Neuer Klima-Rechner für Kliniken
Gesundheitswesen verursacht mehr Treibhausgasemissionen als die Luftfahrt
„Das Öko-Institut geht davon aus, dass das Gesundheitswesen für rund fünf Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich ist – mehr als die Luftfahrt“, so Bonde. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht gar von 6,7 Prozent jährlich, das sind rund fünf Millionen Tonnen CO2. Trotz dieser Dimension hapert es nach Bondes Worten daran, „dass es für die Branche kaum verbindliche Reduktionsstrategien gibt. Ein solches Versäumnis können wir uns nicht länger leisten.“ Zugleich bringen nationale und EU-weite Vorgaben zum Klimaschutz die Branche erheblich in Zugzwang – etwa in Deutschland, das laut Klimaschutzgesetz bis 2045 klimaneutral sein muss, inklusive Gesundheitswesen. Oder auf EU-Ebene Richtlinien und Verordnungen, die binnen der nächsten Jahre Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit verlangen. Bonde zufolge gibt es noch einen anderen, globalen Zusammenhang: „Es geht ja nicht nur um einen Richtungswechsel allein für den Gesundheitssektor. Der so zu erzielende stärkere Klimaschutz zahlt zugleich auf die planetare Gesundheit insgesamt ein. Nur wenn die Erde gesund ist, bleibt der Mensch gesund.“
Öffentlich zugängliche Datenbasis wird anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt
Der durch die Freiburger Kooperationspartner nun auf Grundlage einer Fallstudie am Beispiel des Uniklinikums Freiburg bereitgestellte CO2-Rechner soll künftig anderen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bundesweit helfen, unterschiedliche Emissionstypen standardmäßig zu erfassen. „Zur Verfügung gestellt wird auf diese Weise nicht nur eine öffentlich zugängliche Datenbasis, sondern auch ein Berechnungstool auf Grundlage des Greenhouse Gas (GHG) Protocol“, erläutert der in der Stiftung für das Projekt zuständige DBU-Referatsleiter Dr. Alexander Bittner. Das GHG Protocol (deutsch „Treibhausgas-Protokoll“) dient der Bilanzierung von CO2-Emissionen. Es gilt unter anderem wegen seiner Prinzipien und drei Beobachtungsstufen (engl. Scope) als wichtigster und verbreitetster Standard für die THG-Berechnung von Organisationen – bislang allerdings vor allem auf Unternehmensebene und minimal im Gesundheitssektor: Lediglich drei Prozent der Kliniken in Deutschland erfüllen derzeit die Anforderungen des GHG Protocol.
Bonde: Das ist echte Pionierarbeit
Genau dies soll sich mithilfe des neuen CO2-Rechners ändern. Bittner: „Ziel ist, auf Grundlage aller drei Scopes eine THG-Bilanzierung von Kliniken und perspektivisch auch anderen Institutionen des Sektors zu ermöglichen.“ So umfasst „Scope 1“ die direkten THG-Emissionen wie eigene Anlagen oder Gebäude, „Scope 2“ den indirekten Ausstoß von Treibhausgasen etwa aus der Nutzung von extern bereitgestellten Energieträgern zum Beispiel für Wärme und Kühlung, „Scope 3“ schließlich THG-Emissionen, die durch Lieferketten oder Dienstleistungen entstehen. Berücksichtigt werden dabei auch Medikamentenherstellung sowie Produktion, Verpackung und Transporte nicht nur von Hygienemitteln, sondern auch von medizinischem Verbrauchsmaterial, Arzneien und Lebensmitteln. Dazu Bittner: „Besonders bei Scope 3 liegen noch zu wenige Daten vor.“ Diese Lücke will der Freiburger CO2-Rechner schließen. Aus gutem Grund: Denn der in Scope 3 anfallende Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase macht zwar häufig den Großteil der Emissionen eines Unternehmens aus, spielt oft jedoch in der CO2-Kalkulation keine oder eine nur geringe Rolle. DBU-Generalsekretär Bonde nennt die Leistung der Freiburger „echte Pionierarbeit. Denn die Daten und das Tool liefern die Option, den Ausstoß von Treibhausgasen größtmöglich zu bilanzieren. Erst dann weiß man, mit welchen Stellschrauben klimaschädliche Emissionen vermieden werden können.“
Klimaschädliche Narkosegase komplett ersetzt
Das Universitätsklinikum Freiburg hat im Zuge des Projekts diese Aufgabe schon bewältigt und kann nun zielgenau die Minimierung des CO2-Ausstoßes in Angriff nehmen: Das Krankenhaus emittiert im Klinikbetrieb rund 104.000 Tonnen Kohlendioxid; hinzu kommen bei der Produktion von Fernwärme für andere Einrichtungen etwa 41.000 Tonnen THG. Und bei der Eigenproduktion von Wärme, Kälte und Strom zur Nutzung in der Klinik schlagen ungefähr 33.000 Tonnen CO2 zu Buche. Gehandelt für mehr Nachhaltigkeit hat das Klinikum bereits: Besonders klimaschädliche Narkosegase sind komplett ersetzt worden, und das Tumorzentrum wird mit Schwarzwaldgrundwasser gekühlt. DBU-Generalsekretär Bonde: „Das zeigt, was alles möglich ist. Wir können im Gesundheitssektor viel für den Klimaschutz herausholen.“ Tatsächlich sind die Dimensionen riesig – in Deutschland mit seinen etwa 1890 Krankenhäusern ebenso wie in Europa mit nahezu 24.300 Kliniken und weltweit.
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