Humanitäre Krise zwingt 1,6 Millionen Kinder in Afghanistan in ausbeuterische Arbeit
Eine Folge der Not ist der dramatische Anstieg von Kinderarbeit. terre des hommes konnte in den Provinzen Herat, Nangarhar und Kabul mit arbeitenden Kindern sprechen. Sie berichten, dass sie arbeiten müssen, da die Familie keinerlei Einkommen mehr habe, alle persönlichen Habseligkeiten verkauft seien und es kaum noch etwas zu essen gebe. Gleichzeitig finden Kinder keine Hilfe mehr: Schutzprogramme wurden von der de facto-Regierung der Taliban beendet, Mädchen der Schulbesuch nach der sechsten Klasse verboten.
Da die de facto-Regierung keine Zahlen vorlegt und keine Pressefreiheit existiert, kann die Zahl arbeitender Kinder nur geschätzt werden. Aus drei Provinzen sind Zahlen bekannt, dort schuftet ein Drittel mehr Kinder als im vergangenen Jahr. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 1,6 Millionen Kinder unter gefährlichen Bedingungen arbeiten.
Kinder arbeiten offensichtlich in Ziegeleien, Teppichmanufakturen, Autowerkstätten und Schmieden, in kleinen Geschäften und auf Märkten, wo sie Lasten transportieren oder Waren verkaufen. Auf den Straßen Kabuls und Herats betteln Kinder um ein Stück Brot und wühlen in Abfallhaufen nach Essbarem. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres 134 Kinder durch Blindgänger und Altwaffen verletzt oder getötet, die sie als Altmetall sammeln und verkaufen wollten. Auf dem Land arbeiten Kinder auf den Feldern und hüten das Vieh.
Unsichtbar bleiben minderjährige Jungen und Mädchen in den schlimmsten Formen der Kinderarbeit: Kinder schuften im Bergbau, bei der Salzgewinnung und auf Mohnfeldern, sie werden zum Schmuggeln von Drogen oder Waffen gezwungen. Jungen werden für bewaffnete Gruppen rekrutiert, Mädchen und Jungen zwecks sexueller Ausbeutung verkauft. Weil sich Millionen Familien Geld leihen mussten, um zu überleben, steigt die Zahl der Kinder, die diese Schulden abarbeiten. Schuldknechtschaft ist vor allem in Ziegeleien, Haushalten und Teppichmanufakturen verbreitet.
Die Politik der Taliban macht schwere Menschenrechtsverstöße zum Regierungsprogramm, befeuert damit die Not und erschwert Hilfe. Besonders gravierend sind die Unterdrückung von Frauen und ihre Arbeitsverbote in internationalen Hilfsorganisationen. Damit haben 10.000 Frauen ihre Arbeit verloren und Millionen Frauen und Kinder die Dienste von Hebammen, Ärztinnen, Sozialarbeiterinnen und Lehrerinnen.
»Angesichts dieser dramatischen Situation fordern wir die Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft auf, die dringend notwendige humanitäre Hilfe zu leisten und Kinder vor Hunger und Ausbeutung zu schützen«, so Joshua Hofert. »Der Bedarf an Nothilfe wird von den UN für 2023 mit 4,62 Milliarden US-Dollar angegeben, doch bisher hat die internationale Gemeinschaft erst 259 Millionen Dollar zugesagt. Außerdem hat das Welternährungsprogramm bereits angekündigt, Hilfslieferungen zu verringern, da 900 Millionen Dollar allein für die Versorgung von Mai bis Oktober 2023 fehlen. Damit läuft Afghanistan auf eine Hungersnot mit Millionen Opfern zu.«
Die Bundesregierung hat nach dem Stopp der Entwicklungshilfe und den Arbeitsverboten für Frauen inzwischen Hilfe »regierungsfern und bevölkerungsnah« angekündigt, stellt jedoch deutlich weniger Mittel zur Verfügung: Während Deutschland im Jahr 2022 Hilfe in Höhe von 527 Millionen Euro geleistet hat, davon allein 330 Millionen Euro für humanitäre Hilfe, hat das Auswärtige Amt in diesem Jahr bisher erst 39 Millionen Euro für humanitäre Hilfe zugesagt.
terre des hommes Deutschland unterstützt Projekte für 20.000 Kinder und 41.000 Erwachsene in elf afghanischen Provinzen und grenzübergreifend zu Pakistan mit einem Budget von insgesamt 5,2 Millionen Euro. Finanziert werden Bildungs- und Berufsbildungsprogramme, Einkommen schaffende Maßnahmen, psychosoziale Betreuung und Friedensarbeit.
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