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Kein Trinkgeld in Ulan-Bator, Langeweile auf Poseidon Sechs und ein wunderbarer Sonntag – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

Mal ganz ehrlich: Was wissen Sie über die Mongolei und über die Menschen, die dort leben? Vielleicht fallen einem noch der Name der Hauptstadt Ulan-Bator, die Wüste Gobi und das Altai-Gebirge sowie die Jurte genannte Nomadenzelt oder auch die Lage zwischen Russland und China ein. Aber sonst? Ein inzwischen auch schon selbst wieder historisch gewordenes literarisches und fotografisches Dokument ist das fünfte und letzte der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 16.06.23 – Freitag, 23. 06. 23) zu haben sind. „Im Land der Bogenschützen“ – so lautet der Titel eines erstmals 1962 im Verlag Neues Leben Berlin veröffentlichten Buches von Kurt David mit „Reisebildern aus der Mongolischen Volksrepublik“. Der Autor war Anfang der 1960er Jahre durch die Mongolische Volksrepublik gereist. Er war auf der Suche nach Menschen und ihren Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart. Seine Suche beginnt in der TU 104. Er bereist die Hauptstadt Ulan Bator, die Steppe im Westen, die Wüste Gobi im Süden und das Altai-Gebirge. Überall begegnet man dem Deutschen mit großer Offenheit und Freundlichkeit.

Ausgangspunkt von „Wie Janek eine Geschichte holen ging“ von Uwe Kant ist der Umstand, dass eines Abends die Geschichten alle waren, die der Vater vorlesen wollte. Also musste sich der kleine Janek etwas einfallen lassen

Ebenfalls von Uwe Kant stammt „Panne auf Poseidon Sieben“, wo Robert einen Figur-Roboter mit vier Armen entdeckt. Und ein bisschen was hat die Geschichte auch mit KI zu tun, mit Künstlicher Intelligenz, wie man heute sagen würde.

Das dritte der heute vorgestellten E-Books von Uwe Kant heißt „Die liebe lange Woche“. Und wir erfahren, warum die liebe Woche so lang und warum es am Sonntag Harald und seinen Eltern wunderbar geht. Denn Sonntag ist der Sonntag vor seinem …

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Ein Schriftsteller arbeitet an einem Roman, der während des Zweiten Weltkrieges spielt und von dem Kampf polnischer Partisanen gegen die deutschen Besatzer handelt. Ihnen zur Seite stehen auch zwei Deutsche, die mit dem Fallschirm über dem besetzten Land abgesprungen waren. Anfangs hat der Schriftsteller nur eine Dokumentation zur Verfügung und glaubt, alle der damals Beteiligten seien tot. Doch dann bekommt er ein Telegramm …

Und der Schriftsteller ist nicht einfach nur ein Schriftsteller, sondern auch ein ehemaliger deutscher Wehrmachtssoldat. In dem Buch geht es nicht zuletzt um Entscheidungen auf Leben und Tod, die andere für einen treffen. Kann man dennoch etwas dagegen tun? Und kann man im Krieg überhaupt unschuldig bleiben? Wie war es damals wirklich? Und wie gehen Krieg und Liebe, kämpfen und lieben zusammen?

Erstmals 1972 veröffentlichte Kurt David im Verlag Neues Leben Berlin seine berührende Novelle „Die Überlebende“: An einem Frühlingsabend stehen sie sich auf dem verschneiten Bahnsteig gegenüber: ein deutscher Schriftsteller und eine polnische Frau. Er ist ein wenig unsicher.

Wird sie ihm sagen, was er wissen will? Was nur sie ihm sagen kann? Was sie noch niemandem erzählt hat?

Sie bleiben nur wenige Tage zusammen.

Als sie sich trennen, weiß er: Nie wird er ihre Geschichte vergessen, die Geschichte einer großen Liebe im besetzten Polen.

Und so begann die Begegnung:

„Ich müsste niederschreiben, was wir beide in diesen Tagen erleben. Wäre es Ihnen unangenehm?“

„Mir?“ Sie lächelte.

„Selbstverständlich würde ich Namen, Orte und so etwas verändern“, sagte ich und merkte erst jetzt, dass wir auf einer ganz anderen Chaussee als gestern fuhren. Und ich sah jetzt auch erst, dass sie nicht mehr das hellgrüne Kostüm trug, sondern wieder den wadenlangen schwarzen Mantel mit dem Bordürenverschluss aus hellem Leder, den sie auf dem Bahnhof angehabt hatte.

