Zeichen gegen das Vergessen, gegen Hass und Ausgrenzung
Die Konrad-Adenauer-Stiftung vergibt den Deutschen Lokaljournalistenpreis Jahrgang 2022 an die Kieler Nachrichten für die Aktion „Licht zeigen“. Das Konzept dahinter: Der Freundeskreis Yad Vashem, seit geraumer Zeit auf der Suche nach neuen Wegen der Erinnerungskultur, ist auf die Kieler Nachrichten zugegangen. Es entstand die Idee, Ausstellungsstücke aus der Gedenkstätte in Israel mit ihrem Herkunftsort zu verknüpfen – so wie den Chanukka-Leuchter von Akiva Posner, dem letzten Kieler Rabbiner vor dem Holocaust. Die Posners veröffentlichten 1932 ein Foto, das weltberühmt wurde: der Chanukka-Leuchter auf der Fensterbank ihres Wohnzimmers – im Hintergrund auf der anderen Straßenseite eine Hakenkreuzfahne. Die Redaktion der Kieler Nachrichten machte den Leuchter nun zum Symbol gegen das Vergessen, gegen Hass und Ausgrenzung. Sie berichtete umfangreiche über die Hintergründe. Und sie verteilte über die gesamte Auflage der Zeitung einen Sticker, der den Channuka-Leuchter zeigt, um ihn am Holocaust-Gedenktag stadtweit sichtbar zu machen – und weit darüber hinaus.
In der Jurybegründung heißt es zur Auszeichnung für die Zeitung: „Ausgehend von der spannenden Geschichte des Chanukka-Leuchters und des symbolträchtigen Bildes von eben diesem Leuchter hat sie den Bogen bis in unsere Zeit gespannt. Indem die Redaktion berichtete, wie das jüdische Leben heute in Kiel aussieht, eröffnete sie eine Debatte, die bis zu den Wurzeln unseres Zusammenlebens reicht. […] Die Rolle der Medien wandelt sich. Menschen haben ein Bedürfnis nach Veränderung – dem müssen Medien gerecht werden, indem sie nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung sind. Das ist der Redaktion mit ihrer Berichterstattung über das jüdische Leben in Kiel und ihrer Licht-zeigen-Aktion in herausragender Weise gelungen.“
Zweiter Preisträger ist das Main-Echo aus Aschaffenburg für die Serie „Retter in Not“. Redakteurin Veronika Schreck hat sich umfassend mit der dramatischen Lage im Rettungswesen beschäftigt – beispielsweise Personalmangel, Nachwuchssorgen, Bürokratie, steigende Zahl von Einsätzen, aber auch die Anspruchshaltung vieler Menschen, die wegen Nichtigkeiten den Notruf wählen. „Veronika Schreck ist es in ihrer breit angelegten Serie hervorragend gelungen, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und die Debatte um Hilfe für den Rettungsdienst neu anzufachen. Und das auf allen Kanälen,“ so die Jury.
Der dritte Preis geht an den Kölner Stadtanzeiger für die investigative Recherche von Redakteurin Lena Heising „Betäubt, missbraucht, im Stich gelassen“. Gemeinsam mit einer Fernseh-Autorin hat sie zu schrecklichen Ereignissen in einem Klinikum – ein Arzt betäubte und vergewaltigte Patientinnen – und dem Versagen sämtlicher Verantwortlicher recherchiert. Die Jury würdigte den Beitrag als „große Reportage, in der die Geschehnisse aus der Perspektive mehrerer Opfer nachgezeichnet werden – ohne Sensationslust und mit viel Feingefühl für die Opfer“.
