Kunst & Kultur

Romani Rose warnt anlässlich des Europäischen Holocaust Gedenktages für Sinti und Roma vor der zunehmenden Demokratiefeindlichkeit in Europa

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, bringt anlässlich des Europäischen Holocaust Gedenktages für Sinti und Roma am 2. August seine Sorge über die zunehmende Demokratiefeindlichkeit zum Ausdruck: 

„Wir beobachten in vielen Ländern Europas eine demokratiefeindliche Haltung und einen Rechtsextremismus in Deutschland, der sich auch in Europa zeigt und der sich wieder durch Gewalt gegen Sinti und Roma, gegen Juden und andere Minderheiten äußert. Antiziganismus und Antisemitismus gehören in vielen Ländern Europas heute wieder zum Alltag“, so der Zentralratsvorsitzende Rose. 

In Erinnerung an die 500.000 ermordeten Sinti und Roma im NS-besetzten Europa hat das Europäische Parlament im April 2015 den 2. August zum Europäischen Holocaust Gedenktag für Sinti und Roma erklärt. Anlässlich des jährlichen Gedenktages spricht Romani Rose über die Verantwortung vor dem Hintergrund der Geschichte:  

„Das Gedenken an das Verbrechen des Holocaust an Sinti und Roma bedeutet nicht Schuldübertragung an heutige Generationen, sondern gemeinsame Verantwortung für Demokratie und Rechtsstaat. Denn historisches Erinnern bedeutet immer auch gelebte Verantwortung für die Gegenwart“, so Rose. „Wir wissen, dass der jahrhundertealte Antiziganismus die Ursache war für das Leid, für Pogrome und Übergriffe gegenüber unserer Minderheit. Durch die Rassenideologie hat dieser Antiziganismus im NS-Staat zum Holocaust an Sinti und Roma geführt. Es muss der Anspruch der Europäischen Union und seiner Mitgliedsstaaten sein, den Antiziganismus genauso zu ächten wie den Antisemitismus.“

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kritisiert, dass die Lebenssituation von Sinti und Roma in vielen Ländern Europas noch immer geprägt ist von einem tief verwurzelten Antiziganismus. So leben zum Beispiel in Osteuropa ein Großteil der Roma unter Apartheid-ähnlichen Bedingungen und werden in Bereichen der Bildung, Wohnsituation, Arbeit und im Gesundheitswesen ausgegrenzt. Der Zentralrat verweist hierzu auf die jüngsten Berichte der EU-Grundrechteagentur von 2022, die das Ausmaß der antiziganistischen Ausgrenzung aufzeigen: Über 80 % der Roma Minderheit gerade in Mittel- und Osteuropa sind von Armut bedroht und 50 % leiden unter schwerer materieller Not. Die Bildungssegregation hat sich in den letzten Jahren sogar verstärkt. Mehr als 50 % der Roma Kinder und Jugendlichen besuchen segregierte Bildungseinrichtungen, zum Beispiel in Bulgarien und in der Slowakei. In Rumänien haben bis heute 40 % der Haushalte der Minderheit keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 

Der Zentralratsvorsitzende Rose ruft die internationalen Organisationen und EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, endlich anzuerkennen, dass die Ursache für diesen menschenverachtenden Umgang mit Sinti und Roma der jahrhundertealte Antiziganismus ist: 

„Durch diesen spezifischen Rassismus wird den Roma Minderheiten in ihren Heimatländern die Menschenwürde genommen. Für Millionen Angehörige unserer Minderheit ist es ein Hohn, wenn dann – in Kenntnis der unwürdigen Lebenssituation der größten Minderheit in Europa – in offiziellen Reden von Menschenrechten innerhalb der Europäischen Union gesprochen wird.“ 

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma begrüßt gleichzeitig verantwortungsvolle Entwicklungen im Umgang mit Sinti und Roma. So hat die vom Zentralrat jahrelang eingeforderte und von der deutschen Bundesregierung 2019 eingesetzte ‚Unabhängige Kommission Antiziganismus‘ dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung einen wegweisenden 800-seitigen Bericht mit zentralen Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung des Antiziganismus vorgelegt. Im März 2022 berief die Bundesregierung einen Bundesbeauftragten gegen Antiziganismus und fördert seit 2022 den Aufbau einer bundesweiten Melde- und Informationsstelle Antiziganismus

Rose sagt dazu: „Der Zentralrat wird es deshalb begrüßen, wenn die über 40-jährige erfolgreiche Arbeit des Zentralrats, die national und international große Anerkennung hat, von der Bundesregierung jetzt endlich durch einen Staatsvertrag gewürdigt wird.“

Der Zentralrat begrüßt darüber hinaus, dass Deutschland und einige andere Staaten die Antiziganismus Definition der Internationalen Holocaust Erinnerungsallianz IHRA übernommen und auf nationaler Ebene zur Umsetzung anerkannt haben. Die IHRA-Arbeitsdefinition des Antiziganismus ist ein wichtiges Instrument, um Antiziganismus zu ächten und ihm entschieden entgegenzuwirken.

Zentralratsvorsitzender Rose richtet gleichzeitig seine Kritik an die Innenminister der deutschen Bundesländer und fordert diese auf: „Ich appelliere an alle Innenminister der Länder, diesem Schritt zu folgen und damit die rassistische und antiziganistische Sondererfassung und Kriminalisierung von Sinti und Roma durch die Polizei auf Grundlage der Abstammung endlich in ihrer Zuständigkeit zu beenden.“

Der Zentralrat sieht es als einen positiven Umbruch und als Signal, dass das Bundeskriminalamt am 27. Januar in diesem Jahr diese Antiziganismus Definition der IHRA unterzeichnet hat und damit jede Form von Antiziganismus in seiner Behörde unterbinden und ächten will. 

Zum Hintergrund

Die offizielle Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die 500.000 ermordeten Sinti und Roma im NS-besetzten Europa findet am Mittwoch, den 2. August 2023 in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau statt. Die Gedenkveranstaltung wird vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma mit dem Verband der Roma in Polen und in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau organisiert. Die Gedenkveranstaltung wird live über die Website https://www.roma-sinti-holocaust-memorial-day.eu/ gestreamt. Das Video wird dort anschließend dauerhaft mit einem breiten Informationsangebot (DE/EN/PL/Romanes) zum Holocaust an Sinti und Roma verfügbar sein.

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