Sie sagte: „Mir wäre es nicht unangenehm. Im Gegenteil, ich könnte es mir sehr nützlich vorstellen, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist. Aber vielleicht wird es Ihnen übermorgen unangenehm sein?“

„Mir?“ Ich wunderte mich. Was sollte mir unangenehm sein?

„Eventuell, weil ich Ihnen etwas erzählen muss, das nicht Ihrer Vorstellung entspricht, das Ihrer Konzeption zuwiderläuft?“

Ich überlegte, was das sein könnte; zu Haus hatte ich bereits alle Möglichkeiten „durchgespielt“ und wusste keine mehr, die mich überrascht hätte.

„Sie sind mein Zeuge“, sagte ich ein wenig hilflos, „also werde ich von Ihnen die Wahrheit erfahren.“

„Ja, das werden Sie. Nur, mit der Wahrheit ist das so eine Sache, nicht wahr? Sie muss wohl auch bewältigt werden, in Ihrem Falle zumindest literarisch.“

Und da ich auf ihre Andeutungen nichts erwidern konnte, sagte sie: „Wir werden ja sehen.“

Inzwischen hatten wir das Moor erreicht und fuhren auf einer guten Straße an ihm entlang. Still schaute ich durch das Seitenfenster des Wagens und vermochte nur zu ahnen, was sich hinter den dunklen Erlenbüschen und kümmerlichen Zwergbirken verbarg. Manchmal blitzten Wasserflächen auf, oder eine Krüppelkiefer erhob sich über hohes, mageres Gras und zitterte wie vor Schwäche im sanften Wind. Ein widerlich schaler Geruch von Verwesendem wehte herüber. Dort drüben waren sie also gegangen, lange Tage, lange Nächte, immer auf wankendem Boden, über tückische Flechten und Moose. Dornen hatten ihre Haut durchschlagen und ihre Kleider zerfetzt. In Tümpel waren sie gestürzt und hatten bis zu den Hüften im Wasser gestanden, immer in Gefahr zu versinken und sich gegenseitig vor dem Tode bewahrend. Nur Moor. Nur Himmel. Es musste Stunden gegeben haben, wo es ihnen vorgekommen war, als wären sie allein auf der Welt.

„Vom Moor will ich Ihnen nichts erzählen“, sagte sie. „Wo sollte ich da anfangen? Bei den Mücken etwa! Lächerlich. Erst alle tausend Quälereien zusammen ergaben den Zustand, der uns fast verzweifeln ließ. Nicht einmal einen Platz zum Ausruhen fanden wir.“

Anfangs hatte ich geglaubt, dass ich das Bauernhaus noch einmal sehen würde, aber ich sah es nicht, ich sah überhaupt nichts, was mich an gestern erinnerte, und ich begann zu ahnen, wie groß das Moor zwischen diesen Wäldern war.

„Jetzt könnten wir nach Wilowice abbiegen“, sagte sie. „Wollen Sie noch zu Walasek?“

Ich stutzte für einen Augenblick. „Ach so“, antwortete ich, „Sie meinen Marceli“, ich konnte mich nur schwer an den Namen Walasek gewöhnen. „Wieso ,noch‘?“

„Sie könnten es sich doch anders überlegt haben.“

Mir kam es vor, als hätte sie kein Interesse, zu dem ehemaligen Kommandeur zu fahren.

„Ich habe es mir aber inzwischen nicht anders überlegt.“

„Wie Sie wollen“, meinte sie. „Aber über uns kann er Ihnen nichts sagen.“

Das hatte sie schon gestern behauptet. Warum wiederholte sie das jetzt? Schließlich hatte ich ihr erklärt, weshalb ich einen ehemaligen Kommandeur kennenlernen wollte.

„Also fahren wir hin“, sagte sie, und mir war, als hätte sie dabei etwas geseufzt. Es kann auch sein, dass ich mir das nur einbildete. Sie bog von der Straße ab auf einen Landweg. Wir fuhren ziemlich schnell durch eine Senke, die wie eine Sandgrube aussah, und der Motor heulte dröhnend auf, als wir auf der anderen Seite hochkrochen. Ich hatte schon angenommen, wir würden es nicht schaffen, denn der Sand war bereits getrocknet, und hielt vor Ungewissheit die Luft an, als unser Wagen mit den Vorderrädern den oberen Rand der Grube überwand. Für einen Moment sah ich durch die Windschutzscheibe nur noch den schönen hellblauen Himmel, und als auch unsere Hinterräder den Grubenrand erklommen hatten und wir wieder auf ebener Erde waren, sah ich vor uns das Dorf Wilowice. Um ihr entgegenzukommen, bemerkte ich: „Wir brauchen ja nicht lange zu bleiben, aber sehen möchte ich ihn gern, und ein paar Worte möchte ich auch mit ihm wechseln. Solche Kommandeure kenne ich doch nur aus Büchern.“

