Unabhängigkeit wahren als Gebot der Stunde
Der mit der Energiewende verbundene Transformationsprozess sorgt für Bewegung in der deutschen Wirtschaft. Nachdem Anfang April das unter anderem in der PV-Installation tätige Start-up „Installion“ unter das Unternehmensdach des Ökostromanbieters „Lichtblick“ schlüpfte, gab nun überraschend der traditionsreiche Heizungsbauer Viessmann den Verkauf seines Hauptgeschäfts an das US-Unternehmen Carrier Global bekannt. Beide Unternehmen reagieren damit auf die sich verändernden Marktbedingungen, bündeln Kräfte und Know-how und stellen sich neu für Energie- und Wärmewende auf. Beide Vorgänge verbindet zudem, dass sich große Unternehmen über Handwerkernetzwerke Zugang zu Installationsleistungen – in Zeiten des Fachkräftemangels ein knappes Gut – und damit zum Markt verschaffen wollen. Dafür werden die Handwerkernetzwerke quasi „mitverkauft“.
Auch die Handwerkernetzwerke im Blick
Die der hohen Dynamik der Energiewende geschuldeten Eigentümerwechsel werden – darauf weist der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) hin – auch Auswirkungen auf elektrohandwerkliche Betriebe haben. So ist, wer dem Montagenetzwerk von Installion angehört, mit dem Verkauf des Start-ups künftig exklusiv für den Ökostromanbieter tätig. Handwerksunternehmen sowie Kunden von Installion verlieren damit einen bisher breit engagierten Partner. Für E-Handwerksbetriebe, die mit dem zweistufig orientierten Heizungsbauer zusammenarbeiten, besteht durch die enge Bindung an dessen Produkte, Plattform und Software wiederum die Gefahr, von einem Unternehmen abhängig zu sein, das seine Entscheidungen künftig nicht mehr mit Blick auf den Standort Deutschland trifft.
Nutzung proprietärer Plattformen erhöht Abhängigkeit
„Gerade durch die zunehmende Digitalisierung wächst das Risiko eines Lock-in-Effektes“, so ZVEH-Präsident Lothar Hellmann: „Handwerker drohen, abhängig von Unternehmen und deren Netzwerken zu werden, wenn das Geschäft auf der proprietären Nutzung von Plattformen aufbaut. Denn das erschwert es den Betrieben, zu einem anderen Hersteller zu wechseln. Mit den Unternehmensverkäufen wandern zudem die durch das Handwerk und seine Arbeit generierten Daten und Kundenbeziehungen ab. Auf keinen Fall darf das zu einem Vertrauensschaden für unsere Handwerksunternehmen führen.“
ZVEH-Hauptgeschäftsführer Alexander Neuhäuser ergänzt: „Mehr denn je müssen Handwerksbetriebe auf ihre Unabhängigkeit achten. Dazu gehört es, Digitalkompetenz aufzubauen und auf Offenheit sowie Standardisierung zu setzen. Der ZVEH engagiert sich deshalb für die Entwicklung entsprechender handwerksorientierter Technologien. Die divers und innovativ aufgestellte Elektrobranche wie auch die Politik fordern wir auf, dies zu unterstützen, damit das Handwerk seine Rolle als freier und unabhängiger Partner des Kunden weiter ausfüllen kann.“
Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) vertritt die Interessen von 48.614 Unternehmen aus den drei Handwerken Elektrotechnik, Informationstechnik und Elektromaschinenbau. Mit 527.354 Beschäftigten, davon 45.967 Auszubildende, erwirtschaften die Unternehmen einen Jahresumsatz von 81,4 Milliarden Euro. Dem ZVEH als Bundesinnungsverband gehören zwölf Landesverbände mit 313 Innungen an.
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