende Krankenhausreform
Aus Sicht der Klinikchefs ist die aktuelle Entwicklung hochproblematische, nicht nur für die Versorgung der Bevölkerung, sondern auch für die später umzusetzende Krankenhausstrukturreform. „Die Diskussion über eine dringend notwendige Krankenhausstrukturreform steht momentan im Fokus des politischen Handelns. Zuerst einmal müssen aber sofort die finanziellen Rahmenbedingungen für die Kliniken so verbessert werden, dass mit den dann stabilisierten Kliniken und den Ländern die Vorgaben einer gesetzlichen Strukturreform der Krankenhauslandschaft überhaupt sinnvoll angegangen werden können“, erklärt Prof. Dr. Michael Geißler, Medizinischer Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Karlsruhe.
„Wir fordern von der Politik die dringende Einbeziehung der Krankenhäuser in die Ausgestaltung der geplanten Krankenhausreform“, fordert Richard Wentges, der zugleich 2. Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der katholischen Krankenhäuser in der Baden-Württemberg ist. „Eine Reform der Krankenhauslandschaft ist ohne Zweifel grundsätzlich notwendig. Wenn Herr Lauterbach aber die eigentlichen Experten in die Überlegungen der Expertenkommission nicht einbezieht, sehen wir die Versorgung gefährdet“, so Wentges weiter.
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