Marceli trafen wir dann in seinem kleinen Garten beim Roden eines Birnbaumstockes, und ein anderer Mann, der sehr klein war, lehnte an der warmen Hauswand und sah ihm zu. Ich wusste sofort, dass der am Birnbaumstock der Kommandeur war. So hatte ich ihn mir vorgestellt, und es ist ein sonderbares Gefühl, seine eigenen Vorstellungen bestätigt zu bekommen.

Sie rief ihm etwas über den Zaun zu. Er hielt die Axt still, verharrte einen Augenblick gebückt und rief, ohne herzusehen: „Daneczka!“ Dann hob er die Axt hoch über seinen Kopf, hieb sie mit wuchtigem Schlag in den Stock und ließ sie dort stecken. Er sah auf, wischte sich lächelnd die Hände an der grauen Hose ab und trat mit schweren Schritten auf uns zu. Sich verbeugend, gab er ihr einen Handkuss, sagte etwas, und während sie mich vorstellte, ihm vielleicht auch kurz erklärte, was ich wollte, blickte er abwechselnd zu ihr und zu mir, nickte mehrere Male und deutete mit einer Handbewegung zur Tür seines Häuschens. „Bitte!“, sagte er. Der andere Mann blieb auf seinem Platz an der Hauswand und sonnte sich weiter.

Marceli-Walasek war ein großer, starker Mann mit einer Glatze, auf der ich eine Narbe erkannte, die vom Stirnansatz wie ein Scheitel zum Hinterkopf lief. Das sah aus, als habe einer versucht, ihm den Schädel zu spalten. In der Narbenfurche wuchsen kleine schwarze Härchen.

Ich beobachtete, wie er unter den niedrigen Türen den Kopf einzog und im Wohnzimmer mit Frau Gadomska flüsterte. Dann verschwand er.

„Er will sich umziehen“, sagte sie.

Ich erkundigte mich nach seinem Alter. „Siebenundsechzig“, sagte sie.

„Und die Narbe?“

„Durch Verrat lief er bei einem Treff in eine Falle. Drin in der Stadt. Sein Adjutant wurde getötet, unsere Funkerin erschoss sich selbst, und er schwamm mit dieser Kopfverletzung, zwei Messerstichen und einem Steckschuss an der linken Wade durch die Warta, er konnte sich retten.“

So lakonisch sie auch erzählt hatte, in meiner Fantasie gewann die Szene Leben, und ich dachte: Der Mann muss etwas von einem Riesen in sich gehabt haben. Und Riesen vermag man sich weder besiegt noch getötet vorzustellen.

„Wer hat ihn verraten?“

Sie sah mich bestürzt an. „Sagt Ihnen das Wort nicht genug?“

Ich nickte verlegen. An meiner übereilten Frage war das Empfinden schuld, mit Marceli verbunden zu sein. Seit ich ihn gesehen hatte, war es sehr stark. Zudem war mir bekannt, dass es zur damaligen Zeit in ihrem Land genügend Spitzel gegeben hatte und Gruppen, die sich gegenseitig bekämpften.

Im Land der Bogenschützen“ – so lautet der Titel eines erstmals 1962 im Verlag Neues Leben Berlin veröffentlichten Buches von Kurt David mit „Reisebildern aus der Mongolischen Volksrepublik“. Der Autor war Anfang der 1960er Jahre durch die Mongolische Volksrepublik gereist. Er war auf der Suche nach Menschen und ihren Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart. Seine Suche beginnt in der TU 104. Er bereist die Hauptstadt Ulan Bator, die Steppe im Westen, die Wüste Gobi im Süden und das Altai-Gebirge. Überall begegnet man dem Deutschen mit großer Offenheit und Freundlichkeit. Und David erfuhr Erstaunliches, wie zum Beispiel die Sache mit dem Trinkgeld, über die er anfangs des Kapitels „Hauptstadt ohne Kneipen“ schreibt: „Ein verwöhnter Ausländer fällt in drei Tagen sein Urteil über die mongolische Hauptstadt: Es ist nichts los …

Ulan-Bator ist eine Stadt ohne Kneipen und Kaschemmen. Stammtische und Bierlachen sind unbekannt. Bars und Nachtlokale werden vielleicht noch erfunden.

