Mehr Inklusion im Gesundheits- und Pflegesystem gefordert
Rika Esser, die Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen, misst der zuverlässigen Gewährleistung von häuslicher Intensivpflege eine besondere Bedeutung zu: „Es bestehen trotz der Nachbesserung der Außerklinischen Intensivpflege-Richtlinie (AKI-RL) große Bedenken, dass durch die enormen Anforderungen an die Verordnung und Genehmigung so hohe Hürden geschaffen werden, dass die betroffenen Menschen die benötigte Pflege zu Hause nicht mehr beantragen können.“ Daher fordern die Beauftragten u.a., so Rika Esser weiter, eine ausreichende Zahl qualifizierter Medizinerinnen und Mediziner sicherzustellen sowie unnötige Mehrfachbegutachtungen zu vermeiden, bspw. bei Menschen mit progressiven Erkrankungen.
Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, fügt hinzu, dass er das vordringlichste Problem im Gesundheitsbereich in der fehlenden Barrierefreiheit von Arztpraxen sieht. „Es kann doch nicht sein, dass es immer noch Bundesländer gibt, in denen es nicht eine einzige barrierefreie gynäkologische Praxis gibt. Die medizinische Versorgung gehört zur Basis der Daseinsvorsorge. Dass Menschen mit Behinderungen hier immer noch ausgeschlossen werden, insbesondere wenn es um die ambulante Versorgung geht, ist eines Landes wie der Bundesrepublik Deutschland unwürdig“, so Dusel.
Außerdem sieht Jürgen Dusel großen Handlungsbedarf bei der Hilfsmittelversorgung insbesondere von Kindern und Jugendlichen: „Wenn Kinder ihre Hilfsmittel nicht zeitnah bekommen, schließen sich Zeitfenster, in denen Fähigkeiten aufgebaut bzw. deren Verlust verhindert werden kann. Es ist inakzeptabel, dass Krankenkassen Anträge, die von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten als dringend notwendig eingestuft werden, nach Aktenlage ablehnen.“
Prof. Dr. Helga Seel, die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR), mahnt eine Verbesserung der Rehabilitation von Menschen mit Schwerstverletzungen an. Sie erläutert dazu, dass viele Patientinnen und Patienten nach einer erfolgreichen Akutbehandlung im Krankenhaus immer noch einen hohen Unterstützungsbedarf haben, weil sie bspw. noch nicht wieder selbstständig essen können. Nach aktueller Definition gelten sie als „noch nicht reha-fähig“. Viele werden deshalb nach Hause oder in eine Pflegeeinrichtung entlassen, anstatt in eine Reha-Einrichtung. Daher fordert Prof. Dr. Seel: „Hochleistungsmedizin braucht Hochleistungsrehabilitation.“
Hintergrund:
Am 11. und 12. Mai 2023 kamen in Bad Nauheim die Konferenz der Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation e.V. (BAR) zu ihrem 65. Treffen zusammen. Die Treffen finden zweimal jährlich statt und dienen der Beratung aktueller behindertenpolitischer Themen. In seiner Grußbotschaft wies der Hessische Ministerpräsident, Boris Rhein auf die Bedeutung eines inklusiven Gesundheits- und Pflegesystems hin. Bei ihrer Begrüßung am Donnerstag betonte Anne Janz, Hessische Staatssekretärin für Soziales und Integration, dass Gleichberechtigung in Gesundheit und Pflege nur dann gelingen kann, wenn gleiche Zugänge zu allen Gesundheits- und Pflegeleistungen bestehen. Zum Fachaustausch trugen u.a. Stefan Schwartze, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, sowie verschiedene Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis mit ihren Vorträgen bei.
Die Bad Nauheimer Erklärung steht ab 14:15 Uhr unter www.behindertenbeauftragte.hessen.de zum Download bereit. Auf dieser Seite erscheint auch in Kürze diese Pressemitteilung in Einfacher Sprache.
Dienstsitz der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen
Mauerstraße 53
11017 Berlin
Telefon: +49 (30) 18527-2944
Telefax: +49 (30) 18527-1871
http://www.behindertenbeauftragter.de