Den Volontärspreis erhalten – in einem ausgesprochen starken Bewerberfeld für das Jahr 2022 – die Volontärinnen und Volontäre von Märkischer Oderzeitung und Lausitzer Rundschau für das crossmedial umgesetzte Projekt „Alles Nazis in der Provinz? Rechtsextremismus in Brandenburg“. Normalerweise machten Redaktionsneulinge um dieses Thema einen Bogen, weil es schwierig und unangenehm sei, befand die Jury. Umso mehr sei der Mut der Volontärinnen und Volontäre zu loben: „Sie haben Klischees aufgegriffen, sind aber nicht in die Klischeefalle getappt. Mit diesem Projekt haben die Zeitungstitel dafür gesorgt, dass die Gesellschaft im Dialog bleibt. Die Beiträge zeichnen sich durch große Sachkunde und Sachlichkeit aus.“
Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Norbert Lammert, erklärt dazu: „Lokalzeitungen spielen eine entscheidende Rolle für den Zusammenhalt vor Ort – und damit für Demokratie und Gemeinwesen: Sie sind Foren des Dialogs, decken Missstände auf, bieten Haltung und Orientierung. Das tun sie in einem schwieriger werdenden Umfeld. Was uns trotz sinkender Auflagen, zurückgehender Anzeigenerlöse und der Zusammenlegung von ganzen Redaktionen aber optimistisch stimmen darf: Wie viele kluge, engagierte junge Menschen immer noch ihre berufliche Zukunft im Lokaljournalismus sehen; die mit unglaublich viel Sachverstand, Kreativität, Neugier und Herzblut bei der Sache sind und die Themen aufgreifen, die den Leuten unter den Nägeln brennen. Das belegen insbesondere die vielen qualitativ herausragenden Einsendungen für den Volontärspreis des Jahres 2022 eindrucksvoll.“
Zum Wettbewerb gab es insgesamt 313 Einsendungen aus dem Jahr 2022.
Von den 267 Einsendungen zum allgemeinen Wettbewerb waren außer den Preisträgern noch folgende Arbeiten in die Endauswahl gelangt: die Berliner Morgenpost für eine Reportage von Julian Würzer, die an einem Beispiel erzählt, wie sich Inflation und Energiekrise auf das Alltagsleben der Menschen in Berlin auswirken; der Fränkische Tag, der seine Langzeitrecherchen über Affären im Bamberger Rathaus fortführte und einen Fake-Account-Skandal beim SPD-Fraktionschef aufdeckte; der Kölner Stadtanzeiger für die kontinuierliche investigative Recherche von Reporter Joachim Frank über den Missbrauchs- und Finanzskandal im Erzbistum Köln; die Märkische Allgemeine Zeitung, deren Autorin Nadine Fabian im Rahmen der Berichterstattung über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine mit Zeitzeugen sprach, die als Kinder den Zweiten Weltkrieg erlebt hatten und mit den Traumata bis heute kämpfen; die Saarbrücker Zeitung, in der Reporterin Aline Pabst über Unregelmäßigkeiten bei einer Wahlversammlung der Grünen berichtet hatte; die Süddeutsche Zeitung, die durch eine exzellent recherchierte und hervorragend gestaltete Multimediastory Einblicke in die Abgründe des größten Polizeiskandals in München ermöglichte; der Zollern-Alb-Kurier, in dem Reporterin Nicole Leukhardt aufgedeckt hatte, dass seit Jahrzehnten die immer gleiche Fördergesellschaft ganz ohne Vergabeverfahren Millionenaufträge für die Landesgartenschauen erhält.
Von den 46 Einsendungen zum Volontärswettbewerb erreichten zusätzlich zum Preisträger-Projekt die Endauswahl: die Berliner Zeitung, für die Elizabeth Rushton eine Online-Reportage über den „Pick-up-Artisten DonJon“ schrieb, der nach schnellem Sex sucht und die dabei entstandenen Videos ungefragt ins Netz stellt; die Volontärinnen und Volontäre der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung für ihr multimediales Projekt #hannovermietet, das mit einer großen Live-Diskussion abgeschlossen wurde; die Volontärinnen und Volontäre des Südkuriers, die sich in einem digital angelegten Projekt „Unterwegs in die Zukunft“ mit der Mobilität in der Bodenseeregion beschäftigten.
Die Preise sollen voraussichtlich im November verliehen werden. Über den Ort werden wir rechtzeitig informieren. Weitere Informationen zum Deutschen Lokaljournalistenpreis gibt es hier.
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