Für „Trinkgeld“ gibt es kein Wort in ihrer Sprache. Glaubt ein Ausländer, diese Unsitte einführen zu müssen, indem er im Hotel beim Mittagessen dem Mädchen einige abgegriffene Münzen oder zerknitschte Scheine zuschiebt, so wird ihn die schlanke Mongolin verständnislos anblicken. Sie wird erröten, verlegen noch einmal ihren Block hervorholen, die Zahlen noch einmal sorgfältig addieren, sie wird auf das Glas Tee zeigen, auf der Speisekarte die Preise mit ihrem Zettel vergleichen, sie wird freundlich lächeln und zu verstehen geben, dass nicht mehr herauskommt. Sie wird sich nicht davon beeindrucken lassen, dass der Ausländer mit den Händen abwinkt, das Geld noch näher zu ihr hinüberschiebt. Sie wird es nicht anrühren, sondern einige Schritte zurücktreten; sie will von diesem Geld nichts wissen. Wer es trotzdem liegen lässt, wird es am Abend immer noch auf seinem Platz sehen. Es kann auch geschehen, dass es ihm auf sein Zimmer gebracht wird. Und der Gast, der es fertigbringt, dem Mädchen das „Trinkgeld“ heimlich in die Schürzentasche fallen zu lassen, sollte sich nicht als Sieger fühlen.

Es gibt natürlich Gasthäuser. Mehr oder weniger sind es Garküchen und Speisestätten. Gut, man kann hier Tee trinken und Kumys, die gesunde Stutenmilch, man kann grusinischen Wein und mongolisches Bier haben, im Büfett stehen Sekt und Kognak, aber man wird sich nur so lange in dem Lokal aufhalten, wie man Zeit zum Essen benötigt. Durchzechte Nächte sind unmöglich.

Gegen zwanzig Uhr werden auch diese Gaststätten geschlossen, trotz angebotenen Sekts, den kaum ein Mongole mag, trotz grusinischen Weins und sowjetischen Kognaks, den kaum ein Mongole trinkt, trotz Bier, das man nur „nippt“.

Also trinken die Mongolen keinen Alkohol? Sie trinken ihn gern, sehr gern, sie trinken reichlich, vor allem ihren Archi, ein destilliertes Produkt aus Kuhmilch, das in keinem Haus fehlt. Selbst der Airag, die Stutenmilch in gegorenem Zustand, ist alkoholisch. Da man während des Trinkens viel isst und immer wieder fette Speisen zu sich nimmt, wird man selten einen Betrunkenen beobachten. Dass der gefürchtete Kumys, die Stutenmilch, mit der ein Europäer nur schwer Freundschaft schließt, ein Getränk ist, mit dem man Tbc-Kranke heilt, die in Kumys-Sanatorien geschickt werden, lässt dieses über zweitausend Jahre alte Getränk besonders nützlich erscheinen.

Freilich, es fehlt noch ein feines Café mit behaglichen tiefen Sesseln, in Rot oder Blau, ein Tanzrestaurant mit flüsternden Geigen und wimmernden Saxofonen. Da man weder mit dem einen noch mit dem anderen die Jurten am Stadtrand beseitigen kann, baut man Wohnungen, Häuser, Werke, und die Restaurants stehen bereits in den nächsten Plänen, aber sie sind nur die I-Tüpfelchen des Lebens. Man wird sie wie beim Schreiben am Schluss aufsetzen.“

Außerdem sei noch auf knapp 100 Fotos des Autors hingewiesen, die seinen Text veranschaulichen, darunter eine Reihe sehr schöner Porträts der von Kindern, jungen Frauen und alten Männer. Wie es ihnen wohl in der Zwischenzeit ergangen sein mag?

Am Ende des Buches findet sich ein kleines Lexikon, das Wissenswertes über die Mongolei Anfang der 1960er Jahre vermittelt. Aktuelle Ergänzungen findet sich zum Beispiel im Internet-Lexikon Wikipedia, wo über das Ende eben jener Entwicklung berichtet wird, über die Kurt David in seinen „Reisebildern aus der Mongolischen Volksrepublik“ so begeistert geschrieben hatte. Selbst die Volksrepublik gibt es inzwischen nicht mehr: „Mit dem Zerfall der Sowjetunion vollzog die Mongolei ab 1990 einen friedlichen Übergang zu einem demokratisch-parlamentarischen Regierungssystem“, heißt es bei Wikipedia. „Am 12. Februar 1992 besiegelte das Parlament mit der Annahme einer Verfassung, die sich an den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaates und einer marktwirtschaftlichen Ordnung orientiert, das Ende des kommunistischen Systems. Zugleich wurde die Bezeichnung „Volksrepublik“ aus dem Namen gestrichen.“

Lesen Sie über die Geburtsstunde des mongolischen Erdöls:

Auf der Suche nach neuen Weideplätzen trafen eines Tages die auf immerwährende Wanderschaft angewiesenen Nomaden ein, bauten ihre Filzjurten auf den Sand und in die Hitze. Sturm und karges Leben schreckten sie nicht. Sie hatten sich ihre Heimat nicht aussuchen können.

