Klimaschutz braucht funktionierende Kapitalmärkte
Wie stark das Thema Zins den Klimaschutz tangiert, verdeutlicht die Studie mit einer markanten Zahl: Aus der aktuellen Differenz zwischen Spar- und Kreditzins, im globalen Durchschnitt 5,1 Prozentpunkte, resultiert eine zusätzliche Erderhitzung um 0,2 Grad Celsius. Für diesen Vergleich mit einer friktionslosen Wirtschaft, in der dieser Zinsspread gleich null wäre, unterstellt das Forschungsteam in seiner modellhaften Betrachtung eine Klimapolitik nach dem Kosten-Nutzen-Prinzip: Die Regierung kennt die exakte, im Zeitablauf steigende Höhe der Klimaschäden, verteuert den CO2-Ausstoß jeweils entsprechend der dadurch verursachten Schäden und kommt so auf einen kostenoptimalen Zeitpfad für steigende CO2-Bepreisung. Alternativ braucht sie, wenn sie sich an einem festen Temperaturziel orientiert, aufgrund des aktuellen Zinsspreads eine 27 Prozent höhere CO2-Bepreisung als in einer Welt ohne den Kreditkostenaufschlag.
Für die Untersuchung hat das Forschungsteam ein ausgefeiltes Rechenmodell entwickelt und mit empirischen Daten gefüttert. „Wir identifizieren acht verschiedene Kanäle, über die der Zinsaufschlag für Kredite letztlich die Klimagas-Emissionen beeinflusst“, erklärt Matthias Kalkuhl, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung und Co-Autor der Studie. „Zwar gibt es auch bremsende Effekte – zum Beispiel verringern hohe Zinsen das Wachstum der Wirtschaftsleistung und damit auch des Energieverbrauchs. Aber es überwiegt eben die klimaschädliche Wirkung. So erhöht etwa der Kreditkostenaufschlag die Vermeidungskosten je Tonne CO2, sodass bei einer Orientierung am Kosten-Nutzen-Kalkül dann im Ergebnis weniger Klimaschutz praktiziert wird.“
Die Kernaussage der Studie für die Politik fasst ihr Leitautor Kai Lessmann vom Potsdam-Institut so zusammen: „Die Regierungen müssen genau hinschauen, ob der höhere Zins für Kredite nur die tatsächlichen Vermittlungskosten abbildet oder ob er auch Ausdruck für zu wenig Wettbewerb zwischen den Banken ist – wofür in der realen Welt einiges spricht. Wenn tatsächlich die Marktstruktur der Grund ist und sich auf mittlere Sicht nicht ändern lässt, dann kann die Politik kurzfristig durch Investitionsförderung wirksam gegensteuern.“ Dabei zeigt sich in der Studie: Wenn sich die Regierung zu einer allgemeinen Investitionsförderung entschließt, ist das für Klima und Wirtschaft noch besser, als wenn sie gezielt nur Ökoprojekte verbilligt. „Der Strukturwandel hin zu fossilfreien Technologien vollzieht sich dann von selbst“, erläutert Lessmann. „Weil diese in der Regel kapitalintensiver sind, also von sinkenden Kreditkosten stärker profitieren. Und weil ja zudem die über die Zeit steigende CO2-Bepreisung ihren Lenkungseffekt entfaltet.“
Die Bremswirkung hoher Kreditkosten auf den Klimaschutz, die nunmehr in bislang unerreichter Schärfe theoretisch ausgeleuchtet wird, ist vor allem in vielen Ländern des globalen Südens ein großes Problem. Die jährlichen Kapitalkosten in Prozent der Investitionssumme sind dort nicht selten zweistellig. Viele Solar- oder Windkraftparks wären zwar langfristig rentabler als Gas- oder Kohlekraftwerke – doch sie werden dort trotzdem nicht gebaut, weil man dafür am Anfang pro Megawatt installierter Leistung mehr Kapital benötigt. Zum Gegensteuern fehlt der Politik oft das Geld, sie setzt auf Hilfe aus dem reichen Norden.
Quellenhinweis zur zitierten Studie:
Lessmann, K., Kalkuhl, M., 2023, Climate finance intermediation: interest spread effects in a climate policy model, Journal of the Association of Environmental and Resource Economists (JAERE)
https://www.journals.uchicago.edu/doi/10.1086/725920
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