Gut fürs Klima, gut für die Bilanz: Szenarien und Standards für die Berichterstattung stützen Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität
Szenarioanalysen zum klimaneutralen Umbau der Wirtschaft stärken die strategische unternehmerische Ausrichtung auf dem Weg zur Klimaneutralität. Dabei unterstützen vor allem wissenschaftliche Szenarien und standardisierte Berichte die Unternehmen, das eigene Geschäftsmodell in Einklang mit dem Pfad zur Klimaneutralität zu bringen und darüber transparent zu berichten. Diese vorausschauenden Informationen helfen auch der Finanzwirtschaft. Banken, Fonds und andere Finanzinstitutionen können mit standardisierten Szenarioanalysen und Berichten zur Klimaneutralität Risiken der Transformation rechtzeitig erkennen. Daher können sie das eigene Portfolio resilient und klimaneutral gestalten sowie frühzeitig in Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität investieren, zeigt eine Studie von Klima-Ökonom*innen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Szenarien sind für Unternehmen ein wissenschaftlicher Ausgangspunkt, um Transformationshebel zu identifizieren und damit ihre Emissionen möglichst schnell zu reduzieren“, sagt Fernanda Ballesteros, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Klimapolitik am DIW Berlin.
Net-Zero-Szenarien zeigen klaren Pfad für Unternehmen mit Gebäudeportfolio
Ballesteros hat mit Karsten Neuhoff, Leiter DIW-Klimapolitik, und weiteren Wissenschaftler*innen acht Studien zur möglichen Klimaneutralität von so unterschiedlichen Institutionen wie Umweltbundesamt, Bundesverband der Deutschen Industrie oder Agora Energiewende im Zusammenhang analysiert. Am Beispiel von Unternehmen mit Gebäudeportfolio haben sie herausgearbeitet, was die Szenarien für die unternehmerische Strategie auf dem Weg zur Klimaneutralität bedeuten.
„Wenn das Ziel der Klimaneutralität ins Jahr 2035 vorgezogen wird, muss die Berichterstattung zu einem daraus entstehenden Stresstest-Szenario mit dem Kernszenario vergleichbar sein.“ Karsten Neuhoff
„Die jährliche Sanierungsrate steigt in den Szenarien bis 2045 von derzeit circa ein Prozent auf mindestens 1,5 bis zwei Prozent beziehungsweise deutlich über zwei Prozent“, schreiben die Autor*innen der DIW-Studie. „Der Anteil der Technologien auf Basis der erneuerbaren Energien erreicht 2030 bereits 46 bis 55 Prozent und steigt bis 2045 auf 94 bis 100 Prozent an, wobei Wärmepumpen mit rund 50 Prozent die dominierende Technik sind“, ergibt die Analyse der wissenschaftlichen Studien. Nach den Wärmepumpen folgt die Fernwärme in den Szenarien mit einem Anteil von etwa 20 bis 30 Prozent als zentrale Technologie. „Die Net-Zero-Szenarien zeigen einen klaren Pfad“, sagt Ballesteros. „Ein Unternehmen mit Gebäudeportfolio kann anhand der Szenarien sehen, was es im Gebäudebereich umsetzen muss, um die Emissionen zu reduzieren und klimaneutral zu werden.“
Standards für vergleichbare Berichterstattung stärken die Finanzwirtschaft
Entscheidend für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft ist, dass Unternehmen die Transformation mit vergleichbaren Indikatoren zur Transition dokumentieren. „Mit standardisierten Szenarien und einheitlicher Berichterstattung können Unternehmen auch Abweichungen von Net-Zero-Szenarien aufzeigen und erklären“, sagt Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am DIW Berlin. „Damit werden auch neue Techniken und innovative Strategien unterstützt, weshalb die Bundesregierung sich auch international für eine Vereinheitlichung von vorausschauenden Berichtsstandards und Szenarienrahmen einsetzen sollte.“ Damit auch die Finanzwirtschaft diese Informationen für Analysen nutzen kann, bedarf es der vergleichbaren Berichterstattung zu dem Kernszenario eines Unternehmens im aktuellen politischen Umfeld, also zum Beispiel Klimaneutralität 2045. Allerdings sollte der Transitionsplan eines Unternehmens auch resilient gegenüber Veränderungen in der Klimapolitik sein. Neuhoff: „Wenn das Ziel der Klimaneutralität ins Jahr 2035 vorgezogen wird, muss die Berichterstattung zu einem daraus entstehenden Stresstest-Szenario mit dem Kernszenario vergleichbar sein.“
Hintergrund: EU und G20 verhandeln über Standards für vorausschauende Klimaberichterstattung
Im Klimaschutzgesetz hat sich Deutschland verpflichtet, schrittweise bis 2045 die Klimaneutralität zu erreichen. Unternehmen aus Industrie und Dienstleistung müssen daher ihre Produktion und Geschäftspraktiken umstellen, Finanzinstitutionen ihre Bewertungskriterien anpassen. Das bedarf in vielen Fällen einer neuen strategischen Ausrichtung und Investitionen in klimaneutrale Produkte, Geschäftsmodelle und Produktionstechniken. Dafür benötigen Unternehmen Kapital und die Unterstützung aus der Finanzwirtschaft, der eine zentrale Rolle bei der Erreichung von Klimazielen zukommt.
Damit Investor*innen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Behörden den Investitionsbedarf, Fortschritt und mögliche Risiken von Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität erfassen können, wird von Unternehmen eine vorausschauende Berichterstattung erwartet, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und standardisierten Verfahren basiert. Die Wissenschaft arbeitet mit Szenarien, die auch Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie Banken, Fonds und Versicherungen vergleichbare Informationen über den Übergang zu einem klimaneutralen Geschäftsmodell und daraus resultierende Risiken vermitteln. Mithilfe der Szenarien können Unternehmen die Transitionsrisiken und Chancen ihrer Investitionsentscheidungen berücksichtigen. Der Finanzwirtschaft ermöglichen die Szenarien das Portfolio schrittweise zu dekarbonisieren und unternehmensspezifische Transitionsrisiken und -chancen im Risikomanagement abzubilden.
Internationale Rahmenwerke zur Klimaberichterstattung legen bereits den Grundstein für einen gemeinsamen Szenarienrahmen und Standards für die vorausschauende Berichterstattung auf dem Weg zur Klimaneutralität. So etwa die Rahmenwerke der internationalen Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) und der EU sowie der Transitionsplan-Taskforce der britischen Regierung. Weitere relevante Prozesse sind die Verhandlungen über die geplanten Offenlegungspflichten des EU-Regulierungsvorschlags CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) sowie der weltweiten Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards des ISSB (International Sustainability Standards Board).
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