Und wie anderenorts in der Welt spielten Kinder im Sand. Dazu war kein hölzernes Viereck nötig, und der Sand musste nicht von irgendwo hergeschleppt werden. Wo sie standen, standen sie auf Sand, wo sie saßen, saßen sie auf Sand, wo sie lagen, lagen sie auf Sand und wo sie starben, begrub man sie unter Sand. Der feine mehlige Staub entzündete Augen, verdarb Essen, hielt Tag und Nacht die Treue. So arm Erwachsene und Kinder waren, eins besaßen sie immer: Sand! Er schlich sich in Träume und Lieder.

Manchmal leuchteten plötzlich fettige schwarze Flecke auf. Gerade waren sie noch weiß gewesen, weiß wie das weite Sandmeer der Umgebung. Und bauten Kinder in diesem Sand, in dem fetten schwarzen Sand, Burgen und Berge, weil sie von dem einen wie anderen träumten und diese Dinge nur im Sand Wirklichkeit werden konnten, so geschah es, dass die Sonne diese Kinderbauten und Träume einstürzen ließ. Der Sand zerschmolz.

Die Geburtsstunde mongolischen Erdöls!

Das ist kein Märchen aus der Wüste Gobi.

Der Mann, der mir diese Geschichte erzählt, sitzt in einem beigefarbenen Leinenanzug vor mir. Er hat in diesem Sand gespielt und gelitten. Als Kind wusste er nicht, was die schwarzen Flecke bedeuteten. Heut ist er der Direktor des Erdölkombinats von Dsun-Bajan. Werk und Stadt entstanden in den vergangenen Jahren, liegen fünfzig Kilometer südlich Sajn-Schandas.

Es fällt mir schwer, das Wort „Helden“ niederzuschreiben, weil es in unserer Vergangenheit missbraucht wurde. Ganze Horden politischer Falschmünzer haben es besudelt und benutzen es heute noch als Aushängeschild ihrer schlechten Taten. Der sozialistischen Gesellschaftsordnung blieb es vorbehalten, diesem Wort neuen Glanz zu verleihen. Helden der Arbeit! – Dsun-Bajan ist ein Beispiel dafür.

In Europa würde dieses Städtchen kein Aufsehen erregen. Hier mutet es wie ein Märchen an. Herrliche, meist einstöckige Häuser stehen auf diesem Sand. Ein Griff an den Hahn, und du hast fließendes Wasser. Du hast auch ein gekacheltes Bad, du kannst dich duschen, und im Bad ist auch das, wovon du nicht gern sprichst, aber was du hier in anderen Dörfern in Form von Bretterbuden vorfindest, die von dir immer einen langen Anmarschweg verlangen. Du kannst ins Kino oder Theater gehen. Ein großes, modern eingerichtetes Krankenhaus, ein Sportplatz und Kindergärten sind vorhanden. In Läden wird dir alles angeboten, was du zu einem angenehmen Leben benötigst. Du wirst die Kinder sehen, die im Sand zur Schule waten, aber nicht barfüßig; der Sand ist viel zu heiß. Und weil es überhaupt so heiß ist, möchtest du gern ein Schwimmbad. Bitte! Auch das gibt es in der wasserarmen Gobi. In Dsun-Bajan bauten sich Erdölarbeiter ein schönes großes Bassin. Sowjetische Freunde halfen ihnen dabei; es ist eins der ersten Bäder in der Mongolei. Es fehlt weder an Sprungbrettern noch an einem Sprungturm. Hunderte kleine Düsen, die um das Becken geordnet sind, sprühen wie Springbrunnen frisches Wasser in das Bassin. Und ein Bademeister ist da, dessen Hose fast bis über die Knie reicht, der darüber wacht, dass keiner ungeduscht in das Bad steigt. Er trägt einen großen breitkrempigen Strohhut, den er auch manchmal im Wasser nicht absetzt, wenn er seine Runde schwimmt. Wie eine treibende Sonnenblume sieht er dann im Schwimmbecken aus.

