EU-Gebäuderichtlinie belastet besonders Deutschland
„Man hat den Eindruck: Je weiter die politische Ebene von den Bürgerinnen und Bürgern entfernt ist, desto überzogener und praxisferner die geplanten Vorschriften“, sagt IVD-Präsident Dirk Wohltorf. Er appelliert nun an die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat, für eine Korrektur der Pläne zu sorgen. „Der Bundeskanzler weiß, wie sehr in Deutschland um einen realistischen und sozialverträglichen Weg beim Klimaschutz im Gebäudesektor gerungen wird.“
Das Europäische Parlament hatte entgegen aller Warnungen den Entwurf der Gebäuderichtlinie am 14. März 2023 mehrheitlich beschlossen und ins weitere Beratungsverfahren mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat gegeben. Dem Vernehmen nach, kommt dieses Verfahren nun wieder in Gang. Nach den Vorstellungen des EU-Parlaments müssten in gerade einmal neun Jahren europaweit fast die Hälfte aller Gebäude saniert werden. Nach Schätzungen der Immobilienwirtschaft wäre dafür eine Verfünffachung der Investitionen in die energetische Sanierung von Gebäuden auf über 250 Milliarden Euro jährlich erforderlich.
„Bei ihren Plänen bleibt die Mehrheit im Europaparlament die Antwort auf die berechtigte Frage schuldig, woher die Eigentümer von Häusern und Wohnungen das Geld nehmen sollen“, stellt IVD-Präsident Wohltorf fest. „Nach allem, was wir vom Handwerk und der Bauindustrie wissen, wird eine solche Sanierungstätigkeit innerhalb des geforderten Zeitraums auch gar nicht personell und vom Materialeinsatz her zu leisten sein.“
Hinzu komme, dass Staaten, die im europäischen Vergleich ihre Hausaufgaben gemacht haben und bei der energetischen Sanierung von Wohngebäuden vorangehen, nicht etwa Luft holen könnten, sondern noch ambitioniertere Ziele zugewiesen bekämen. „Für Wohngebäude soll gelten, dass die 15 Prozent des Bestands mit der schlechtesten Energieeffizienz bis 2030 mindestens die in jedem Land jeweils neu zu
definierende Effizienzklasse E und bis 2033 die Klasse D erreichen müssen“, erläutert Axel Wittlinger, Generalsekretär der European Association of Real Estate Professions (CEPI), dem Dachverband der Immobilienverwalter- und Maklerverbände Europas. So führe der in Deutschland mühsam energetisch verbesserte Bestand zu noch höheren Anforderungen an die Gebäudeeffizienz.
„Heute bestehen extrem große Unterschiede bei der Definition der Gebäudeeffizienzklassen zwischen den Staaten in der Europäischen Union. Gebäude, die in den Niederlanden der Energieeffizienzklasse C entsprechen, sind in Deutschland ein G, was der zweitschlechtesten Klasse entspricht. Ein Gebäude in Frankreich, dass in der schon sehr guten Klasse B eingeordnet ist, würde wenige Kilometer weiter in Deutschland nur ein D erreichen. Wenn zukünftig Sanierungspflichten für die Effizienzklassen D und E vorgesehen sind, dürfen diese Effizienzklassen in den einzelnen Ländern nicht zu stark voneinander abweichen. Für diese beiden Effizienzklassen sollte deshalb die Bandbreite für alle EU-Staaten begrenzt werden“, empfiehlt CEPI-Generalsekretär Wittlinger. Mit der neuen 15 Prozent-Regel würden zwar die Effizienzklassen etwas mehr zusammenrücken, die Bandbreite in Europa bleibe immer noch zu hoch. Wittlinger empfiehlt: Der maximale Energieverbrauch in Effizienzklasse D sollte in der gesamten EU 200 kWh/m2*a nicht überschreiten, für Effizienzklasse E nicht 240 kWh/m2*a. Heute gilt in Deutschland als Klasse D ein maximaler Verbrauch von 130 kWh/M2*a, als Klasse E 160 kWh/M2*a.
IVD-Präsident Wohltorf drängt darauf, keine Sanierungspflichten auf der Ebene einzelner Gebäude zu definieren, sondern nur als Mittelwert von Gebäudegruppen – etwa eines Quartiers. Vorschläge des Bundesbauministeriums, die in diese Richtung gehen, begrüßt der IVD ausdrücklich. Wohltorf hat das Ziel im Blick: „Der europäische Vergleich sollte dazu führen, dass Deutschland sein eigenes Tempo reduziert und bei der Wärmewende mehr darauf achtet, seine Bevölkerung und Wirtschaft mitzunehmen, statt ihnen Belastungen zuzumuten, die deutlich über die in anderen Ländern hinausgehen.“
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