EU-Parlament muss EMFA-Text verbessern
„Die Mechanismen, die vorgesehen sind, um Medieninhalte online vor missbräuchlicher Moderation durch Plattformen zu schützen, lassen den Plattformen zu viel Macht. Wer als Mediendiensteanbieter gilt und deshalb von besonderen Schutzmaßnahmen profitieren kann, sollte nicht willkürlich von den Plattformen bestimmt werden“, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF). „Wir sprechen uns dafür aus, im Text einen Hinweis auf die Journalism Trust Initiative (JTI) einzubauen, um den Ermessensspielraum für solche Entscheidungen deutlich einzuschränken. Nur Medien, die den höchsten Standards eines professionellen und verlässlichen Journalismus entsprechen, sollten von den vorgesehenen Privilegien bei der Content-Moderation profitieren können. Damit bliebe es zugleich weiter möglich, effektiv gegen Propaganda und Desinformation vorzugehen.“
Recht der Bürgerinnen und Bürger auf zuverlässige Informationen
Darüber hinaus sollten die Plattformen verpflichtet werden, zuverlässige Informationsquellen aktiv sichtbarer zu machen, indem sie ihre Empfehlungs- und Ranking-Algorithmen entsprechend anpassen. Diese von RSF empfohlene Logik des „positiven Kuratierens“ wäre eine Ergänzung zur Praxis des „negativen Kuratierens“, also des Löschens nicht-rechtskonformer Inhalte. So bliebe auch das Recht der europäischen Bürgerinnen und Bürger auf zuverlässige Informationen gewahrt. Informationen aus zuverlässigen Quellen eine größere Sichtbarkeit zu verschaffen, wäre ein großer Schritt zu einem demokratischeren Informationsraum. Einige Mitgliedsstaaten wie etwa Frankreich und die Slowakei unterstützen diesen Ansatz bereits.
Bedenklich ist aus Sicht von RSF der unzureichende Schutz von Medienschaffenden vor staatlicher Überwachung im Mandat des Rats. Durch die vom Rat vorgeschlagene Ausnahme zur „Wahrung der nationalen Sicherheit“ wird dieser Schutz ausgehöhlt. Wenn, wie jetzt vorgesehen, die Bestimmungen, die die Überwachung von Journalistinnen und Reportern verhindern sollen, „unbeschadet der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Wahrung der nationalen Sicherheit“ gelten sollen, wird damit grünes Licht für Staaten gegeben, die wie Griechenland oder Ungarn genau diesen Vorwand genutzt haben, um Medienschaffende auszuspionieren.
Um dies zu verstehen, muss man den Schritt in einen größeren Zusammenhang stellen. Einige Staaten sind verärgert über die Auslegungen der EU, insbesondere über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Begriff der nationalen Sicherheit. Damit wird der Europäische Rechtsakt zur Medienfreiheit zum Zankapfel in einem institutionellen Streit, der in keinem Zusammenhang zum eigentlichen Zweck des Vorhabens steht.
Journalistisches Kommunikationsgeheimnis braucht Garantien
Ausnahmen vom Grundsatz des Verbots, das Kommunikationsgeheimnis von Journalistinnen und Journalisten zu verletzen, unterliegen mit guten Gründen sehr strengen Beschränkungen: ein besonders starkes öffentliches Interesse, vorherige Genehmigung und laufende Kontrolle durch eine Justizbehörde, Anwendbarkeit nur für schwerste Verbrechen und eine Begründung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Überwachungsmaßnahmen.
Im Entwurf der Kommission zum EMFA waren diese Garantien größtenteils noch enthalten. Der Vorschlag des Rats erweitert diese Befugnisse nun aber erheblich. Die Absicht der Mitgliedstaaten, Journalistinnen und Journalisten effektiv zu schützen, wird dadurch ernsthaft in Frage gestellt.
Um Medienfreiheit und redaktionelle Unabhängigkeit in der EU wirkungsvoll zu schützen, ruft RSF die Abgeordneten des Europäischen Parlaments dazu auf, die vorgelegten Änderungsvorschläge aktiv in die eigene Verhandlungsposition einzuarbeiten.
Die verschiedenen Ausschüsse des Parlaments werden nun eine Entscheidungsverlage für das Plenum erarbeiten. In einem gemeinsamen „Trilog“ werden in den nächsten Monaten Parlament, Rat und Europäische Kommission den endgültigen Gesetzestext erarbeiten.
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