Das Buch „Wie Janek eine Geschichte holen ging“ von Uwe Kant erschien erstmals 1980 in Der Kinderbuchverlag Berlin.

Eines Abends waren die Geschichten alle, die der Vater vorlesen wollte.

Also ging der kleine Janek zu dem Geschichtenmacher und wollte von ihm eine neue Geschichte.

Sie sollte in der Wüste Sahara spielen, Pfirsichbäume sollten darin wachsen, Raketen sollten hindurchfliegen, ein Eisbär, ein singender Schneemann, 2 Kinder, 4 Indianerhäuptlinge und 88 Blechritter.

Das gefiel dem Geschichtenmacher gar nicht und er schrieb eine Geschichte über Janek.

Lesen Sie, wie der Geschichtenmacher versucht, auf Janeks Wünsche einzugehen:

Aufgepasst, Janek, dachte Janek, jetzt haben wir ihn, jetzt mach bloß schnell.

Die Geschichte, sagte er

soll sich in der Wüste Sahara zutragen

Pfirsichbäume sollen darin wachsen

Raketen sollen hindurchfliegen

ein Eisbär

ein singender Schneemann

zwei Jungpioniere

vier Indianerhäuptlinge

und achtundachtzig Blechritter

sollen darin mitspielen.

Ach du lieber Schreck, sagte der Geschichtenmacher. Er kniff ein Auge zu und zeigte mit dem Daumen auf die weiße Wand hinter sich.

Da war schon die Wüste, nichts als Sand, und die Luft flimmerte von Hitze. Silberfarbene Raketen wuchsen aus dem Sand, ein paar Pfirsichbäume flogen nette Kurven um sie herum.

Nein, nein, sagte Janek, umgekehrt!

Ja, ja, sagte der Geschichtenmacher, das wird gleich verbessert.

Und gleich auch saßen im Kreis herum unter einem der Pfirsichbäume vier Indianerhäuptlinge von sehr würdigem Aussehen.

Der erste Häuptling sagte: Möchte bloß wissen, was wir hier sollen.

Der zweite Häuptling sagte: Eine urstige Hitze ist das hier.

Der dritte Häuptling sagte: Icke hol mir gleich `ne Cola.

Der vierte Häuptling sagte: Eisern Union. Hehahe BFC.

Der Geschichtenmacher verdrehte die Augen. Janek wollte sagen, dass mit diesen Häuptlingen auch irgendetwas nicht stimmte.

Aber nun kam schon ein tropfnasser Schneemann herangestapft.

Das Buch „Panne auf Poseidon Sieben“ von Uwe Kant erschien erstmals 1987 in Der Kinderbuchverlag Berlin.

Eine kleine rote Ein-Personen-Rakete kam aus der Richtung von Poseidon Sieben geflogen. Sie kreiste ein paarmal um den Leuchtturm und landete endlich unter mächtigem Donnern und Zischen in einer großen Dampfwolke auf dem Rasen.

„Sehr schlechter Flieger“, sagte Robert, als der Lärm aufgehört hatte, „viel zu viel Gegengas, Umweltverschmutzer.“

Dann klappte mit leisem Schmatz die Luke auf, und ein menschenähnliches Wesen kam herausgekrochen. An seiner silbernen Farbe, an seinen gleichmäßigen Bewegungen, vor allem an seinen vier Armen war es leicht als Figur-Roboter, als plastische Maschine, zu erkennen.

Lesen Sie, wie es Maik Achterberg im Krankenhaus ergeht:

„Schwester“, knurrte Maik Achterberg, der echte alte Achterberg, „Schwester, wenn Sie es einrichten könnten, mal herzukommen, dann kommen Sie doch mal her!“

„Ja? Bitte?“

„Sag mal, Mädel, was habt ihr mit meinem Kopf gemacht? Ihr habt doch was mit meinem Kopf gemacht. War nicht von Blinddarm die Rede? Hat euer Doktor Schnittke da vielleicht was verwechselt? Oder wie?“

„Kollege Achterberg“, sagte die Schwester streng wie eine ältere Schwester in einem Krankenhausfilm, „der Kollege Hauptarzt Doktor Schneidig verwechselt niemals etwas.“

„So, na das muss langweilig sein. Ich verwechsle dauernd was, das bringt etwas Abwechslung ins Leben. Soll ich Ihnen mal erzählen, wie ich meinen Hund mit dem Hund von Frau Kammersängerin Ibbenbüren verwechselt habe? Vor der Post? Meinen Sie, das wollte mit, das Biest? Ich meine den Hund. Und, und was denken Sie, wie Kammersängerinnen schreien können!“

„Kollege Achterberg, Sie brauchen jetzt vor allem Ruhe!“

„Ist richtig, ist richtig. Vor allem der Kopf. Sagen Sie mir bloß noch schnell, was der Doktor mit meinem Kopf gemacht hat. Warum tut denn der olle Kopf so weh?“

„Das ist völlig normal, Kollege Achterberg.“

„Das ist normal? Normal ist das?“

„Kollege Achterberg, das kommt doch vom Betäubungsmittel, das geht bald vorüber, bald können Sie wieder tanzen wie ein Junger.“

„Also das … das wäre ein medizinisches Wunder. Ich konnte noch nie tanzen, Verehrteste. Betäubungsmittel, Betäubungsmittel.

Und ich hab mir immer eingebildet, das wird heutzutage mit Spritzen gemacht! Stattdessen nehmen sie tatsächlich Holzhämmer und …“

Doktor Schneidig steckte den Kopf durch die Tür und fragte: „Nun, wie geht es unserem Vorzugspatienten? Geht es schon?“

„Glänzend“, sagte die Schwester, „bald singt er wieder wie ein Junger.“

„Na, das muss ja nicht sein. Also weiter so, morgen kommt schon Besuch.“

Der alte Achterberg fasste sich ein bisschen an den Kopf und sagte nun wirklich mit ängstlich-schwächlicher Stimme: „Die Bengels? Ach bitte …“

„Was für Bengels denn? Ach so, nein, die sind noch nicht an der Reihe. Es ist nur der Professor Brümmermann“, sagte Doktor Schneidig.

Das Buch „Die liebe lange Woche“ von Uwe Kant erschien erstmals 1971 in Der Kinderbuchverlag Berlin.

Montags früh haben mein Vater und ich schlechte Laune. Dienstag ist ein guter Tag, denn dienstags haben wir nur vier Stunden.

Mittwochs habe ich Sorgen, sitze im Lehrerzimmer und warte auf Krawatte.

Donnerstags gehen wir zum Friseur, denn ich sehe aus wie Kommoden-Paul sein Bruder.

Freitags sagt mir Vater, dass ich Sonntag zur Oma gehen soll.

Sonnabends haben meine Mutter und ich schlechte Laune.

Sonntags geht es uns allen wunderbar. Sonntag ist der Sonntag vor meinem Geburtstag.

Harald Ahlgrimms Wochentage sind bunt, turbulent und gar nicht mal einfach. Aber sie sind unterhaltsam. Für wen? Für Harald – und für dich!

Und hier ein Auszug aus Haralds S-Bahn-Erlebnissen:

Am Bahnsteig steht schon der Bernauer. Der Zug nach Bernau. Den nehme ich. Sonst muss ich wieder sieben Minuten warten. Dann lieber umsteigen. Hinter mir drängeln zwei ältere Frauen mit lauter großen schwarzen Taschen in den Wagen. Der Wagen ist um diese Zeit ziemlich leer. Aber sie setzen sich nicht hin. Sie gucken ängstlich umher. Ihre Taschen halten sie fest. Vielleicht haben sie ihre Millionen da drin. Oder ihre Juwelen. „Nein, nein, Elsbeth“, sagt die eine, „der Beamte hat doch gesagt, wir können jede Bahn nehmen.“ – „Aber da steht Bernau dran, Lichtenberg steht da nicht dran, Charlotte“, sagt die andere. „Bernau“ betont sie auf der ersten Silbe: Bernau. Jetzt guckt Charlotte mich an. „Der Zug fährt doch nach Lichtenberg, ja?“, fragt sie. Nun guckt mich auch Elsbeth an. Ich bin die Reichsbahnauskunft. Ich sage: „Nein, der fährt nach Bernau. Sie müssen in Ostkreuz umsteigen. Die Treppe runter. Richtung Strausberg.“ – „So“, sagt Charlotte, „wie viel Stationen sind das denn so?“ – „Die vierte“, sage ich. „Ach“, sagt Charlotte. Sie setzt sich hin und lässt ihre Taschen ein bisschen los. Elsbeth traut mir noch nicht ganz. Sie hat den Streckenplan an der Wand entdeckt. Aber sie findet sich nicht zurecht. Sie ist mit dem Finger in Westberlin. „Ach sieh mal, Charlotte“, sagt sie, „hier ist Bahnhof Zoo, wo Karlchen immer …“ – „Pscht“, macht Charlotte. Nun weiß ich nicht, was Karlchen immer beim Bahnhof Zoo Schlimmes gemacht hat. Vielleicht ist er da Gangster gewesen? Aber Gangster heißen doch nicht Karlchen. „Hier ist ja Friedrichstraße“, sagt Elsbeth, „da muss man aussteigen, wenn man zum Friedrichstadt-Palast will. Da waren wir damals mit Alfons, als dort noch die Korsische Nachtigall gesungen hat. Aber wo ist denn nun Lichtenberg? Meinst du wirklich, wir sind im richtigen Zug, Charlotte?“ Charlotte sagt: „Aber ja doch, du hast doch gehört, was der Kleine gesagt hat.“ Trotzdem guckt sie schon wieder etwas zweifelhaft. Das gefällt mir. Erst bin ich die Reichsbahnauskunft, und nun bin ich „der Kleine“. Bahnhof Plänterwald steigt ein Mann mit abgeschabter Lederjacke und Schiebermütze ein. Er setzt sich gegenüber von Elsbeth und Charlotte. Was nun kommt, weiß ich. Klarer Fall. Es geht schon los. „Ach, verzeihen Sie“, sagt Charlotte, „wir wollen nämlich nach Lichtenberg, und ob wir da wohl richtig sind in diesem Zug?“ Die tun so, als ob ich gar nicht da bin. Erst guckt der Mann sie still an und sagt überhaupt nichts. Dann sagt er: „Nee, meine verehrten Damen, nee, nee, nee.“ Er wackelt ein bisschen auf dem Platz hin und her und guckt ganz müde. Klarer Fall. Der hat einen kleinen Schnaps getrunken. Vielleicht auch zwei. Charlotte und Elsbeth machen erschrockene Gesichter und sammeln ihre Taschen ein. Da sagt der Mann: „Momang, liebe Frauen. Also, also die Sache ist doch folgende, der Zug als solcher, nicht wahr, der fährt nach Bernau. Aber Sie haben die Möglichkeit, nicht wahr, des Umsteigens. Einfach in Ostkreuz immer die ollen Treppen runter. Aber det Se mir nicht hinfallen.“ Er droht aus Spaß ein bisschen mit dem Zeigefinger. „Vielen Dank“, sagt Elsbeth. Sie setzt sich ganz kerzengerade hin und guckt streng. Charlotte genauso. Einer ist ihnen zu klein, einer hat ihnen zu viel Schnaps getrunken. Was müssen sie auch verreisen. „Aber in Lichtenberg is nischt los“, sagt der Mann, „komm Se mit mir nach Heinersdorf in meinen Jarten, da wächst richtiget grünet Gras, da können Se ausspannen, aber Lichtenberg, nee.“ Er schüttelt sich. „Vielen Dank“, sagt Charlotte. Sie setzt sich noch gerader hin. Elsbeth genauso. In Ostkreuz steige ich schnell aus. An der Treppe drehe ich mich um. Elsbeth und Charlotte umzingeln gerade den Stationsvorsteher.

Vielleicht haben Sie nach diesem Newsletter nicht nur Lust auf die hier vorgestellten Bücher bekommen, sondern auch darauf, sich zum Beispiel die heutige Mongolei einmal selbst anzusehen. Natürlich lohnt sich auch Polen immer, aber die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen scheinen gegenwärtig leider nicht die besten zu sein. Das hat in gewisser Weise auch mit dem von Kurt David in seiner ebenso berührenden wie bis zur letzten Zeile spannend zu lesenden Novelle „Die Überlebende“ beschriebenen deutschen Überfall auf Polen und die anschließende Besatzungszeit zu tun. Dennoch ist seine Novelle auch eine großartige Liebesgeschichte vor einem traurigen Hintergrund.

Damit ist die vorletzte Post diesen Monats aus Godern auch schon wieder zu Ende. Bleibt nur noch, einen schönen Sommer zu wüschen – dessen Beginn in diese Woche fällt -, viel Vergnügen beim Lesen, bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und bis demnächst.

Auch der letzte Juni-Newsletter präsentiert noch einmal vier Titel von Kurt David und in drei seiner Bücher geht es wieder um die Mongolei …

Über die EDITION digital Pekrul & Sohn GbR

EDITION digital war vor 28 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Inzwischen gibt der Verlag Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) sowie Kinderbücher gedruckt und als E-Book heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.300 Titel. E-Books sind barrierefrei und Bücher werden klimaneutral gedruckt.

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